Hagen. Wenn ab 2025 die neue Grundsteuer greift, wird Wohnen noch teurer. Durch eine vom Land geöffnete Spar-Hintertür will Hagen nicht gehen.
Die ab dem Jahr 2025 greifende Reform der Grundsteuern birgt immer mehr Sprengstoff in sich: Zum einen müssen sämtliche Hauseigentümer und Mieter sich darauf einstellen, deutlicher zur Kasse gebeten zu werden, weil das Wohnen noch teurer wird. Zum anderen wächst der Widerstand in den Kommunen, durch individuelle Hebesatz-Anpassungen sich hier auf ein juristisches Terrain zu begeben, auf dem man eigentlich nur scheitern kann. Vor diesem Hintergrund hat der scheidende Hagener Kämmerer jetzt auch vor dem Rat angekündigt, dass er den von der NRW-Landesregierung jüngst vorgelegten Gesetzentwurf zu dem Thema für nicht umsetzbar halte. Dabei handele es sich nicht etwa um eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, wie das Finanzministerium die Regelung den Städten schmackhaft machen wolle, sondern eher um ein vergiftetes Angebot voller Unwägbarkeiten, auf das Hagen nicht eingehen werde.
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Absehbar wird die anstehende Grundsteuerreform das Wohnen für viele Menschen verteuern. Laut Städte- und Gemeindebund gibt es Konstellationen, in denen zwar Lager- oder Fabrikhallen um 50 Prozent entlastet werden, während Ein- oder Zweifamilienhäuser 20 Prozent mehr zahlen müssen. Viele Hausbesitzer befürchten schockierende Steuerbescheide, und auch Mieter müssen damit rechnen, dass sich das auf den Nebenkostenabrechnungen widerspiegelt.
Widerstand bei den Städten
Vor diesem Hintergrund hat die schwarz-grüne NRW-Landesregierung jetzt einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, nach dem die Kämmereien künftig für Wohn- und andere Grundstücke jeweils unterschiedliche Hebesätze anwenden können. Ein Vorstoß, der beim Städte- und Gemeindebund NRW auf ähnliches Unverständnis wie beim Hagener Kämmerer stößt. „Nachdem das Land trotz frühzeitiger Hinweise der kommunalen Spitzenverbände das Zeitfenster für eine vernünftige landesweite Regelung verpasst hat, soll der Schwarze Peter jetzt bei den Kommunen abgeladen werden“, erklärte zuletzt dessen Präsident Christoph Landscheidt.
„Wir teilen zwar das Anliegen, das Wohnen steuerlich zu entlasten“, so Landscheidt. Allerdings ziehe der nun eingeschlagene Weg einer Hebesatzdifferenzierung auf kommunaler Ebene mehrere schwerwiegende Folgeprobleme nach sich. Vor allem sei die technische Umsetzung kaum zu schaffen, da Neuprogrammierungen der Haushaltssoftware erforderlich seien. In Hagen, so skizzierte Finanzdezernent Christoph Gerbersmann zuletzt die Situation, sei die aktuell vorhandene Software noch nicht einmal in der Lage, die künftigen Grundsteuerdaten überhaupt einzulesen.
Noch schwerer wiege jedoch der Umstand, so der Städte und Gemeindebund, dass eine Differenzierung auf der Ebene der Hebesätze auch verfassungsrechtlich fragwürdig sei. Es gebe sehr ernstzunehmende Bedenken, ob Kommunen das Recht eingeräumt werden dürfe, über Hebesatzentscheidungen nachträglich die Neubewertung des Grundvermögens zu verändern, die das Bundesverfassungsgericht vom Gesetzgeber eingefordert hat. „Die Regierungsfraktionen schaffen hier ohne zwingende Gründe ein Einfallstor für Rechtsstreitigkeiten auf dem Buckel der Kommunen“, so Landscheidt. „Eigentlich müssten wir unseren Mitgliedern empfehlen, von der Option keinen Gebrauch zu machen.“
Und genau so will der Hagener Kämmerer es auch halten: „Zunächst einmal kann ich auf Grundlage des Gesetzentwurfes nicht feststellen, dass es überhaupt zu einer Verbesserung der Situation der Mieter führt. Außerdem bin ich nicht bereit, mit einer eigenen Lösung etwa 50 Millionen Euro an Gewerbesteuern zu riskieren“, hält Gerbersmann das Gesetz auf kommunaler Ebene keinesfalls für rechtssicher umsetzbar: „Keine Gemeinde wird hier eine verfassungskonforme Regelung finden.“ Mit einem lokalen, differenzierten Hebesatzrecht würde sich eine weite Flanke für neue Widerspruchs- und Gerichtsverfahren auftun, so seine große Sorge.
Wettbewerb verschärft sich
Der Bund hatte aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts eine Neuregelung der Grundsteuer beschlossen, die ab 2025 in den Kommunen greift. In vielen großen Städten zeichnet sich bereits eine Schieflage infolge des Modells ab, das grundsätzlich in elf Bundesländern Anwendung findet: Während Gewerbetreibende dann vielerorts Steuern sparen könnten, müssten Wohnungs- und Hauseigentümer draufzahlen. Damit einher geht die Gefahr, dass sich der Standort-Wettbewerb zwischen den Kommunen weiter verschärft und vor Ort regelmäßig Konflikte zwischen Gewerbetreibenden und privaten Eigentümern provoziert werden. Denn auch die Wirtschaft hat bereits ihre Bedenken formuliert, dass vorzugsweise Besitzer von Mischimmobilien in Innenstadtlagen deutlich mehr belastet würden. Das würde wiederum zusätzliche Leerstände in den Städten provozieren.
Die Grundsteuer ist eine der wichtigen Einnahmequellen der Kommunen, mit der sie unter anderem etwa Schulen und Kindergärten oder auch Straßen und Spielplätze finanzieren. Die absehbare Schieflage zwischen Wohn- und Gewerbegrundstücken vor allem in größeren Städten kommt dadurch zustande, dass Gewerbegrundstücke seit 1960 oft deutlich weniger im Wert gestiegen sind als Wohngrundstücke. Dort, wo es einen hohen Wertzuwachs bei Wohngrundstücken gab, ist nun eine überproportionale Grundsteuerbelastung zu erwarten. Im Laufe des Jahres werden Immobilienbesitzer erfahren, welche Grundsteuerbeträge sie ab 1. Januar 2025 bezahlen müssen.