Hagen. Der Zusammenhalt am Quambusch funktioniert seit Jahrzehnten, doch jetzt sorgt sich das Quartier um die Zukunft des Nahversorgers. Ein Infrastrukturangebot, das es am angrenzenden Baukloh gar nicht gibt.
Bleibt er oder schließt er – mit bangen Blicken spekulieren die „Quambüscher“ über die Zukunft des Netto-Marktes an der Louise-Märcker-Straße. Der Einkaufsmagnet hat signalisiert, sich einschneidend verändern zu wollen. Mal wird über eine Schließung zum Monats-, spätestens jedoch zum Jahresende spekuliert.
Andere wollen definitiv erfahren haben, dass an der Rückseite angebaut wird. Eine aktuell seriös nicht zu klärende Frage: Das Unternehmen hat den Mitarbeitern ein Schweigegelübde auferlegt. Inzwischen macht sogar das Gerücht die Runde, dass mit dem Abriss des leer stehenden GWG-Hochhauses an der Ecke Twitting/L.-Märcker-Straße Platz für einen kompletten Neubau des Nahversorgers geschaffen werde und somit die neue Kindertagesstätte in den Netto-Markt ziehen könne.
Umgängliche Menschen
Sicher ist momentan nur: Der Supermarkt wird von den Bewohner des Stadtteils Westerbauer-Nord als neuralgischer Ankerpunkt für ihre tägliche Versorgung wahrgenommen. Gemeinsam mit dem Friseursalon, den beiden Gaststätten und der Quambusch-Apotheke bildet er das urbane Zentrum des Quartiers. „Wir Händler stützen uns hier gegenseitig“, schwört Apotheker Michael Batta auf den guten Zusammenhalt.
„Auch ich kaufe hier meine Lebensmittel und lasse mir die Haare schneiden“, fühlt sich der Rheinländer, der seit drei Jahren seine Nachbarn mit Medikamenten versorgt, in Haspe sauwohl. „Hier leben sehr umgängliche Menschen.“ Lediglich das Viel-Völker-Gemisch berge bei den jüngeren Leuten heißblütigen Sprengstoff, blickt der 52-Jährige vor allem in Richtung Ährenstraße: „Hier wird eine Generation groß, die die Werte regelmäßiger Arbeit durch ihre Eltern kaum noch vorgelebt bekommt.“
Ärger durch ignorante Hundehalter
Ja, es gibt am Quambusch offenbar ein gewisses Nord-Süd-Gefälle. Siegfried Gras, als langjähriger Geistlicher und Ex-Iämpeströter ein echter Ur-Hasper, den es auf seine alten Tage vom Spielbrink zum Quambusch verschlug, hat aus der Nachbarschaft auch schon davon gehört. „Ansonsten funktioniert hier der Zusammenhalt wirklich prima“, schätzt Gras das gelebte Miteinander. Ärgerlich sei lediglich das Verhalten vieler Hundebesitzer: „Hier finden sich auf 50 Metern auch schon mal ein halbes Dutzend Hundehaufen. Dabei spielen dort auch jede Menge Kinder. Es kann doch nicht so schwierig sein, beim Gassi-Gehen einen Plastikbeutel einzustecken.“ Offenbar kam die jüngst ausgelobte und mit reichlich Häme begleitete Petz-Prämie der Gemeinnützigen Wohnstätten-Genossenschaft keineswegs von ungefähr…
Ursel Jaeger lebt seit 1955 am Quambusch. Damals bestimmte vorzugsweise der Siedlerverein den Alltagsrhythmus der Menschen in den Hütten- und Wittmann-Häusern, die später zu Preisen unter der 30.000-D-Mark-Schwelle als Eigenheime verkauft wurden. „Seitdem ist der Quambusch immer größer geworden“, lässt Ursel Jaeger ihre Erinnerungen schweifen. Dabei denkt sie nicht nur an das Neubauviertel im Schatten des Hauses Harkorten, das vor allem junge Familien anzieht. „Ich kenne heute längst nicht mehr jeden“, spürt die 69-Jährige den schleichenden Generationenwechsel im Viertel. Dass in den Mittagsstunden kein Rasen gemäht und abends keine Hecken mehr geschnitten werden, wird dennoch von allen respektiert. Der Siedlerverein liefert bis heute den sozialen Kitt, der den Neubürgern die Integration erleichtert. „Wenn wir uns am letzten Freitag im Monat treffen, geht es natürlich nicht mehr um den Gartengeräte-Verleih oder die Organisation von Jahresfahrten, sondern es steht einzig und allein die Geselligkeit im Mittelpunkt.“ 40 bis 50 Leute schauen regelmäßig vorbei.
Baukloh: abseits der Infrastruktur
Sorgen rund um eine beängstigende Säuferszene oder vagabundierende, aggressive Jugendliche macht sich Ursel Jaeger derweil kaum: „Gerüchte, dass hier alles sozial umkippt, gibt es doch schon seit 20 Jahren. Aber bislang funktioniert die soziale Kontrolle noch.“ Als viel gravierender würde es die „Eingeborene“ empfinden, wenn der Netto-Markt schließt: „Hier wohnen viele ältere Leute, die kein Auto haben. Zwar fährt regelmäßig der Bus, aber mit all den Einkäufen, wird das problematisch.“
Für die Menschen einen Berghang weiter, die am westlichen Ende der Twittingstraße am Baukloh leben, ein echtes Luxus-Problem. Dass durch zahlreiche Neubauten im Märchenviertel in den vergangenen Jahren rasant gewachsene Viertel, lädt zwar zum ruhigen Wohnen ein, lässt – von den Bussen mal abgesehen – jedoch jegliche Infrastruktur vermissen. Ohne Auto, wird es am äußersten Stadtrand von Hagen schnell kompliziert.