Seilbahn und Busfahrer-Grippe, Uni-Medizin und Notärzte in Rettungswachen: Es ging um Themen, die jedermanns Alltag betreffen.
Was war wichtig in 2019 im Siegerland? Steffen Schwab hat acht Vorschläge:
1. Nahverkehr: Von Grippe bis Seilbahn
Am Anfang war eine Grippewelle. Tag für Tag teilten die Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS) mit, welche Verbindungen ausfallen müssen. Woche für Woche, bis auch die ausgeprägteste Influenza-Epidemie nicht mehr für eine Erklärung herhalten kann. Dem Unternehmen fehlen schlicht die Fahrer, um den vom Kreistag vorgegebenen, neuerdings durchaus opulenten Fahrplan zu realisieren. Es kommt noch dicker: Das Verwaltungsgericht findet, die VWS hätten die Linienkonzessionen gar nicht bekommen dürfen, und der Kreistag bricht eine Debatte über die Rekommunalisierung des Bus-Nahverkehrs vom Zaum. Am Ende des Jahres ist die SPD beleidigt, dass ihre Idee einer Seilbahn durchs Hüttental auf mehrheitlich taube Ohren stößt. Die Busse fahren derweil nach einem gekürzten „Baustellenfahrplan“. Wobei „Baustelle“ im Herbst das ist, was „Grippe“ im Frühjahr war.
2. Der Landrat an sich: Superman?
Noch hat niemand Andreas Müller als Superman karikiert. Der Sozialdemokrat, der im Herbst 2020 wiedergewählt werden will, rettet mit Bürgerbefragung und Busfahrer-Werbekampagne den Nahverkehr, sichert mit Talsperrenneubau-Studie die Wasserversorgung, macht mit Mietzuschüssen (an die Vermieter) das Wohnen bezahlbar und kümmert sich darum, dass auch das Kreishaus einen Campus bekommt. Mit noch einem Kreishaus. Dass all das niemandem entgeht, wird über Facebook und sonstige Öffentlichkeitsarbeit sichergestellt. Und dass ihm im Haus niemand mehr in die Suppe spuckt, wird durch die nächste Rochade in der Verwaltungsspitze sichergestellt.
3. Gesundheit: Uni-Medizin und Rettungsdienst
Ende Februar präsentiert der Kreis den Entwurf für einen neuen Rettungsdienstbedarfsplan. Die Wogen schlagen hoch – nicht wegen der Verlagerung von Standorten, sondern weil Notärzte künftig zentral von den Siegener Krankenhäusern aus zu den Einsatzstellen geschickt werden sollen. Der Landrat erklärt am Ende die Entscheidung über den Abzug der Notärzte aus Kreuztal und Netphen für vertagt – bis die neuen Rettungswachen, unter anderem in Allenbach, Deuz und auf der Wilhelmshöhe stehen. Ende Oktober macht der Wissenschaftsrat der Politik klar, dass man die Siegener Blütenträume von der Landarztausbildung unterm Krönchen auch ganz anders sehen kann: Ohne das Zusammengehen, zumindest optimale Kooperation der Krankenhäuser wird das schon mal gar nichts. Zum Jahresende auf der Tagesordnung: die Krankenhausfusion und die Telemedizin – Netphen will in ein „E-Health“-Projekt mit einsteigen.
4. Schulen: Anbau und Neubau
Die Landschaft bleibt in Bewegung. Kreuztal macht seine Realschule für Auswärtige quasi dicht, was die Nachbarn in Hilchenbach freut, wo die Realschule im März ihr schlechtestes Anmeldeergebnis aller Zeiten einfährt. Kreuztal nimmt knapp sieben Millionen Euro in die Hand, um Gymnasium und Gesamtschule zu erweitern und der Grundschule in Eichen Platz unterm Dach der (künftig ehemaligen) Hauptschule zu verschaffen. Wilnsdorf lässt nach der aufwändigen „360-Grad-Betrachtung“ seiner Schullandschaft fast alles, wie es ist. Keine Zentralisierung der weiterführenden Schulen, dafür aber ein Neubau der Grundschule Wilnsdorf. Siegen bekommt zwei neue Schulen: Auf den Start bereitet sich „D.E.In.E Schule“ vor, das Projekt einer „freien und demokratischen“ Schule der Jahrgänge 1 bis 10. Und der christliche Schulverein, der auf dem ehemaligen Roland-Gelände, wo endlich auch ein Platz für die (Oranien-)Kita des Christofferwerks gefunden wurde, eine zweite „freie christliche“ Grundschule eröffnen wird.
5. Die Südwestfalen-Regionale 2025
… nimmt allmählich Fahrt auf. Die Uni kann am schnellsten etwas mit dem sperrigen DNA-Motto (Digital, nachhaltig, authentisch) anfangen. Mit der „Digitalen Modellregion Gesundheit“ werden die Möglichkeiten sehr konkret. Und auch mit dem ersten klassischen kommunalen Projekt in Kreuztal: der Neu-Nutzung des Ferndorfer Bender-Geländes.
6. Die Volksinitiative gegen die Straßenausbaubeiträge
...hat sich nicht durchgesetzt: Der umstrittene Paragraf des Kommunalabgabengesetzes (KAG) bleibt, wenn auch in abgemilderter Form. Die Kommunen haben sich mit Moratorien übers Jahr gerettet: keine neuen KAG-pflichtigen Ausbauten, keine Beitragsbescheide für bereits abgeschlossene Projekte. Das wird nicht mehr lange durchzuhalten sein Zumal die Auflösung der Fahrbahnen fast ungebremst fortschreitet.
7. Jobs: Von SMS bis Bergrohr
Die SMS group als großer Anlagenbauer arbeitet sich aus der Krise heraus, die Stahlindustrie bleibt drin: Dass der Standort nicht insgesamt gefährdet ist, reicht schon für ein Aufatmen bei den Belegschaften von Thyssenkrupp Steel in Eichen und Ferndorf. Auch bei den Röhrenherstellern ist keine Trendwende in Sicht. Bergrohr und Pickhan, beide zuletzt unter dem Dach des Erndtebrücker Eisenwerks, werden aufgegeben; betroffen sind rund 150 Beschäftigte. Das Jahr begann mit einer Hiobsbotschaft in Kreuztal: Kingspan verkündete das Aus für die Hoesch Siegerlandwerke und ihre 140 Beschäftigten – das einst zum Krupp-Hoesch-Konzern gehörende Bauteilwerk war wichtiger Abnehmer der nebenan bei TKS hergestellten Stahlerzeugnisse.
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8. Stadtbad: Kurswechsel für Weidenau
Drei Jahre nach dem Beschluss über das Konzept ändert die Stadt den Kurs: Von dem Neubau des Hallenbads in Weidenau bleibt ein Anbau. Der wird mit 16,2 Millionen Euro immer noch eine der teuersten Investitionen, die Siegen je gestemmt hat. Wann? Hoffentlich nicht erst, so das Stoßgebet von Politik und Verwaltung, wenn das Löhrtorbad sich in Bauschutt verwandelt. Die Uni wartet längstens bis Ende 2025.
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