Gosenbach. Solarkraftwerk in Siegen-Gosenbach mit Strom für etwa 200 Einfamilienhäuser: SVB wollen sich intensiver um regenerative Energien kümmern.
Ein Leuchtturmprojekt in Sachen Energiewende: Die Siegener Versorgungsbetriebe (SVB) möchten als erstes Projekt dieser Art in der Region eine Photovoltaik-Großanlage (PV) auf einer Freifläche bei Gosenbach errichten. Das Grundstück im Bereich Rothenberg liegt neben der A 45, ist 8600 Quadratmeter groß und könnte mit 2500 bis 2800 Photovoltaik-Modulen zur Stromgewinnung bebaut werden. „Ein aktiver Beitrag zur CO2-Vermeidung“, sagt SVB-Geschäftsführer Thomas Mehrer.
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Die Strategie
Die SVB widmen sich seit Jahren regenerativen Energien, das große Parkhaus an der Morleystraße hat eine PV-Anlage auf dem Dach, ebenso alle Außenanlagen wie Druck- und Hochbehälter. Laut Geschäftsführer Thomas Mehrer dienen diese aber in erster Linie der Stromversorgung vor Ort – das soll mit der Anlage am Rothenberg anders sein.
Die SVB wenden sich strategisch noch stärker der Energie-, Verkehrs- und Wärmewende zu, bekräftigt Mehrer – dieses Projekt zahle darauf ein. Seit seinem Amtsantritt im Sommer 2020 habe sich das Unternehmen intensiv nach geeigneten Flächen umgeschaut. Dieses Vorhaben diene auch dazu, Erfahrung zu sammeln, eine Lieferkette aufzubauen für mögliche Folgeprojekte in Siegen. „Wir möchten Antworten auf die neue Energiewelt liefern – dazu gehört, Strom vor Ort ökologisch zu erzeugen und zu verbrauchen“, betont der SVB-Geschäftsführer. Die Klimaziele seien ambitioniert, aber es sei noch nicht viel passiert. „Wir können aber viel leisten, wenn wir Hand in Hand arbeiten.“ Das Solarkraftwerk soll im Idealfall der Startschuss sein für weitere Projekte: Mit den hier gesammelten Erfahrungen wollen die SVB weitere Möglichkeiten in Siegen abstecken, denkbar seien etwa größere Anlagen auf Industriehallen. Auch für das „klimaeffiziente Gewerbegebiet“ Martinshardt II laufen die Überlegungen zu Photovoltaik im größeren Stil.
Der Standort
Das Areal ist nach Einschätzung von Stadtverwaltung und Siegener Versorgungsbetrieben (SVB) eine Photovoltaik-Potenzialfläche in 1A-Lage. Die Flächenkulisse weist solche Gebiete in unmittelbarer Nachbarschaft zu Autobahnen als privilegiert aus (ebenso zu Schienen- und Bundesstraßen-Trassen), nahe dem Rothenberg verläuft die A 45.
Die Abteilung Stadtplanung erarbeitet zur Zeit die stadtweite Potenzialflächenanalyse. Weil hier aber günstige Bedingungen vorliegen, soll das Gebiet vor deren Fertigstellung beplant werden. Die SVB haben sich mit dem Grundstückseigentümer bereits über eine Verpachtung verständigt, die Verträge sind unterschrieben, das Unternehmen kann für 20 Jahre über die Fläche verfügen.
Die Anlage
Bis zu 749 Kilowatt Peak (kWp) elektrische Leistung könnten die bis zu 2800 Module liefern – „für Siegen ist das sehr groß“, erläutert Thomas Mehrer, der schon anlagen mit 8,3 Megawatt Peak umgesetzt hat. Die tatsächliche Leistung hänge natürlich immer auch ab von der Sonneneinstrahlung, man gehe aber davon aus, dass die Anlage jährlich etwa 700.000 Kilowattstunden (kWh) liefern könne – 0,7 Megawattstunden (mWh). Heruntergerechnet auf ein Einfamilienhaus mit zwei bis drei Bewohnern, das 3500 bis 4000 Kilowattstunden verbraucht, könnte die Photovoltaik-Anlage Rothenberg also Energie für 200 Privathaushalte bereitstellen. Der Strom müsse nicht zwangsläufig vollständig in die Netzeinspeisung fließen – denkbar seien auch größere Abnehmer in der direkten Umgebung. Auf Basis des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ist dem hier erzeugten Strom eine feste Vergütung für 20 Jahre garantiert.
