Hagen. In Hagen wird das Bauen für Familien nahezu unmöglich. Selbst gekaufte Grundstücke werden zurückgegeben.
Am Wasserturm auf Haßley sind die letzten Kräne noch nicht abgebaut. Aber die Nachfrage nach Baugrundstücken in Hagen ist fast vollständig zum Erliegen gekommen. Das ist eines der Ergebnisse des Grundstücksmarktberichtes 2023 für die Stadt Hagen, den der Gutachterausschuss in den letzten Monaten erarbeitet und nun vorgelegt hat.
„Das geht soweit“, sagt Dirk Weißgerber, Vermessungsingenieur und Geschäftsführer des Gutachterausschusses, „dass in den Baugebieten Auf der Gehre und Im Langen Lohe Interessenten ihre reservierten Grundstücke wieder freigegeben haben und teilweise sogar bereits erworbene Grundstücke wieder zurückgegeben wurden.“ Auch der Neubau von Doppelhaushälften sei nahezu komplett zum Erliegen gekommen. Während da zuletzt Preise von bis zu 350.000 Euro aufgerufen wurden, ließen sich 400.000 Euro und mehr am Markt eben nicht mehr realisieren.
Trend hält seit Sommer an
Ein Trend, der sich seit Sommer 2022 abzeichnet und seither nahezu ungebrochen anhält: „Der Hintergrund ist die Zinswende in Kombination mit den steigenden Kosten im Bausektor“, sagt Weißgerber, „mit den eigentlichen Preisen für die Grundstücke hat das nichts zu tun.“ Wenn aber Finanzierungen nicht mehr aufgehen, dann platzen die Träume junger Familien wie Seifenblasen.
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Dabei wird es zunehmend auch politisch gewollt, dass – auch aus ökologischen Gründen – weniger Einfamilienhäuser gebaut werden. Das Problem nur: Auch von dem stattdessen geforderten Geschosswohnungsbau in großem Stil ist in Hagen (wie auch in zahlreichen anderen Kommunen in Bund und Land) nichts zu sehen.
„Der Neubau von Eigentumswohnungen in Hagen ist komplett zum Erliegen gekommen“, sagt Weißgerber mit Blick auf die Zahlen aus dem Jahr 2022. Auch hier gilt: „Baukosten und Zinsen sind so hoch, dass sich Projekte wirtschaftlich nicht mehr rechnen können.“ Zuletzt seien schon Preise in Höhe von 3500 Euro pro Quadratmeter aufgerufen worden. Das reiche nun offenbar nicht mehr aus.
Mieten lassen sich nicht realisieren
Hinzu kommt: „Auch Mieten, die man angesichts der Kosten und des Zinsniveaus für eine Neubauwohnung eigentlich nehmen müsste, lassen sich in Hagen nicht realisieren“, sagt Dirk Weißgerber, der von Baukostensteigerungen in Höhe von 30 Prozent in den letzten beiden Jahren berichtet.
All das führt letztlich dazu, dass die Anzahl der Kaufverträge insgesamt (also auch für gebraucht Immobilien sowie Garten- und Forstflächen) drastisch zurückgegangen ist. 1427 waren es noch 2021. 1230 im Jahr darauf. Gestiegen ist indes der Geldumsatz: Er erreichte mit 397,6 Millionen ein Rekordniveau – was dafür spricht, dass für die Verkäufe, die getätigt wurden, entsprechend hohe Preise gezahlt wurden.
146 unbebaute Grundstücke verkauft
Unbebaut Grundstücke wurden in Hagen 2022 146 verkauft (2021: 188). Dabei hat die Nachfrage seit Juli extrem nachgelassen. 513 bebaute Grundstücke (575) haben den Besitzer gewechselt. 408 Wohnungen wurden verkauft (564) – darunter kaum noch in Neubauten. Lediglich eine Neubauwohnung wurde verkauft. Auch im Jahr zuvor waren es nur zwei Wohnungen.
„Inwieweit sich der Rückgang der abgeschlossenen Kaufverträge jetzt auf die Preise auswirken wird, können wir nicht sicher sagen“, so Peter Weißgerber, „wir erwarten aber langfristig ein niedrigeres Niveau als zuletzt.“
Bodenrichtwert zwischen 220 und 380 Quadratmeter
Die Bodenrichtwerte in Hagen liegen in Neubaugebieten (auch abhängig von der Lage) zwischen 220 und 380 Euro je Quadratmeter. Gehrstraße und Lohestraße befinden sich wie Letmather Straße/Steltenberg bereits in der Vermarktung, gleiches gilt für Flächen an der Dickenbruchstraße in Haspe. An der Kuhlen Hardt (Kuhlerkamp) startet demnächst ebenso wie an der Buschstraße/Pappelstraße sowie auf dem ehemaligen Sportplatz Quambusch das Bebauungsplanverfahren.
Für Reihenmittelhäuser (28 Verkäufe) wurden 2022 im Schnitt 287.000 Euro gezahlt, für Reihenendhäuser 302.000 Euro. Doppelhaushälften lagen durchschnittlich bei 332.000 Euro, frei stehende Einfamilienhäuser bei 411.000 Euro. Die Preise wiederum sind stark von Alter und Zustand der Gebäude abhängig. So sind für Häuser, die vor 79 Jahren oder davor gebaut wurden, mit einer Fläche von 100 bis 114 Quadratmeter in Hagen 239.000 fällig, bei gleicher Größe steigt der Preis auf 343.000 Euro, wenn es sich um Häuser handelt, die zwischen 4 und 14 Jahren alt sind.
Erst 78 Wohnungen in den ersten drei Monaten verkauft
Schon jetzt zeichnet sich ab: Im ersten Quartal 2023 setzt sich der Trend fort. Bei bebauten Grundstücken ist die Zahl der Kaufverträge im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum des Vorjahrs von 101 auf 92 zurückgegangen. Auch der Umsatz ist gesunken: von 54,8 Millionen auf 37,8 Millionen Euro. Ähnlich die Entwicklung bei Eigentumswohnungen: 131 Kaufverträgen im ersten Quartal 2022 stehen nur 78 in den ersten drei Monaten dieses Jahres gegenüber. Umsatzrückgang: von 18,2 Millionen Euro auf 10 Millionen Euro.
Der komplette Grundstücksmarktbericht für Hagen ist abrufbar im Internet unter www.boris.nrw.de