Hagen. 2018 trat Olaf Giesen an die Spitze des Großhandelsunternehmens Europart aus Hagen. Mit ihm vollzog sich ein tiefgreifender Kulturwandel.

Wenn die Firma Europart neue Mitarbeiter besucht, dann bewirbt sie sich bei den potenziellen Kandidaten. „Dann gehen wir auf die Menschen, die vielleicht bei uns arbeiten wollen, zu und stellen uns vor“, berichtet Personalchef Sven Hülbrock (52). Und mit dieser Strategie hat das Unternehmen Erfolg. 66 Azubis beschäftigt Europart an seinen 33 Standorten in Deutschland, 20 lernen allein am Hauptsitz in Hagen, was es heißt, Ersatzteile und Zubehör für Nutzfahrzeuge zu verkaufen. „Wir wollen zeigen, dass es auch in Zeiten des Fachkräftemangels möglich ist, Mitarbeiter zu rekrutieren“, so Hülbrock.

Europart, das darf man wohl sagen, ist in der Zukunft angekommen. Mit der einstigen Federnzentrale Wachenfeld, unter welchen Namen die Firma 1948 gegründet wurde, hat der Großhändler aus Haspe nicht mehr viel gemein. Das Unternehmen agiert international, hat über 300 Verkaufshäuser in 28 Ländern sowie zahlreiche Kooperationspartner. Seit 2014 gibt es ein Büro in Shanghai.

Im Besitz von private-equity-Gesellschaften

Der Mann an der Spitze heißt seit sechs Jahren Olaf Giesen (56), und mit ihm vollzog sich ein tiefgreifender Kulturwandel. Obwohl sich Europart seit 13 Jahren im Besitz privater Kapitalbeteiligungsgesellschaften befindet, setzt der Manager voll auf die Corporate-Identity-Karte: „Europart ist immer ein Familienbetrieb gewesen. Ich muss dafür sorgen, dass meine Mitarbeiter gerne zur Arbeit kommen, dass sie Spaß haben. Das ist das Wichtigste.“

Das einstige Warenlager in Haspe wurde stilvoll in einen offenen Bereich für Mitarbeiter verwandelt. Weil in Hagen kein Platz mehr war, musste das neue Warenlager in Werl gebaut werden.
Das einstige Warenlager in Haspe wurde stilvoll in einen offenen Bereich für Mitarbeiter verwandelt. Weil in Hagen kein Platz mehr war, musste das neue Warenlager in Werl gebaut werden. © Alex Talash | Alex Talash

Die Hierarchien erscheinen flach, vom Boss bis zum Lehrling tragen alle Beschäftigten Europart-T-Shirts, Europart-Socken und gegebenfalls Europart-Schuhe. Über das Gehalt hinaus angebotene Zusatzleistungen wie Firmenfitness oder Gesundheitsförderung sind an der Martinstraße eine Selbstverständlichkeit, Giesen betont bei jeder Gelegenheit das Zusammengehörigkeitsgefühl, das die Belegschaft verinnerlichen müsse: „Bevor ein Kunde Fan von Europart wird, müssen erst die Mitarbeiter Fan von Europart sein.“ Und das bedeute, eine Kupplung nötigenfalls auch samstagsabends in eine Werkstatt zu bringen - immer mit einem Lächeln im Gesicht.

Leistung fordern, Vertrauen schenken

Hört man dem CEO länger zu, könnte man meinen, für Europart tätig zu sein sei allein schon sinnstiftend. Giesen ist ein durch und durch extrovertierter Typ, der sich gern vorstellt mit der Beschreibung: „Vier Kinder, zwei Hunde, bekennender Borussia-Fan, spiele selbst Tennis und Fußball.“ Mit der Idee, Anzug und Krawatte abzulegen und die Europart-Welt im Europart-Dress zu leiten, hat er nie gehadert; im Gegenteil: „Ich laufe jeden Tag in diesem T-Shirt herum. Mein Leben ist Europart, und dazu stehe ich.“

Die Europart-Kantine an der Martinstraße in Hagen-Haspe.
Die Europart-Kantine an der Martinstraße in Hagen-Haspe. © Alex Talash | Alex Talash

Das ist keine Effekthascherei. Giesen ist es offenbar gelungen, die Belegschaft - nach anfänglichen Widerständen - mitzunehmen in die schöne, neue Europart-Welt. Er fordert Leistung, schenkt aber auch Vorbehaltlosigkeit. Dem Trend „Zurück-ins-Büro“ nach Überwindung der Corona-Krise hat er sich nicht angeschlossen, viele Mitarbeiter dürfen nach wie vor im Homeoffice arbeiten: „Ein Drittel von ihnen arbeitet zu Hause sogar besser. Ein Drittel ist besser in der Firma aufgehoben, das dritte Drittel ist hier wie dort gut untergebracht. Wichtig ist, dass man Regeln aufstellt, und das ist am Ende eine Führungdaufgabe. Aber wenn ich Vertrauen schenke, dann kriege ich das auch zurückgezahlt.“ Die Strategie, am Homeoffice festzuhalten, habe das Unternehmen mehrere Führungs- und Fachkräfte gewinnen lassen.

Über halbe Milliarde Umsatz

Die Zahlen sprechen für sich. Europart macht inzwischen weit über eine halbe Milliarde Umsatz pro Jahr, hat 400.000 Produkte im Programm. Kunden sind neben Werkstätten und Speditionen auch Kommunen, Industrie und Handwerk. Das riesige Warenlager in Werl ist das Herzstück des Unternehmens, die Zentrale in Haspe das Hirn. Hier arbeiten 250 Menschen, darunter 20 Azubis, was die Agentur für Arbeit Hagen dazu bewegte, Europart mit dem Ausbildungszertifikat 2024 auszuzeichnen.

Europart bildet zahlreiche Lehrlinge aus. Dafür wurde das Unternehmen mit dem Ausbildungszertifikat der Arbeitsagentur Hagen ausgezeichnet.
Europart bildet zahlreiche Lehrlinge aus. Dafür wurde das Unternehmen mit dem Ausbildungszertifikat der Arbeitsagentur Hagen ausgezeichnet. © Alex Talash | Alex Talash

Europart bekenne sich in vorbildlicher Weise zur Ausbildung junger Menschen, lobte Agenturchefin Katja Heck^, was Firmenchef Giesen mit dem ihm eigenen Selbstbewusstsein beantwortete: „Wir sind ein dynamisch wachsender Großhändler mit hervorragenden Karrierechancen in einem kollegialen und hochmotivierten Arbeitsumfeld.“

Wie gesagt, wenn Europart neue Mitarbeiter gewinnen will, dann bewirbt sich die Firma bei den potenziellen Kandidaten.