Breckerfeld. Ein Kran montiert Rotorhaus und Flügel. Damit kann das Windrad an der Landwehr in Breckerfeld bald in Betrieb gehen. Der Weg war ein steiniger.
Wenn man die Frage nach einer feierlichen Eröffnung stellt, dann merkt man all den Ballast, der sich auf den Schultern von Thorsten Coß gesammelt hat. Der Geschäftsführer von AVU Serviceplus, einer Tochter des Energieversorgers im Ennepe-Ruhr-Kreis ist ein Freund deutlicher Worte. Und deshalb antwortet er: „Irgendwas werden wir machen. Aber am Ende überwiegt eine erschöpfungsbedingte Erleichterung die Freude. Es hat unglaublich viel Kraft gekostet, ein einziges Windrad zu bauen.“
Zwölf Jahre arbeitet Coß für die AVU. Und zwölf Jahre beschäftigt er sich mit diesem Projekt in Breckerfeld, mit dem einzigen Windrad, das der Versorger baut und betreibt. Mit einem Windrad, auf dessen Turmspitze jetzt von einem mächtigen Kran das Maschinenhaus aufgesetzt wurde und direkt im Anschluss die riesigen Flügel aufgesetzt werden.
Anlage soll sich spätestens Anfang März drehen
Diese aufwendigen Bauarbeiten auf dem Areal an der Landwehr zwischen der Glörtalsperre und der Landstraße 528 in Richtung Halver haben eine gewisse Symbolkraft. Sie sind Signal dafür, dass es im Vergleich zu all dem, was bisher geschah, nur noch ein winziger Augenblick ist, bis sich die Anlage dreht und Strom produziert. „Ende Februar, Anfang März soll das der Fall sein“, sagt Erik Schulte, Projektleiter bei der AVU.
Für Coß ist das durchaus Anlass, noch einmal auf einen bürokratischen Moloch zu blicken, der aus seiner Sicht jeglicher Beschreibung spottet. Wobei er betont: „Kein Vorwurf an den Kreis, kein Vorwurf an die Stadt Breckerfeld, die in all den Jahren immer kooperativ waren. Das Problem sind Bundes- und Landesgesetze und daraus resultierende Regelungen.“
Schwertransporte auf langen Umwegen
Und wenn Coß dann zu erzählen beginnt, dann klingt das, was er zu erzählen hat, nach Unglaublichkeiten aus einem wundersamen Absurdistan. Es geht um Genehmigungsprozesse, um Gutachten und am Ende noch um Wege, die Schwertransporte in einem Bundesland nehmen können, in dem tragfähige Brücken und Straßen so häufig vorkommen, wie ein Monsunregen in der Sahara.
Und wenn es noch eines letzten Beweises für all die Merkwürdigkeiten braucht, berichtet Coß von der Sache mit der Erdbebenmessstation, die sich in gut vier Kilometer Entfernung in der Mauer der Ennepetalsperre befindet. „Eigentlich wollten wir ja schon vor fünf Jahren fertig sein. Alles war genehmigt“, sagt Coß, „dann aber ist dem Land eingefallen, dass wir wegen der Messstation noch ein seismologisches Gutachten brauchen. Es hat sich aber niemand gefunden, der ein solches erstellen kann. Daher hat am Ende das Land beschlossen, die Untersuchungen selbst durchzuführen, um dann wiederum festzustellen, dass das Gutachten nichts taugt. Schließlich hat man beschlossen, dass die Messstationen, die es im Ruhrgebiet gibt, ohnehin ausreichend seien und dass ein Radius von zwei Kilometern um Windräder ausreiche. In der Zwischenzeit war aber so viel Zeit für nichts vergangen, dass wir einen Teil unserer Genehmigungen erneut beantragen mussten. Das Modell, das wir ursprünglich bauen wollten, gab es nicht mehr.“
Vier Jahre Produktion verloren
Mindestens vier Jahre Stromproduktion, so Coß, habe man auf diese Art verloren. Zeit, in der sich das Windrad hätte drehen können und der Versorger sowie die beteiligten Kommunen - Breckerfeld kann mit rund 20.000 Euro pro Jahr rechnen - Erträge hätten einstreichen können. „Das alles hat nur Zeit und Geld gekostet und nichts gebracht“, sagt Coß.
Zuletzt hatte es Probleme mit den Schwertransporten der Komponenten gegeben, die aus Richtung Nord-Osten angeliefert wurden. „Optimal wäre gewesen, in Hagen Nord die Autobahn zu verlassen“, so Coß. Allerdings stellte sich heraus, dass es von dort aus keine Strecke gibt, die imstande ist, die Transporte auch zu tragen. Schließlich haben die Transporter in Wuppertal Nord die Autobahn verlassen und sind über Umwege nach Breckerfeld gebracht worden. „Wer weiß, dass so ein Transport hunderttausende Euro kostet, kann sich vorstellen, dass das noch einmal für erhebliche Mehrkosten gesorgt hat.“
2900 Tonnen weniger CO₂ pro Jahr
Vergessen ist all das nicht. Aber trotzdem bleiben auch positive Botschaften: Das Windrad „Nordex N117/3600“ steht in wenigen Stunden komplett mit Flügeln, im Anschluss sind noch Elektroarbeiten im Inneren durchzuführen, und die Anlage muss mit dem Netz verbunden werden. Fortan aber soll sie so viel Strom produzieren, dass rund 2500 Haushalte damit versorgt werden können. 2900 Tonnen CO₂-Ausstoß - so die AVU - würden künftig vermieden. „Wenn die beiden Anlagen am Rafflenbeuler Kopf, die auch in das Breckerfelder Netz einspeisen, dann noch in Betrieb gehen, ist die Hansestadt in Sachen Grünstrom ganz vorne dabei. Der Strom, der aus Breckerfelder Dosen kommt, ist unter Garantie Grünstrom - wenn sich die Räder drehen.“
Dass das nicht rund um die Uhr der Fall ist, liegt ebenso an Vorgaben, am Tierschutz und an moderner Technik. „Es ist ein Algorithmus hinterlegt, der das Windrad beispielsweise bei einer bestimmten Witterung abschaltet, damit die Belästigung durch Schattenwurf nicht zu groß wird“, erklärt Erik Schulte. „An der Spitze des Turms betreiben wir ein Fledermaus-Monitoring, um herauszufinden, wann die Tiere unterwegs sind.“
Ersatz für 200 Bäume
Auch Ersatzpflanzungen für 200 gefällte Bäume (ungefähr die dreifache Menge) hat die AVU längst vorgenommen. „Dabei“, sagt Schulte, „mussten am Ende nur noch 20 weichen. Den Rest hatte der Borkenkäfer erledigt, bevor wir mit den Bauarbeiten begonnen hatten.“
Die Enden übrigens mit dem Rückbau der neun Meter breiten Trasse. Künftig wird das Windrad dann über einen normalen Waldweg erschlossen.