Wetter/Herdecke. Katja Strauss-Köster und Frank Hasenberg zur Krisenlage in Wetter und Herdecke: So blicken sie auf die Themen Wohnen, Gewerbe, AfD und Finanzen.
Im Interview mit der Lokalredaktion geben Herdeckes parteilose Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster und ihr SPD-Amtskollege Frank Hasenberg aus Wetter einen Einblick, welche Aufgaben anstehen.
Beginnen wir mit den Themen Wohnen und Gewerbe: Welche Projekte ragen 2024 in Wetter und Herdecke hervor?
Katja Strauss-Köster: In Sachen Gewerbe müssen wir sehr kleine Schritte machen, es fehlen weiter Flächen. Bei einer Runde mit unseren Einzelhändlern aus der Innenstadt kam aber kürzlich der Tenor auf, dass wir hier angesichts weniger Leerstände auf einer Insel der Glückseligen leben. Zum zweiten Teil der Frage: In Ende, Am Berge, wird sich in diesem Jahr endlich etwas tun. Auch für die angedachte Wohnraumerweiterung am Semberg haben wir positive Signale erhalten, obwohl der Regionalplan dort eigentlich keine Erschließung der anvisierten Freifläche vorgesehen hatte. Dieser beruht aber auf alten Zahlen, deshalb ist er auch so umstritten.
Frank Hasenberg: Der Regionalplan lässt uns in der Tat wenig Möglichkeiten. Dabei brauchen wir neue Wohnungen, auch im Hinblick auf soziale Aspekte und die Flüchtlingsentwicklungen. Das größte Wohnprojekt 2024 in Wetter dürfte wohl die Weiterentwicklung am Rohlande in Volmarstein sein. Wie schwierig die Erschließung potenzieller Wohnbauflächen sein kann, hat uns angesichts der Altlasten der Grundschötteler Berg rund um das Demag-Hochhaus gezeigt. Bezüglich der Finanzlage 2024 in Wetter bin ich mit Blick auf die allgemeine wirtschaftliche Schwächephase mäßig optimistisch. 2023 war für uns noch ein gutes Jahr. Doch wenn die heimischen Unternehmen Einbußen haben, würden auch wir das spüren.
Wie blicken Sie aktuell auf die Flüchtlingsfrage?
Strauss-Köster: Wir haben gerade erst drei Häuser angemietet. Auch das dürfte bei folgender Rechnung bald nicht reichen: Kommen zehn Flüchtlinge pro Woche, müssen wir uns in sechs Wochen wieder nach neuen Unterkünften umgucken. Auch bei der HGWG ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Zudem können die Leute ja nicht nur in Containern wohnen, wir sollten nach Holz- oder Modulbauten Ausschau halten. Mein Kollege aus Wetter und ich sind aber dankbar, dass wir bisher dieses Thema insgesamt hier besser lösen konnten als andere Städte, die schon Turnhallen belegen mussten.
Hasenberg: In der Hinsicht geht unser gemeinsamer Dank auch an zahlreiche Ehrenamtler, wobei wir die nicht überstrapazieren dürfen. Neben Fragen zur Finanzierung und Unterbringung müssen wir die Integration voranbringen. Gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel, der ja immer mehr zum Kräftemangel wird. Das Asylrecht darf niemand infrage stellen, über die Auswirkungen auf die Sozialsysteme müssen wir aber reden.
In dem Zusammenhang sorgen sich viele wegen der starken Umfragewerte für die AfD. Wie sehen Sie die Lage im rechten Spektrum?
Hasenberg: Nicht alle, die sich unzufrieden zur aktuellen Politik der Bundesregierung äußern, sind Rechte oder Nazis. Es gibt aber einige, die außerhalb unserer freiheitlichen Grundordnung stehen. Dazu haben aber viele und nicht nur die Ampel beigetragen. In Berlin müssen SPD, Grüne und FDP eine klare Linie finden, sie müssen die Probleme besser managen und erklären. Die Menschen brauchen Leitplanken und Sicherheit. Mir wird bei dem Gedanken, wenn die AfD in Verantwortung kommen sollte, Angst und Bange. Die wollen das abschaffen, wovon wir alle schon lange profitieren. Die aktuellen Proteste finde ich richtig gut, Verfassungsfeinde müssen wir streng behandeln. Ich hoffe nicht, dass solche eines Tages im Rat der Stadt Wetter sitzen.
Strauss-Köster: Auch bei mir wächst die Sorge vor dem Stimmgewinn der AfD. Es ist daher umso wichtiger, dass wir gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern ein deutliches Signal gegen Rechtsextremismus setzen. Wir müssen das gesellschaftliche Gleichgewicht im Blick behalten. Arbeit muss sich noch lohnen. Nur mit guter Politik kann verhindert werden, dass die AfD erstarkt und die Grundlagen unseres demokratischen Rechtsstaates unterwandert. Wir sollten mehr über unsere Themen und Projekte sprechen sowie diese den Bürgerinnen und Bürger vor allem gut erklären.
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Angesichts der jüngsten Bauern-Proteste und manchem mehr lässt sich die Stimmung im Land als schlecht beschreiben. Wie sieht es hier in den beiden Städten aus?
