Winterberg. Die Sanierung des Gymnasiums nimmt die erste Hürde. Der Rat stimmt zu. Zuvor kommt es zu einer emotionalen Debatte – und zu einem Wutausbruch.
Mit den Stimmen der CDU hat der Rat Winterberg in einer hitzig und emotional geführten Mammutsitzung die Weichen für den ersten Bauabschnitt zur Sanierung des Geschwister-Scholl-Gymnasiums gestellt und sich für die Cluster-Variante entschieden. Dabei verweigerte die Opposition aus SPD, FWG und FDP geschlossen ihre Teilnahme an der Abstimmung und verwies dabei auf einen Paragrafen in der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen.
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Geheime Abstimmung
Zu später Stunde wurde sogar über die Vertagung der Entscheidung geheim abgestimmt. Dafür musste extra eine Urne aufgestellt werden. Teilweise kochten die Emotionen im Ratssaal über. Mehrfach musste zur Ordnung gerufen werden. Unionspolitiker zeigten sich insbesondere über die Haltung der Sozialdemokraten erbost, denen sie vorwarfen, sich nicht frühzeitig und ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben.
Bereits im Vorfeld der Sitzung hatte es mächtig Unruhe bezüglich des Tagesordnungspunktes 4.3 „Infrastrukturmaßnahmen am Geschwister-Scholl-Gymnasium aufgrund des Wechsels von G8 auf G9“ gegeben. Gegenüber der WP hatte die Opposition moniert, dass man sich nicht ausreichend informiert fühle, um eine solche Entscheidung in kurzer Zeit zu treffen.
In zwei gemeinsamen Anträgen hatten die Oppositionsparteien deshalb gefordert, dass die Entscheidung über notwendige Infrastrukturmaßnahmen von der Tagesordnung der Ratssitzung gestrichen werden solle. Weiterhin beantragten die Fraktionen, die Entscheidung zu vertagen.
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Bürgermeister ist irritiert
Zu Beginn der Ratssitzung zeigte sich, wie geschlossen die Opposition auftrat und an ihrem Antrag festhielt. Doch dabei traf sie auf die Mehrheitsfraktion der Union mit ihrem Bürgermeister Michael Beckmann (CDU), die ihrerseits gemeinsam deutlich machte, dass sie die Sanierung der Schule nun endlich anstoßen will. Die Abstimmung: 12 Mal Ja für die Streichung des Tagesordnungspunktes und 17 Nein-Stimmen.
Mehrfach betonte Bürgermeister Michael Beckmann in der Folge, wie irritiert er darüber sei, dass sich die Opposition nicht genügend über den Zeitplan informiert fühle. Schließlich habe man gemeinsam in vielen Sitzungen darüber gesprochen. Er berief sich außerdem auf ein Protokoll, das seine Aussagen noch einmal unterstreiche. Zudem habe er mehrfach die Bevölkerung, beispielsweise über die Medien und über Social-Media, angesprochen.
Detailliert und ausführlich berichteten Projektleiterin Rabea Kappen und Stadtkämmerer Bastian Östreich über die Sanierungspläne, die auch die Herausforderungen und Maßnahmen für die Zukunft der anderen Winterberger Schulen aufzeigten.
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CDU-Attacke auf Sozialdemokraten
Östreich rechnete vor, dass man für den ersten Bauabschnitt zehn Millionen Euro Ausgaben einplane. Zur Finanzierung könne man hierfür unter anderem fünf Millionen aus Erlösen, die der Forstbetrieb aus dem Verkauf von Kalamitätsholz, beisteuern. Hinzu käme eine öffentliche Förderung von 500.000 Euro. Den Rest müsste man dann mit Krediten finanzieren. Einen kompletten Finanzierungsplan zu allen Bauabschnitten und weiteren Maßnahmen an den anderen Schulen in den kommenden Jahren, wie von der Opposition gefordert, sei einfach nicht möglich, sagte Bürgermeister Beckmann. Das könne Winterberg mit seiner kleinen Verwaltung nicht leisten.
Zu der Beginn der folgenden Diskussion attackierte der Fraktionsvorsitzende der CDU, Timo Bundkirchen, die Oppositionspolitiker scharf. Er erklärte, dass er deren Vorgehen als befremdlich empfinde. Denn der Schulentwicklungsplanung sei aus CDU-Sicht kein neues, kurzfristiges Thema. Direkt nach der Kommunalwahl sei man in regelmäßigen Abständen damit konfrontiert worden. Zusätzlich habe man sich mit der Opposition im Rahmen einer interfraktionellen Arbeitsgruppe auf einen Zeitplan verständigt, der eine Entscheidungsfindung in genau dieser Ratssitzung vorsehe. Da keine Einwände geäußert wurden, hätten alle Fraktionen diesem Zeitplan zugestimmt. „Jetzt wird diese Vorgehensweise kurzfristig infrage gestellt und in den Lokalmedien seitens der SPD-Fraktion zweifelhaft, populistisch und sachfremd dargestellt. Der Grund dafür bleibt offen. Ein Grund könnte aber gegebenenfalls sein, dass gerade die SPD-Fraktion in der interfraktionellen Arbeitsgruppe Schulentwicklung nicht mit geschlossener Anwesenheit eindrucksvoll überzeugen konnte“, sagte Bundkirchen, der sich zunehmend in Rage redete.
