Düsseldorf/Hagen/Hemer. . Nach dem positiven Echo auf den Flüchtlingsgipfel in NRW hat sich Ministerpräsidentin Kraft (SPD) für mehr Hilfen vom Bund und schnellere Asylverfahren ausgesprochen. Weil über 1600 Jugendlichen ohne Eltern als Flüchtlinge in NRW leben, setzt der Flüchtlingsgipfel auf ein Patenschafts-Programm.
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) fordert nach dem Flüchtlingsgipfel mehr Hilfen vom Bund und schnellere Asylverfahren. Bei einer Überschreitung der Drei-Monats-Frist beim Bundesamt für Migration müsse der Bund die weiteren Unterbringungskosten tragen, drängte Kraft.
Zudem soll der Bund für Kosten der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen aufkommen. Weil über 1600 Jugendlichen ohne Eltern als Flüchtlinge in NRW leben, setzt der Flüchtlingsgipfel auf ein Patenschafts-Programm für Flüchtlingskinder, an dem sich auch Ehrenamtler beteiligen. Angesichts der kritisierten Missstände in zentralen Landeseinrichtungen sprach sich Kraft für überprüfbare Qualitätsstandards aus, um auch private Betreiber von Einrichtungen besser kontrollieren zu können.
Das sagen die Verbände
Für den Flüchtlingsrat NRW sind diese Standards längst überfällig. Geschäftsführerin Birgit Naujoks bedauerte, dass über konkrete landesweite Standards („maximal drei Flüchtlinge pro Zimmer“) nicht ausführlich geredet wurde. „Wir haben weiterhin das System Verwahrung statt Betreuung.“ Naujoks bemängelte, dass Flüchtlinge statt wie vorgesehen erst nach sechs Wochen oder drei Monaten bereits nach zehn oder 14 Tagen einer Kommune zugewiesen würden.
Der Städte- und Gemeindebund begrüßte es, dass das Land „einen ordentlichen Betrag draufgelegt hat“. Der Beauftragte der Evangelischen Kirche, Kirchenrat Thomas Weckelmann, sprach nach der Aufstockung der Landesmittel von einem „Paradigmenwechsel“ in der Flüchtlingspolitik.
Das sagen die Städte
Mendens Stadtkämmerer Uwe Siemonsmeier, zuständig auch fürs Soziale, freut sich über den steigenden Zuschuss des Landes; was das im Detail heißt, müsse er aber noch nachrechnen. Ansonsten begrüßt er die Vielzahl an Maßnahmen, mit denen die Integration der Flüchtlinge verbessert werden soll. Etwas skeptischer äußert sich Peter Josek, Leiter des Büros für Zuwanderung und Integration in Arnsberg. Die Aufstockung der Mittel pro Flüchtling sieht er positiver, „aber das reicht noch lange nicht“ – soll heißen: Die Pauschale deckt die Kosten nicht. Das räumt auch das Land erstmals ein: Der Zuschuss pro Flüchtling steige von 3960 auf 4950 Euro im Jahr, das entspreche etwa 50 Prozent der Kosten.
Das sagen die Kommunen mit Aufnahmeeinrichtungen
Zunächst wenig euphorisch zeigen sich die Kommunen mit Landesaufnahme-Einrichtungen. Der Skandal um die Misshandlungen in Burbach war Ausgangspunkt der Debatte, spielte in Essen aber keine Rolle. CDU-Landeschef Armin Laschet begründete dies mit dem Hinweis, dass es beim Gipfel darum gegangen sei, „was kann denn jetzt besser werden?“
Was beschlossen wurde
Die NRW-Landesregierung hat auf dem Flüchtlingsgipfel zusätzliche Hilfen für die Kommunen von 46 Millionen Euro pro Jahr zugesagt. Bislang sollten 2015 143 Millionen Euro fließen.
Gleichzeitig werden:
In der für die Verteilung der Flüchtlinge zuständigen Bezirksregierung Arnsberg 23 zusätzliche Stellen geschaffen (derzeit gibt es 77 Stellen, davon viele übergangsweise),
die Mittel für die psycho-soziale Versorgung der oft traumatisierten Flüchtlinge auf sieben Millionen Euro verdoppelt,
in jeder der 18 zentralen Landeseinrichtungen Beschwerdestellen eingerichtet,
aus einem 3-Millionen-Fonds sehr teure Krankenbehandlungen von Flüchtlingen (mehr als 70 000 Euro pro Fall) finanziert.
Noch im November will das Land die Bettenzahl in Landeseinrichtungen von 5000 auf 7500 Plätze aufstocken.
Michael Esken, Bürgermeister in Hemer, zeigt dafür auch gewisses Verständnis. Aber wohl nur, weil ihm Innenminister Jäger in einem Telefonat am Montag fest zugesagt hat, dass es bei einem weiteren Flüchtlingsgipfel nur um die Probleme der Kommunen mit Aufnahmeeinrichtungen gehen werde.
Esken nennt hier vor allem „die massive Überbelegung“: In Hemer seien derzeit 700 Flüchtlinge untergebracht; geplant sei die Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) aber für maximal 500 Menschen. Die Überbelegung mache eine vernünftige Betreuung unmöglich, sei Ursache vieler Konflikte, sowohl in der Einrichtung wie in Hemer selbst – Esken denkt etwa an die gestiegene Kriminalitätsrate. Als jüngst Masern in der ZUE auftraten, „gab es nicht einmal Zimmer, in denen Erkrankte von Gesunden getrennt werden konnten“, klagt der Hemeraner Bürgermeister.
Wie geht es in Burbach weiter?
Auch Christoph Ewers, Bürgermeister von Burbach, sieht in der Überbelegung der Einrichtungen die Ursache für viele Probleme. Das von Jäger versprochene Treffen der Aufnahme-Kommunen würde er sehr begrüßen, erfahren hat er es von dieser Zeitung. Was aus Ewers’ Sicht dringend geklärt werden muss: Wie geht es mit der Notaufnahme in Burbach weiter, die doch nur als Provisorium eingerichtet wurde? Wenn die Siegerlandkaserne dauerhaft als Flüchtlingsunterkunft dienen solle, müsse „dringend in die Infrastruktur investiert“ werden, mahnt Ewers. „Das Land ist in der Pflicht!“
Am Donnerstag soll auf einem bundesweiten Flüchtlingsgipfel beraten werden, wie der Bund Ländern und Kommunen bei der Aufnahme finanziell helfen kann und soll.