Hagen. . Hagen wurde im vergangenen Sommer von einer Zuwanderungswelle überrascht. Zahlreiche EU-Bürger, aber auch Nichteuropäer und Asylanten zogen in die Stadt. Das hat Konsequenzen für die Schulen.

Angela Knappstein (26) ist Grundschullehrerin, sie arbeitet also an der Basis. Als sie ihre Stelle an der Emil-Schumacher-Schule in Wehringhausen antrat, hätte sie sich nicht träumen lassen, dass sie bald vor Kindern stehen würde, die kein Wort Deutsch sprechen. Mittlerweile hat sie sich an diesen Umstand gewöhnt: „Und der Unterricht macht mir Spaß. Ich bin motiviert. Ich sehe ja schnell Erfolge.“

Angela Knappstein unterrichtet eine Auffangklasse. Vor ihr sitzen Kinder aus Zuwandererfamilien, Kinder aus Südeuropa und Osteuropa, aus Afrika und Asien, von denen viele nie eine Schule von innen gesehen haben. Sie sprechen nicht nur nicht Deutsch, sie können oftmals nicht lesen, schreiben oder rechnen. „Sie kommen auch nicht alle regelmäßig zur Schule“, berichtet Rektorin Marie-Luise Borgmann. „Aber ich bin erstaunt, wie gern die meisten hier sind und wie wissbegierig sie lernen.“

Hagen wurde im vergangenen Sommer von einer Zuwanderungswelle überrascht. Zahlreiche EU-Bürger, aber auch Nichteuropäer und 291 Asylanten zogen in die Stadt. Als im September das neue Schuljahr begann, mussten plötzlich 70 Kinder im Grundschulalter, die zuvor niemand auf der Rechnung hatte, untergebracht werden. Das kommunale Integrationszentrum reagierte jedoch schnell und rief drei Auffangklassen – jeweils eine an der Emil-Schumacher-, an der Erwin-Hegemann- und der Funckeparkschule – ins Leben, in denen die ausländischen Kinder auf den regulären Unterricht vorbereitet werden.

Bewährte Förderklassen

Angela Knappstein und ihre Kollegen erteilen den 6- bis 11-Jährigen zwölf Stunden Deutsch-, sechs Stunden Mathe-, zwei Stunden Sport- sowie jeweils eine Stunde Musik- und Kunstunterricht. Im Idealfall können die Kinder nach einem Jahr in die regulären Klassen hinüberwechseln. „Aber das schaffen nicht alle“, sagt die Pädagogin. „Manche werden länger brauchen.“

Der Zuwachs an schulpflichtigen Zuwandererkindern stellte die Stadt nicht nur im Primarbereich vor Probleme. Auch Jugendliche mussten und wollten versorgt sein. Zwölf von ihnen konnten weder schreiben noch lesen, sie besuchen seitdem Alphabetisierungskurse. Die meisten Jugendlichen lernen jedoch in Auffangklassen, die der Hauptschule Remberg angegliedert sind, die begabtesten von ihnen, von denen es viele später auf ein Gymnasium schaffen, in sogenannten Internationalen Förderklassen. „Dieses System hat sich bewährt“, so Natalja Keller, Leiterin des kommunalen Integrationszentrums, das die Betreuung eingewanderter Kinder und Jugendlicher koordiniert.

Rumänen und Bulgaren

Erstmals wurde im Sommer 2013 auch ein Sprachkursus für 17-jährige Jugendliche eingerichtet. Das ist deshalb ungewöhnlich, weil in Deutschland die Schulpflicht mit 16 Jahren endet und eingewanderte Kinder nur bis zu diesem Alter Anrecht auf einen Sprachkursus haben. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unterstützt dagegen nur erwachsene, also mindestens 18-jährige Ausländer. Wer 17 ist, geht normalerweise leer aus. „Glücklicherweise konnten wir diesen Personen helfen“, so Natalja Keller: „Und glücklicherweise ziehen alle Schulen mit, so dass wir in Hagen keine Wartelisten haben, wie es sie in anderen Städten gibt.“

Über die viel diskutierte Einwanderung aus Rumänien und Bulgarien, deren Staatsbürger seit Jahresbeginn ohne besondere Genehmigung in andere EU-Länder reisen und dort arbeiten dürfen, liegen der Stadt noch keine Zahlen vor. Allerdings hat die Einwanderung aus diesen beiden Ländern – ebenso wie aus anderen Krisenstaaten wie Griechenland, Spanien oder Portugal – bereits in den Vorjahren zugenommen (siehe Grafik).

Wenig syrische Flüchtlinge

Aus Syrien sind seit Beginn des Bürgerkrieges im März 2011 lediglich 90 Menschen nach Hagen gekommen. Nicht alle waren Flüchtlinge, einige fanden nach dem Medizinstudium einen Job als Arzt in der Stadt oder siedelten im Rahmen von Familienzusammenführungen um.

Generell gilt, dass Ausländer, egal aus welchem Grund und aus welchem Land sie nach Hagen kommen, Anspruch auf staatliche Hilfe haben. Asylbewerber (2013 waren es in Hagen 291) zum Beispiel erhalten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Kleidung, Unterkunft und für den persönlichen Bedarf einen Geldbetrag, der sich am Existenzminimum orientiert.

Dass Bildung die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Eingliederung ist, ist vielen Einwanderern nicht klar – vor allem nicht jenen aus Gesellschaften, in denen der Schulbesuch keinen hohen Stellenwert besitzt. Manche Kinder kämen ohne Arbeitsmaterialien zur Schule, ohne Hefte, Stifte und Lineal, weiß Angela Knappstein zu berichten: „Denen haben ich die Sachen schon mal von meinem Geld gekauft.“ Als Grundschullehrerin steckt sie mittendrin im täglichen Bemühen um Integration.