Hagen-Garenfeld. Sie glauben, dass die Stadt von den Plänen für ein neues Umspannwerk wussten, als sie ihnen die Grundstücke in Garenfeld über eine Tochtergesellschaft verkaufte. Die Verwaltung streitet das ab. Sauer sind die neuen Siedler allemal.
Es war ein schöner Sommertag. Pavillons waren aufgebaut. Es gab Sekt an Stehtischen. Und Hans-Joachim Bihs, Geschäftsführer der Hagener Entwicklungsgesellschaft (HEG), verteilte beim Sommerfest im Neubaugebiet Gräweken Luftballons an die Kinder. Als Andrea Ehrenfried die am Abend im Kinderzimmer aufpustete, platze nicht nur beinahe der Ballon, sondern der Mutter auch der Kragen: „Luftballons von Enervie – das ist schon ein dickes Stück.“
Auf den Energieversorger, auf den Netzbetreiber Amprion und auf die Stadt sind die Garenfelder Neubürger gar nicht gut zu sprechen. Denn die Energiewende spüren die neuen Garenfelder unmittelbar. Und zwar vor der eigenen (neuen) Haustür, vor der für 48 Millionen Euro ein gigantisches Umspannwerk gebaut werden soll.
Dabei hegen sie einen Verdacht, der sich nur schwer beweisen lässt. Trotzdem sind sich Andrea und Holger Ehrenfried, Alexandra und Olaf Walter, Inga und Dominik Zychla und die anderen einig: „Als die Stadt uns die Grundstücke verkauft hat, muss sie etwas von den Amprion-Plänen gewusst haben.“
Zwischen 240 und 260 Euro
Gutes Geld haben sie für ihre Grundstücke ohne Bauträgerbindung bezahlt. Zwischen 240 und 260 Euro je nach Lage kostet der Quadratmeter für das „Wohnen auf dem Sonnenplateau“. „Wenn man die jetzige Situation zu Grunde legt, ist dieser Preis völlig ungerechtfertigt“, sagt Rebecca Bichow, die im Mai 2012 eingezogen ist, mit Blick auf Umspannwerk und höhere Trassen in Sichtweite. „Wenn wir heute verkaufen würden, könnten wir nicht einmal einen Bruchteil dessen erlösen.“
Ein Wertverlust innerhalb so kurzer Zeit ist für die Neubürger nicht hinnehmbar. „Wir haben ein Stück Wohnqualität mitgekauft“, sagt Alexandra Walter, die im August 2011 eingezogen ist, „die nimmt man uns jetzt.“ Alle sind sich einige, dass sie einen Kaufvertrag zu den jetzigen Konditionen niemals unterschrieben hätten. „Es gibt in Ergste ein Baugebiet. Das wäre erste Wahl gewesen, wenn wir von den Amprion-Plänen gewusst hätten“, so Holger Ehrenfried.
Stadt und HEG weisen Vorwürfe zurück
Bei der Stadt und bei der HEG, die das Areal für 1,3 Millionen Euro erschlossen hat, weist man die Vorwürfe zurück: „Weder bei der Stadt noch bei der HEG war etwas von den Amprion-Plänen bekannt, als die Grundstücke verkauft wurden“, erklärt Gabriele Zmarowski. Bis heute habe Amprion noch keine genauen Unterlagen bei der Stadt eingereicht.
Das glauben die Garenfelder Siedler nicht: „Es kann mir keiner weiß machen, dass Amprion ein 48-Millionen-Projekt in Angriff nimmt, ursprünglich in diesem Monat mit dem Bau beginnen wollte und in der Verwaltung niemand etwas ahnt“, so Andrea Ehrenfried.