Weidenau. Viele Kinder konnten schon vor Corona nicht richtig schwimmen, die Pandemie hat die Lage verschärft. Eine Schule hat dazu eine besondere Idee.

Es hat etwas von Armdrücken: Von zwei Seiten haben Samit und Fabian die Schwimmnudel mit gestreckten Armen im Griff, während sie aufeinander zu schwimmen. So üben die beiden Fünftklässler der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule gemeinsam den Beinschlag. Es ist eine der fünf Stationen, die die beiden 11-Jährigen an diesem Morgen in den Osterferien im Schwimmbecken des Hallenbades Weidenau abarbeiten. Schwimmlehrerinnen Britta Hansen und Ina Seifert haben die Schülerinnen und Schüler im Blick und geben ihnen Hinweise, wie die jeweilige Aufgabe richtig zu bewältigen ist.

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Die acht Schülerinnen und Schüler nehmen in der ersten Woche der Osterferien an einem der beiden viertägigen Schwimmkurse teil, die ihre Schule, die Bertha-von-Suttner-Gesamtschule, im Hallenbad Weidenau durchführt. „Das Gute ist, dass wir hier mehr Zeit haben“, sagt Schwimmlehrerin Britta Hansen, die an der Gesamtschule Sport und Gesellschaftslehre unterrichtet. Anders als in der Schule, sagt sie, können die Kinder hier kontinuierlich ihre Schwimmtechnik entwickeln. Ebenfalls positiv sei, betont Britta Hansen, dass sie zusammen mit Kollegin Ina Seifert bei acht Kindern intensiver mit jedem einzelnen arbeiten kann. Probleme gibt es nicht nur in Siegen, sondern deutschlandweit: Nach Angaben der DLRG können 59 Prozent der Zehnjährigen nicht richtig schwimmen – und diese Zahl stammt noch aus der Zeit vor der Pandemie.

Schwimmunterricht fand in der Pandemie nicht statt. Das holen Schüler der fünften und sechsten Klassen in einem Schwimmkurs nach.
Schwimmunterricht fand in der Pandemie nicht statt. Das holen Schüler der fünften und sechsten Klassen in einem Schwimmkurs nach. © WP | Aaron Sayko

Schwimmunterricht ist an den Schulen ausgefallen

Das Urteil von Britta Hansen über den Fortschritt der Kinder am dritten Tag des Schwimmkurses: „Die haben alle Spaß, die machen das alles ganz toll.“ Unterricht in den Ferien, damit hat Samit kein Problem: „Ich finde es ganz gut, dass es in den Ferien ist.“ So könne man sich, so der 11-Jährige weiter, ganz darauf konzentrieren, Armzug und Beinschlag zu üben.

+++Lesen Sie auch: Im Freizeitbad Netphen soll Schwimmunterricht Vorrang haben+++

Die Schwimmkurse organisiert die Bertha-von-Suttner-Gesamtschule in Kooperation mit der Universität Siegen. Sie finden im Rahmen des Projektes „Extra-Zeit zum Lernen“ statt, das vom Land NRW finanziert wird. Die Idee für das Lernangebot kam von den beiden Schwimmlehrerinnen Britta Hansen und Ina Seifert. Ihnen ist aufgefallen, dass während der Pandemie die Zahl der Kinder, die nicht schwimmen können, zugenommen hat. „Die Schüler bei uns hatten in der Grundschule keinen Schwimmunterricht“, bestätigt Anja Siebert, Didaktische Leiterin an der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule. Wer in den vergangenen beiden Jahren die Grundschule verlassen hat, hatte keinen Schwimmunterricht, obwohl der Lehrplan ihn ab der dritten Klasse vorsieht.

Mit Förderprogramm Lerndefizite der Schüler aufarbeiten

Nicht nur in Sachen Schwimmen sind bei Schülerinnen und Schülern Lerndefizite entstanden, die die „Bertha“ nun aufarbeiten möchte. Im vergangenen Jahr bereits, erläutert Anja Siebert, habe man in den Sommer- und Herbstferien Schülerinnen und Schülern zusätzliche Lernkurse angeboten. So konnten Kinder in den Hauptfächern Deutsch, Englisch und Mathe das zusätzliche Lernangebot dazu nutzen, den verpassten Lernstoff aufzuholen.

Lesen Sie auch: Siegen: Wie lange hält das Löhrtorbad noch durch?+++

Darüber hinaus stehen auch die motorischen und sozialen Fähigkeiten der Kinder im Fokus, die während der Jahre der Corona-Pandemie ebenfalls gelitten haben: In einem Projekt haben Schüler einen Film über die Umbaumaßnahmen ihrer Schule gedreht. In einem anderen übten sie Theatersketche ein. Auch im kommenden Schuljahr, sagt Anja Siebert, möchte die Bertha-von-Suttner-Gesamtschule außerschulische Lernangebote organisieren, um entstandene Lernlücken weiterhin zu schließen. Für die Schülerinnen und Schüler des Schwimmkurses, sagt Britta Hansen, steht wiederum der Gang in das tiefe Becken bevor. Dort werden sie zeigen können, was sie in den vergangenen Tagen gelernt haben.

Die Hallen- und Freibäder im Siegerland

Nicht nur die Pandemie wirft die Bemühungen um den Schwimmunterricht zurück:

Die Stadt Siegen arbeitet an der Erweiterung des Weidenauer Hallenbades. Danach soll das Hallenbad Löhrtor aufgegeben werden. Insgesamt wird damit die verfügbare Wasserfläche reduziert. Vor allem auswärtige Vereine und Schulen befürchten, dass sie ihre Schwimmzeiten in Siegen nicht werden halten können.

+++Lesen Sie auch: Siegen: Einbrecher scheitern an Tresor aus Löhrtor-Hallenbad+++

In der Stadt Netphen wurde in den letzten Monaten intensiv über lange Wartelisten für Schwimmkurse diskutiert. Die Freizeitpark Obernautal GmbH (FON) verweist auf begrenzte Kapazitäten, die nur zu Lasten der allgemeinen Badezeit erweitert werden könnten. Die Politik wartet auf ein Konzept, dass es jedem Netphener Grundschulkind ermöglicht, schwimmen zu lernen. Aktuell ist das Bad bis Mitte Mai wegen Sanierungsarbeiten geschlossen.

Die Stadt Freudenberg hat ihr Hallenbad im Schulzentrum Büschergrund aufgegeben. Die ehemalige Schwimmhalle ist jetzt Mensa der Gesamtschule. Auf dem Gelände des Freibades soll ein Gebäude mit einem Lehrschwimmbecken neu gebaut werden – wann, ist allerdings offen. 2020 wurde beschlossen, eine Planung zu beginnen.

Ganzjährige Schwimmmöglichkeiten im Siegerland gibt es derzeit nur in Siegen (drei Hallenbäder), Netphen, Neunkirchen und Hilchenbach. Kreuztal, Freudenberg und Burbach haben nur Freibäder, die Gemeinde Wilnsdorf hat überhaupt kein Bad.

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++