Breckerfeld. Zwölf Jahre lang wurde geplant und gebaut: Jetzt hat die AVU das Windrad in Breckerfeld eingeweiht. Was das Projekt besonders macht.
Er nimmt die Schere in die Hand, durchschneidet ein Band, das neben grünen Luftballons an der Treppe am Fuße des gigantischen Turms angebracht ist und lächelt entspannt. Thorsten Coß, Geschäftsführer von AVU-Serviceplus, ist ein Mann, der mit Leidenschaft für dieses Projekt brennt, das er nun mit einem Schnitt offiziell eingeweiht hat.
Das Windrad des Energieversorgers in Breckerfeld aber war eine Dauerbaustelle. Eine, die Coß zwölf (!) Jahre seines Lebens beschäftigt hat.
Besonderer Tag für Energieversorger
Also ist dieser 29. Mai 2024 irgendwie ein denkwürdiger, ein besonderer Tag. Für die AVU, aber gewiss auch für Coß persönlich, der den Akt nach einem zweistündigen Auftaktprogramm mit zahlreichen Gästen im „Haus Wengeberg“ am höchsten Punkt des Ennepe-Ruhr-Kreises ein paar hundert Meter weiter am Fuße des höchsten Baus der Stadt Breckerfeld vornimmt. „Jetzt“, sagt er, „ist alles gut. Eine gewisse Erleichterung herrscht vor. Wir stehen hier, und wir hören, dass wir nichts hören.“
Er blickt am Turm nach oben und schickt mit Blick auf die Kritiker, die es in der Planungs- und Bauphase durchaus gegeben hat, nach: „Der Turm ist schlank. Ich kann nicht erkennen, dass von unserem Windrad eine optisch bedrängende Wirkung ausgehen soll.“
Nachbarn protestierten
Ein Gerichtsverfahren, das Nachbarn gegen das Projekt angestrebt hatten, war aus AVU-Sicht aber noch die kleinste Baustelle neben der Baustelle. Die Irrungen und Wirrungen rund um eine seismografische Messstation in der weit entfernten Mauer der Ennepetalsperre waren eine weitere. Darüber hinaus spielten sich ändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen eine Rolle. Die wiederum machten Neuplanungen erforderlich, die verbunden waren mit einem Wechsel des Anlagentyps. Dafür waren neue Gutachten und Genehmigungen erforderlich.
All das führte zu einem schier endlosen Prozess, der im Grunde mit einem Vertrag zwischen der AVU und der Stadt Breckerfeld im Sommer 2012 seinen Anfang nahm. „Eines will ich betonen - kein Vorwurf an die Kommune und an den Kreis“, sagt Coß, „sie haben die immer neuen Verzögerungen nicht zu verantworten.“
Die haben Coß und die AVU in einem 51-seitigen Bildband dokumentiert. „Zwölf Jahre - das ist ein Viertel meines Arbeitslebens“, schreibt Coß darin. Und weiter: „In sachlicher Hinsicht hat sich die Arbeit auf jeden Fall gelohnt. Die Anlage wird ökonomisch und ökologisch Erträge erzielen.“
Strom für 2500 Haushalte
Das tut sie bereits. Denn es dreht sich schon seit ein paar Wochen, dieses Windrad, das inklusive der Flügel 192,40 Meter hoch ist. Und liefert damit den Strom für rund 2500 Haushalte in Breckerfeld. Das entspricht einer jährlichen Produktion, die bei acht Millionen Kilowattstunden liegt. Damit einher geht eine CO₂-Einsparung in Höhe von 2900 Tonnen pro Jahr.
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So ganz erledigt hat sie sich auch mit der offiziellen Übergabe noch nicht, die Baustelle im Bereich Landwehr an der Landstraße 528 hinaus in Richtung Halver. Denn die Übergabestation ist noch ein Provisorium. Die neue und endgültige soll Anfang August geliefert werden. Dazu kommen noch die Rückbauarbeiten der eingeebneten und geschotterten Flächen rund um das Windrad und der breiten Zuwegung. Und letztlich die Wiederaufforstungsmaßnahmen.
Weitere Anlagen könnten folgen
Für Coß wiederum muss das Breckerfelder Windrad nicht das letzte sein, das er auf den Weg gebracht hat. Er und sein Unternehmen haben zuletzt mit Spannung die Diskussionen um - Vorsicht, Wort-Monstrum - das „Windenergieflächenbedarfsgesetz“ verfolgt. „Wir wissen ja, dass der Regionalverband weiterhin nach Flächen sucht und prüft, wo noch etwas geht“, sagt Coß. Wenn sich eine im Ennepe-Ruhr-Kreis finden ließe, stünde der Energieversorger bereit: „Vor der eigenen Haustür, im eigenen Netzgebiet, sind solche Projekte besonders attraktiv.“
Im Süden von Breckerfeld dreht sich das AVU-Windrad derweil weiter. Ein Windrad übrigens, das insbesondere bei Westwind beste Erträge erzielen dürfte. In dieser Himmelsrichtung nämlich befindet sich die nächste Erhebung, die an diebei 592,40 Metern über dem Meeresspiegel heranreicht, und den Wind bremsen könnte, jenseits des Atlantischen Ozeans. Auf demselben Breitengrad erreicht man in Richtung Westen nach 4687 Kilometern eine Erhebung in der Region Québec.