Hagen. . Der Stadt Hagen droht die Asylanten- und Flüchtlingsproblematik über den Kopf zu wachsen. Die vorhandenen Übergangsheime und Wohnungen reichen gerade noch aus, um alle Menschen unterzubringen.

Der Stadt Hagen droht die Asylanten- und Flüchtlingsproblematik über den Kopf zu wachsen. Die vorhandenen Übergangsheime und Wohnungen reichen gerade noch aus, um alle Menschen unterzubringen. Doch aufgrund des anhaltenden Flüchtlingsstromes, so hat es Klaus Gierke vom Fachbereich Soziales ausgerechnet, dürften schon Ende des Jahres 48 Plätze zu wenig zur Verfügung stehen: „Wir sind an unseren Kapazitätsgrenzen angelangt.“

Derzeit leben rund 550 Asylbewerber in Hagen. 385 von ihnen sind in den drei Übergangsheimen in Haspe, Boele und am Loxbaum untergebracht, den übrigen hat die Stadt, weil sie eine positive Aufenthaltsperspektive besitzen und wahrscheinlich länger in Deutschland bleiben dürfen, Wohnungen zur Verfügung gestellt. Derzeit werden zwei weitere Wohnungen in der Innenstadt (15 Plätze) sowie eine größere Immobilie in Hohenlimburg (40 Plätze) umgebaut, in die ebenfalls Asylbewerber einziehen sollen. Auf Nachfrage von Hannelore Fischbach (CDU) in der letzten Sitzung des Sozialausschusses verriet Gierke, dass zudem die ehemalige Grundschule Kückelhausen auf ihre Tauglichkeit als Übergangsheim geprüft werde.

Existenzminimum sichern

Die Stadt ist verpflichtet, das Existenzminimum der Menschen zu sichern, wozu auch eine medizinische Grundversorgung gehört. Das betrifft vor allem ärztliche Hilfe im Notfall, weitergehende Leistungen (z.B. Hüftoperationen) sind ausgeschlossen. Für die zuständigen Mitarbeiter im Rathaus ist es nicht leicht, den Überblick über das Kommen und Gehen zu behalten. „Wir erfahren oft erst zwei oder drei Tage vorher, dass uns vom Land NRW neue Flüchtlinge zugewiesen werden“, berichtet Gierke.

So kamen in der vergangenen Woche 15 alleinstehende Männer aus sechs Nationen nach Hagen, in der nächsten Woche wird eine siebenköpfige Familie aus Syrien erwartet. 2014 zogen bislang 278 Asylbewerber nach Hagen, viele von ihnen sind aber längst wieder fortgegangen. Doch unter dem Strich steigt die Zahl der Flüchtlinge, die die Stadt versorgen muss, immer stärker an. Nicht immer handelt es sich um Asylbewerber, betreut werden muss derzeit auch ein bestimmtes Kontingent an Flüchtlingen aus Syrien, denen die Bundesregierung aufgrund des dort tobenden Bürgerkrieges langfristig Aufenthalt gewährt.

Buntes Völkergemisch

Ansonsten ist es ein buntes Völkergemisch, das um Asyl nachsucht, neben Syrern vor allem Menschen aus anderen arabischen Staaten, aus Ex-Jugoslawien, aus Albanien und Eritrea. Darunter befinden sich auch Wirtschaftsflüchtlinge, aus manchen Herkunftsländern beträgt die Zahl der bewilligten Asylanträge nicht einmal ein Prozent. Sie wolle niemandem zu nahe treten, aber junge Marokkaner, mit denen sie sich im übrigen hervorragend auf Französisch unterhalten könne, wüssten genau, dass ihr Antrag kaum Chancen besitze, berichtete Sozialdezernentin Margarita Kaufmann: „Für manche von ihnen ist das eher ein Abenteuer, eine Reise nach Europa.“

Eine gewaltige Herausforderung für die Stadt bedeuten die zahlreichen Kinder unter den Flüchtlingen. Inzwischen sind an verschiedenen Grundschulen vier Sprachlernklassen sowie an Hauptschulen zehn Auffangklassen angedockt für Kinder, die kein Deutsch sprechen und manchmal auch nicht lesen, rechnen oder schreiben können. Nach den Herbstferien kommen zwei weitere Klassen hinzu, da 40 Flüchtlingskinder noch keine Schule besuchen.

Finanzielle Bedrängnis

Und weil wegen der nicht überwundenen Wirtschaftskrise in Griechenland und Italien auch Familien aus diesen Ländern nach Hagen zuwandern, sind auch Kinder aus diesen EU-Staaten vertreten. Ziel des Unterrichts ist stets der baldige Wechsel an eine Regelschule, den meisten Kindern gelingt dieser Sprung nach zwei Jahren. Besonders talentierte Schüler werden in Internationalen Förderklassen unterrichtet, von denen es vier in Hagen gibt. Nicht wenige dieser Jugendlichen schaffen es später an ein Gymnasium.

Die Stadt Hagen gerät durch den Flüchtlingszuzug auch in finanzielle Bedrängnis. Von der Haushaltssperre ist die Unterstützung der Asylbewerber, deren Sicherheit und menschenwürdige Unterbringung ja gewährleistet werden muss, selbstredend nicht betroffen. „Aber jeden Euro, den wir hierfür mehr ausgeben, müssen wir an anderer Stelle wieder einsparen“, erklärte Dr. Thomas Brauers vom Fachbereich Soziales. 2012 wendete die Stadt für die Flüchtlingsbetreuung 2,45 Millionen Euro auf, 2013 waren es 2,5 Millionen, in diesem Jahr werden es voraussichtlich 2,8 Millionen Euro sein. Hinzu kommen noch einmal 1,1 Mio. Euro Zuschuss vom Land NRW.

Bis August schon 100 .000 Asylbewerber

Seit Anfang des Jahres sind rund 100.000 Asylbewerber nach Deutschland gekommen – fast 60 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum.

Wie das Bundesinnenministerium mitteilte, kamen 16.145 sogenannte Folgeanträge von Asylbewerbern hinzu, deren Erstanträge abgelehnt worden waren. Im vergangenen Jahr waren es bis Ende August 62.464 Erstanträge und 8778 Folgeanträge.

Sozialdezernentin Margarita Kaufmann bedauerte, dass die Stadt Hagen von Bund und Land im Stich gelassen werde: „Wir müssen mit geballter Macht aufstehen und verdeutlichen, dass es so nicht weiter gehen kann. Dass wir es sonst nicht schaffen werden, all diese Menschen ausreichend zu versorgen.“