Hasenberg: Wir sollten differenzieren. Die Proteste zeigen, dass was falsch gemacht wurde. Hinzu kommt ja noch die schwierige geopolitische Lage. Auch ich spüre eine gewisse Unzufriedenheit. Unter anderem deshalb, weil wir teilweise von anderen abhängig sind und uns die nötigen Instrumente fehlen. Etwa bei der Verkehrslage, die ärgert mich besonders. Da sind wir aber auf den Landesbetrieb und die Deutsche Bahn angewiesen. Außerdem hilft uns die Schuldenbremse nicht weiter, wir brauchen jetzt Geld für Investitionen. Zum Beispiel für gute Schulen oder auch für sichere und funktionierende Brücken. Unter dem Strich bin ich aber sicher, dass die Menschen hier ihr gutes Umfeld zu schätzen wissen.
Strauss-Köster: Das sehe ich auch so, in Herdecke spüre ich in der Bevölkerung immer noch eine recht hohe Zufriedenheit. Kritisieren gehört dazu, wobei das tatsächlich häufig extremer ausfällt. Zudem werden die Herausforderungen ja nicht weniger, wenn ich an die CO₂-Bepreisung, Teuerungsraten und den Fachkräftemangel denke. Neben der AfD erfährt ja auch das Sarah-Wagenknecht-Bündnis Zuwachs. Somit dürften die Mehrheitsverhältnisse im Rat immer schwieriger werden.
Stichwort Finanzen: Wie kritisch ist die Lage in Wetter und Herdecke?
Hasenberg: Wir Kommunen bekommen immer mehr Aufgaben aufs Auge gedrückt, sollen aber zugleich in unsere Infrastruktur investieren. Das kann so nicht funktionieren. Wir wollen keine Steuererhöhungen für die Bürgerinnen und Bürger, die wir nicht zusätzlich belasten wollen. Als Mitglied einer Partei, die an der Ampel-Regierung beteiligt ist, bin ich mit deren Politik nicht zufrieden. Auch die NRW-Landesregierung kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen, wenn ich etwa an die Bilanzierungstricks des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung denke. Damit lassen sich zwar die Haushalte auf dem Papier positiver darstellen, aber es fehlt an echten finanziellen Mitteln. Beispielsweise haben wir fest auf zugesagtes Fördergeld für einen Highspeed-Anschluss an unseren Schulen gesetzt. Das kommt erst 2025, sodass wir dies jetzt vorfinanzieren müssen und auch noch bürokratischen Aufwand haben. Anderes Beispiel: Wir müssen mehrere Millionen Euro für den gesetzlich gewollten Ausbau des offenen Ganztags in die Hand nehmen. Uns betrifft das beispielsweise an der Bergschule mit dem dort geplanten Umbau. Auch da erhalten wir kaum die notwendige Unterstützung. Zudem werden die Vergabeverfahren immer schwieriger, für kleinere Firmen sind Angebote eine Herausforderung geworden. Bis wir einen Auftrag erteilen können, verlieren wir wertvolle Zeit. Zusätzlich stehen weitere wichtige Investitionen an, die wir finanzieren müssen: Als größter Posten wird uns die Sanierung des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen. Eine Investition der letzten Jahre, die sich richtig gelohnt hat, ist die Sanierung unseres Hallenbads. Zum Glück konnten wir es 2023 wiedereröffnen.
Strauss-Köster: Unser Haushalt für 2024 wurde gerade erst genehmigt. Bei einem Volumen von rund 70 Millionen Euro bleibt uns kaum noch Spielraum, zumal beispielsweise die Sozialkosten unverändert hoch sind und wir bei den Infrastruktur-Investitionen einiges geplant haben. Das betrifft auch das Themenfeld Schule. Mitunter geht es nicht ohne Fördergeld, das erhalten wir für eine Photovoltaikanlage mit Batteriespeicher auf dem Flachdach der Grundschule Schraberg. Grundsätzlich sage ich mit Blick auf unsere Finanzprobleme: Wir sind auch hier als Krisenmanager gefordert und können diesbezüglich nur an Land und Bund appellieren, die Städte auskömmlich auszustatten.
Ein Dauerthema ist die Personallage in den beiden Stadtverwaltungen und der Fachkräftemangel. Manche wechseln in andere Städte oder zum EN-Kreis, wie sehen Sie dies auch im Hinblick auf das angespannte Verhältnis wegen ungenügender Sparanstrengungen in Schwelm?
Strauss-Köster: Vor allem junge Mitarbeitende gucken häufig in größere Städte, wo sie in den Verwaltungen mehr verdienen können und vielleicht sogar weniger in der Verantwortung als beispielsweise hier bei uns stehen. Wir verlieren obendrein auch viele aus dem Kollegium mit reichlich Erfahrung und einem hohen Fachwissen, während zugleich die Ansprüche aus der Bürgerschaft steigen. Das macht mir Sorgen.
Hasenberg: Mit dem Ennepe-Ruhr-Kreis diskutieren wir intensiv und konstruktiv, was uns stört. Das Verhältnis ist gut. Unsere Kritik zielt ja eher in Richtung Kreistags-Verantwortliche und nicht direkt in Richtung Landrat. Wir Bürgermeister meinen, dass der Kreis sich nicht auf einer Insel der Glückseligen wähnen kann, sondern bei seinen Großprojekten Maß halten sollte und die Probleme der hiesigen Städte zur Kenntnis nehmen muss. Bei den Personalfragen muss man zur Kenntnis nehmen, dass Kreise und größere Städte zwei Gehaltsgruppen mehr zahlen können. Dagegen kommen wir nicht an, obwohl das Arbeiten in einer kleineren Verwaltung auch Vorteile bietet.