Hagen. Hohe Zinsen, steigende Kosten auf dem Bausektor – in Hagen werden nur noch wenige Häuser und Wohnungen verkauft. Das raten die Banken.

Es ist eine Zeit, in der Träume schneller zerplatzen können als jede Seifenblase. Das ist besonders bitter, weil es oft die Träume von jungen Familien und ihren Kindern sind. Es sind die Träume von Menschen, die sich ein Zuhause für Jahrzehnte erschaffen wollen. Von Menschen, die Energie in diesen Traum gesteckt haben, die geplant haben und nun quasi von einem Moment auf den anderen feststellen müssen, dass ihr Traum nicht Wirklichkeit werden kann.

Diejenigen, die in Hagen (jungen) Menschen zu ihrem Traum verhelfen – und damit zuletzt auch gutes Geld verdient haben – finden unterschiedliche Worte, für das, was sich gerade auf dem Hagener Immobilienmark ereignet: „Der Markt sackt durch“, sagt da der Immobilienmakler Lars Strodmeyer. Von einer „Vollbremsung“ spricht Michael Ander, Leiter des Immobilienzentrums bei der Sparkasse mit Blick auf Finanzierungen. „Das ist, als habe jemand die Stopptaste gedrückt.“ Und Artur Merz, Vorstandssprecher der Märkischen Bank sagt: „Eigentlich erleben wir nun wieder normalere Zeiten, die die Menschen nicht mehr gewohnt sind.“

Kostensteigerung und Wirtschaftskrise

Dennoch bleibt diese Botschaft: Einen Anstieg der Zinsen innerhalb so kurzer Zeit hat es noch nicht gegeben. Und wenn dann noch die steigenden Kosten auf dem Bausektor sowie die allgemeine Wirtschaftskrise mit all ihren Auswirkungen hinzu kommen, schlägt das voll durch – längst nicht nur, aber eben auch auf den Hagener Markt.

Bei der Sparkasse Hagen bleiben Immobilien länger im Bestand.
Bei der Sparkasse Hagen bleiben Immobilien länger im Bestand. © WP | Michael Kleinrensing

Von einem Verkäufermarkt bis zum Sommer 2022 spricht Michael Ander. „Dann aber“, sagt er, „hat sich dieser Markt in einer Geschwindigkeit gedreht, wie ich sie bisher noch nicht erlebt habe.“

Finanzierungen nicht zu halten

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Die Folge der Zinssteigerungen: Finanzierungen, die vor Monaten noch als sicher galten, sind jetzt nicht mehr zu halten. „Das ist aus Käufersicht frustrierend“, sagt Ander, „wir erleben immer wieder, dass Menschen nach langer Suche nun endlich ihre Traumimmobilie gefunden haben und dann feststellen müssen, dass sie einen Kauf nicht mehr finanzieren können.

Seit Oktober sei die Anzahl der Beratungsgespräche drastisch zurückgegangen. „Als hätte jemand die Stopp-Taste gedrückt. Man merkt ein Ungleichgewicht zwischen Zinsen, Immobilienpreisen und Einkommen.“

Immobilien bleiben länger in Bestand

Dabei blickt Ander zumindest was das Zinsniveau angeht auf eine jüngere Vergangenheit, die sich sogar noch in eine andere Richtung vom derzeitigen Niveau unterscheidet. „2004 haben Käufer noch für 4,99 Prozent abgeschlossen. Jetzt liegen wir je nach Eigenkapitalquote zwischen 3,5 und 4,5 Prozent“, relativiert er die Entwicklung der letzten Monate. „Die Unterschiede bei einer längeren Zinsbindung sind minimal. Das kann ein Zeichen dafür sein, dass wir uns einem Peek nähern und eine Zinssenkung vorbereitet wird.“

Michael Ander, Leiter des Immobilienzentrums der Sparkasse Hagen-Herdecke.
Michael Ander, Leiter des Immobilienzentrums der Sparkasse Hagen-Herdecke. © Sparkasse | Sparkasse

Auch das Immobilienangebot bei der Sparkasse hat sich verändert. „Die Wand, auf der wir die Exposés aushängen, wird voller – die Objekte bleiben länger im Bestand. Wir haben wieder mehr Besichtigungstermine. Die Kunden legen einen größeren Wert auf den energetischen Zustand.“ Aber: Was man nun erlebe, sei eigentlich der Normalzustand.