Der Zeitplan
Dass die Fläche gepachtet ist, bedeute keineswegs, dass die PV-Anlage zwangsläufig gebaut werde, betont Thomas Mehrer. Die Kommunalpolitik hat dem Konzeptionsbeschluss zugestimmt und auch die Einleitung des Bauleitplanverfahrens befürwortet. „Es muss aber alles gesichert sein“, verweist der SVB-Geschäftsführer auf noch ausstehende Gutachten zum Natur- und Artenschutz, „vom Feldhamster bis zum Schmetterling“. Auch mögliche Verschattungen auf der Freifläche sowie die Ausrichtung müssen noch geprüft werden: Die PV-Module dürfen den Verkehr auf der Autobahn nicht blenden. „Im Vergleich zur Windkraft ist das bei Solarenergie aber eher beherrschbar“, so Mehrers Einschätzung. Insgesamt müsse die Anlage ins Landschaftsbild passen und umweltverträglich sein, die Betriebskosten decken und idealerweise Rendite abwerfen. Gäbe es KO-Kriterien, werde man auch nicht bauen – die Rahmenbedingungen wiesen aber in die entgegengesetzte Richtung.
Solarkraftwerke können in einem vergleichsweise kurzen Zeitrahmen montiert werden. Wenn alles gut läuft, könnte die PV-Anlage im Frühjahr oder Sommer 2022 ans Netz gehen.
Die Meinungen
„Dabei geht eine landwirtschaftliche Fläche drauf“, monierte Raimund Hellwig (FDP) im Bauausschuss, die Landwirte in der Region hätten ohnehin zu wenig Fläche. Zudem habe der Landwirt überaus kurzfristig erfahren, dass er die Fläche verlieren werde. Hier werde Grün vernichtet, beschwerte sich auch Parteikollege Martin Nüchtern im Stadtentwicklungsausschuss. Stattdessen solle man lieber Flächen an Autobahnen entwickeln. „Dann bleiben für solche Vorhaben nur noch Forstflächen“, antwortete Stadtbaurat Henrik Schumann – „das wird nicht einfacher.“ Zudem sei der Landwirt nicht Eigentümer, sondern Pächter der Fläche, man wolle sich nicht in einen etwaigen Konflikt zwischen den bisherigen Partnern einmischen. „Wir werden uns bei größeren Photovoltaikanlagen überwiegend über landwirtschaftliche Flächen unterhalten“, pflichtete Marlene Krippendorf, Leiterin der Stadtplanung, mit Blick auf das noch fertigzustellende PV-Flächen-Konzept für die Abteilung Stadtplanung bei.
Die Flächenkulisse sei „1A“, bekräftigte Siegens Klimaschutzmanager Lars Ole Daub. „Irgendeinen Tod müssen wir sterben, auch im Bereich des Klimaschutzes“. Es handle sich nicht um eine hochwertige Ackerfläche, durch eine Photovoltaik-Großanlage könnte ein solches Grundstück vielmehr deutlich aufgewertet werden in Sachen Biodiversität – neben einem deutlichen Plus in Richtung CO2-Neutralität. „Das wäre ein deutlicher Gewinn für Siegen.“
„Eine schwierige Entscheidung“, fand Christian Welter (Volt): Regenerative Energien wolle man fördern, aber „es ist schade um jedes Stück Grün“, wenn gleichzeitig viele Dachflächen mit gleicher Eignung zur Verfügung stünden.
Der Widerspruch Photovoltaik – Landwirtschaft lasse sich ja vielleicht ein Stück weit auflösen, hoffte Ansgar Cziba (Grüne): Es gebe Beispiele, wo Nutzvieh zwischen PV-Anlagen grase. Wenn man sich anschaue, was der Braunkohletagebau vernichte – hier werde Strom vor Ort produziert. „Das ist genau der richtige Weg“, sagte seine Fraktionskollegin Angela Jung in Richtung FDP.
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