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Opposition fehlt ein Gesamtkonzept
Die Opposition ignoriere aus seiner Sicht, dass man ab dem 1. August 2026 mit zusätzlich hundert Schülern rechne. Deshalb dränge die Zeit. „Wir lassen uns nicht auf ihre politischen Spielchen ein und sind nicht gewillt, ein Politikum auf dem Rücken der Kinder auszutragen.“ Die Anträge der Opposition erweckten den Eindruck, dass man sich nicht ausreichend mit der Thematik auseinandergesetzt und weder die Wichtigkeit noch die Dringlichkeit vollständig verinnerlicht habe. Die FWG-Fraktion wolle er aber von dieser Aussage ausdrücklich ausklammern. Einer Bürgerbefragung, wie von der Opposition gefordert, erteilte er eine klare Absage. Dies sei kein geeignetes Instrument. Bundkirchens Ausführungen sorgten teilweise für Empörung bei der Gegenseite. Applaus dagegen brandete auf den voll gefüllten Zuschauerplätzen auf. Denn auch viele Lehrer des Gymnasiums verfolgten die Sitzung.
Die Replik vom Fraktionsvorsitzenden der SPD, Torben Firley, folgte prompt. „Ich werde mich sicherlich nicht so in Rage reden wie Sie. So etwas habe ich bisher noch nicht erlebt. Ich habe gedacht, wir würden hier eine sachliche Diskussion führen“, sagte er direkt an Bundkirchen gewandt. Es gehe um einen so hohen Betrag von bis zu 28 Millionen Euro. Die bisherigen Informationen zur Finanzierung reiche seiner Fraktion nun mal nicht aus. „Wir wollen ein Gesamtkonzept sehen und vermissen die Transparenz auch vonseiten des Bürgermeisters“, sagte Firley.
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Scharfe Diskussion
FWG-Fraktionschef Sebastian Vielhaber schloss sich den Ausführungen an: „Wir wollen eine lückenlose Finanzierung“, sagte er. Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Bernd Kräling, missfiel der Ton der Debatte: „Ich bin erstaunt, wie aggressiv die CDU auf uns zugeht“. Er betonte aber auch, dass niemand aus der Opposition das Konzept einer Cluster-Schule infrage stelle. Der Bürgerdialog vom vergangenen Montag (16. Oktober) reiche ihm als Bürgerbeteiligung nicht aus.
Die Schärfe der Diskussion im Raum war deutlich zu spüren. Höhepunkt: Als Ratsmitglied Ilona Quick (FDP) wutentbrannt aufsprang und mit voller Wucht auf den Tisch ihres Ratskollegen Mathias Geltz (CDU) schlug. Aus Ihrer Sicht hatte dieser sie persönlich verbal angegriffen. Geltz Entschuldigung beruhigte für diesen Moment dann etwas die Gemüter. Auch wenn er gegenüber der WP betonte, dass er seine Äußerungen keinesfalls als eine Beleidigung gemeint habe. Das hatten die FDP-Frau und mehrere Zuhörer im Saal deutlich anders interpretiert.
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Versöhnliche Worte vom Bürgermeister
Nachdem sich die Gemüter etwas beruhigt hatten, forderte Bürgermeister Beckmann die Ratsmitglieder dazu auf, über den Antrag abzustimmen, die Entscheidung über die Schulsanierung zu vertagen. Nach Willen der Opposition geschah dies in geheimer Abstimmung, was den Prozess deutlich verzögerte, da so jedes Ratsmitglied einzeln einen Stimmzettel abholen mussten und ihn dann in eine Wahlurne werfen musste. Am Ende stimmten elf Mitglieder dafür und 17 dagegen. Der Weg zur Abstimmung über die eigentlich Sanierung war frei. Doch nun kam es zu einer Überraschung. FDP-Mitglied Ilona Quick meldete sich zu Wort: „Ich nehme an dieser Abstimmung nicht teil“, sagte sie und berief sich auf den ersten Absatz des Paragrafen 43 in der NRW-Gemeindeordnung.
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Darin heißt es: „Die Ratsmitglieder sind verpflichtet, in ihrer Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und ihren freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung zu handeln; sie sind an Aufträge nicht gebunden.“ Daraufhin folgten ihr sämtliche Ratsmitglieder von SPD, FDP und FWG. Jeder berief sich auf diesen Paragrafen und verweigerte somit die Teilnahme an der Abstimmung. Nach einer kurzen Beratungspause eröffnete Bürgermeister dann die Abstimmung, die dann logischerweise mit den Stimmen der CDU 17:0 ausfiel und von den Zuschauern im Raum beklatscht wurde.
Zum Schluss fand Michael Beckmann noch einmal versöhnliche Worte: „Ich verstehe die Sorgen und auch die Emotionen. Es zeigt, dass wir dieses Thema alle in unseren Herzen tragen.“