Hagen. Im Übergangswohnheim am Loxbaum in Hagen leben 163 Menschen, davon über 80 Kinder. Die 36 Wohnungen sind allesamt belegt. In einer lebt Medina mit ihren Kindern. Sie flüchteten auf Tschetschenien und wollen in Hagen eine neue Heimat finden.

„Hier hat schon die ganze Welt gewohnt.“ Der Satz klingt ­poetisch. Doch das, was wir sehen, hat mit Poesie so gar nichts zu tun. Vielmehr mit Realität. Mit bitterer Realität. Und mit Notwendigkeit.

Dass das Übergangswohnheim am Loxbaum notwendig ist, belegen Zahlen auf nüchterne Art: „Zurzeit leben hier 163 Menschen, davon über 80 Kinder. Die 36 Wohnungen sind allesamt belegt. Wir sind randvoll.“ Und er – Frank Löwen – muss es wissen. Der ruhige Mann mit den wachen Augen ist seit Jahren Hausmeister im Flüchtlingsheim am Loxbaum.

„Ich bin seit 26 Jahren im Bereich Asyl bei der Stadt Hagen tätig“, rechnet Frank Löwen nach. „Leo“, wie der Mann von den Menschen, die hier für ein paar Tage, Wochen, Monate oder auch Jahre unterkommen, genannt wird, begleitet uns ins erste Stockwerk eines Gebäudes. „In diesem Haus besteht eine intakte Hausgemeinschaft. Das ist nicht im gesamten Block so.“

14-Jähriger ist von der Hüfte abwärts gelähmt

Die Wohnung von Medina und ihren Kindern ist gut geheizt. Eigentlich überhitzt. Doch wir verstehen schnell warum. Auf der Couch liegt ein Junge, Margomed, 14 Jahre alt, von der Hüfte abwärts gelähmt. Er springt nicht herum, tobt nicht mit seinen jüngeren Brüdern, schwitzt nicht.

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Die Wohnung ist klein, sauber, aufgeräumt. Auf 45 Quadratmetern leben hier Medina (39), ihre drei Söhne und zwei alleinstehende Frauen. Vor zwei Jahren kamen Medina, Margomed, Zehlim (12) und Baisangur (6) nach Hagen. „Sie stammen aus Tschetschenien, reisten über Polen ein“, weiß Frank Löwen.

„Tschetschenien ist kein befriedetes Land, dort gibt es stets Konflikte. Medina hat nacheinander ihre beiden Ehemänner verloren. Sie wurden von militanten Gewalttätern erschossen.“ Dass die Familie, die ohne Mann bzw. Vater Zuflucht in Deutschland gefunden hat, traumatisiert ist, verwundert niemanden.

Heike Spielmann, Leiterin der Zuwanderungsberatung der Diakonie, erzürnt: „Und dennoch sollte die Familie nach Polen rücküberführt werden. Doch wir haben uns dagegen gestellt – mit Erfolg.“

In Tschetschenien werden behinderte Menschen versteckt

Medina bittet uns, auf der zwar gebrauchten, doch gepflegten Couch Platz zu nehmen. „Couchgarnitur und Tisch wurden von Bürgern gespendet, die Schrankwand haben wir für einen Euro beim Werkhof gekauft, ebenso für kleines Geld die Waschmaschine“, erläutert Frank Löwen. „Die Familie arbeitet gut mit, bemüht sich, hier Fuß zu fassen. Besonders schön ist es, dass Margomed seit kurzem eine Schule für körperbehinderte Kinder besuchen kann. Seitdem ist der Junge richtig aufgeblüht.

In Tschetschenien werden behinderte Menschen versteckt.“ Der 14-Jährige hat einen Rollstuhl mit Gurten; dadurch kann der Rollstuhl im Schulbus befestigt werden. „Im Bereich Flüchtlingshilfe braucht man für alles Gutachten. Und alles ist langwierig“, spricht Heike Spielmann aus leidiger Erfahrung. Und fährt fort: „Natürlich wäre es praktischer, wenn die Familie im Parterre wohnen würde. Den Rollstuhl immer nach oben zu schleppen, ist mühsam. Doch so einfach ist es mit einem Umzug nicht.“

Sozialarbeiter soll sich um Flüchtlingskinder kümmern

Im Rahmen ihrer Weihnachtsaktion sammelt die WP-Stadtredaktion Hagen ab sofort Spenden, um eine weitere Stelle bei der Diakonie einrichten zu können. Die wenigen Mitarbeiter, die bis dato im Bereich Zuwanderung beschäftigt sind, sowie die ehrenamtlichen Helfer sind heillos überlastet.

Die Stadtredaktion Hagen möchte der Diakonie ermöglichen, eine Sozialarbeiterin oder einen Sozialarbeiter einzustellen. Diese Person – es könnten auch zwei halbe Stellen eingerichtet werden – soll sich speziell um sämtliche Belange der Flüchtlingskinder kümmern.

Die neue Frau oder der neue Mann könnte die Kinder z.B. bei Arztbesuchen begleiten und sich um einen Kitaplatz kümmern.

Wir gehen hinunter in den Keller. Hier befinden sich das Betten- und Matratzenlager, die zentrale Waschküche und die Sammelstelle für Kinderwagen und Fahrräder. „Jeder Flüchtling bekommt eine Grundausstattung. Danach muss sich jeder selbst kümmern“, erklärt Frank Löwen. Die Brüder Zehlim und Baisangur rufen von oben ­herab: „Leo – komm wieder rauf.“ Der Hausmeister lächelt, „ja, ich komm’ schon.“ Von vielen Flüchtlingen kenne er die meist traurige Familiengeschichte. „Aber ich ­sehe, wo Hilfe auf goldenen Boden fällt. Und diese Familie verdient es, in Hagen eine neue Heimat zu finden.“

Wer helfen möchte – wir haben bei der Sparkasse Hagen ein Spendenkonto eingerichtet: IBAN: DE 71 450 500 01 0 100 180 000 ; Empfänger: WP-Weihnachtsaktion ; Verwendungszweck. Flüchtlinge.