Nicht mehr dieselben Preise wie im Sommer

Letztlich führe das dazu, dass sowohl auf Käufer- als auch Verkäuferseite ein Umdenken stattfinden müsste. „Interessenten sollten sich vorher genau überlegen, was man sich leisten kann und ob es wirklich das freistehende Haus sein muss oder nicht eine Doppelhaushälfte eine gute Alternative sein kann. Die Anbieter wiederum werden sich damit abfinden müssen, dass sich Preise wie noch im Sommer 22 nun nicht mehr erzielen lassen.“

Trotz eines Marktes im Wandel sagt Ander aber auch: „Wer jetzt eine Immobilie für die eigene Nutzung kauft, macht grundsätzlich nichts falsch. Natürlich ist Abwarten immer eine Alternative. Aber es kann natürlich sein, dass die Traum-Immobilie dann plötzlich vom Markt ist.“ Anders sei der Markt derzeit für Investoren: „Wir beobachten kaum noch Bautätigkeit. Letztlich geht es um Rendite. Es wird genau kalkuliert. Aber Mieten von 15 bis 17 Euro lassen sich in Hagen nicht realisieren.“

Eigenkapital wird wieder wichtiger

Ähnlich blicken Artur Merz, Vorstand der Märkischen Bank, und Thomas Meister, Bereichsleiter Bauen und Wohnen, auf den Hagener Markt. „Hohe Zinsen und hohe Kaufpreise führen dazu, dass einige Träume zerplatzen – aber im Grunde erleben wir gerade wieder normale Zeiten. Die Kunden werden sich daran gewöhnen müssen. Aber früher sind ja auch Häuser verkauft worden“, sagt Merz.

Auch bei der Märkischen Bank an der Bahnhofstraße/Neumarktstraße nimmt die Beratung wieder mehr Raum ein.
Auch bei der Märkischen Bank an der Bahnhofstraße/Neumarktstraße nimmt die Beratung wieder mehr Raum ein. © Archiv | Michael Kleinrensing

Und Thomas Meister ergänzt: „Unter solchen Umständen spielt das Eigenkapital wieder eine größere Rolle. Die Kunden wissen, dass sich ohne eigenes Geld häufig Wünsche nicht erfüllen lassen. Ein Immobilienkauf ist oft eine Bauchentscheidung. Dabei wird es nun wichtiger, jemanden einzuschalten, der sehr objektiv auf eine Anschaffung blickt.“ Früher seien zum Teil Häuser aufgrund der niedrigen Zinsen gekauft worden, die Käufer sich eigentlich gar nicht leisten konnten. Wenn nun die Zinsbindung auslaufe, könne das zu Problemen führen.

Nachfrage nach Modernisierung steigt

Immerhin: Wenngleich auch bei der Märkischen Bank die Immobilienkäufe zurückgegangen sind, so steigt die Nachfrage nach Krediten für Modernisierung und Sanierung. „Fassade, Dach, Fenster, Solar, Wärmepumpe – das sind Bereiche, in denen sich Investitionen rechnen“, sagt Thomas Meister. Man warte gerade auf neue Förderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).

Artur Merz, Vorstandssprecher der Märkischen Bank. 
Artur Merz, Vorstandssprecher der Märkischen Bank.  © WP | Michael Kleinrensing

Und: „Das Bausparen rückt wieder mehr in den Fokus“, zeigt Thomas Meister eine Alternative zur klassischen Finanzierung auf, die zuletzt aus der Mode geraten war. Gleichzeitig sehe man, dass auch die Immobilienpreise wieder fallen. Wenngleich auch nicht auf das Niveau von vor einigen Jahren.

Problem bei hohen Mieten

Höhere Zinsen führten dazu, dass es lukrativer werde, Geld auf dem Kapitalmarkt anzulegen. „Investoren werden sich schon fragen, welche Rendite sich überhaupt noch mit Mehrfamilienhäusern erzielen lässt“, sagt Thomas Meister, „man muss genau überlegen, wer im Stande ist, hohe Mieten in einem Neubau zu zahlen.“