Brilon. Rita Schütte bemerkt, dass viele Patienten körperliche Probleme seit der Pandemie haben. Sie gibt Hinweise für den Alltag, um vorbeugen zu können

„Die Patienten stehen körperlich kurz vor dem Burnout durch die Corona-Pandemie. Viele bewegen sich anders oder sogar gar nicht. Das ist ungünstig“, sagt Rita Schütte. Sie ist Physiotherapeutin in Brilon und bemerkt, dass sich in den vergangenen zweieinhalb Jahren viel beim physischen Zustand der Leute verändert hat. Auch das Homeoffice trägt dazu bei. Die Expertin erklärt, mit welchen Problemen die Patienten sie aufsuchen, woher sie kommen und wie Vorbeugungsmaßnahmen aussehen könnten.

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Das Wichtigste: Bewegung muss sein. Sie ist ein wichtiges Ventil, um Stress abbauen zu können, aber in der Pandemie war das wegen der Lockdowns und Vorsichtsmaßnahmen nicht immer möglich. Schütte erklärt, dass viele Patienten auch Operationen aufgeschoben haben aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus im Krankenhaus. Krankheitsbilder hätten sich dadurch verschlimmert. „Das sorgt für ein Gefühl der Hilflosigkeit und auch diese psychische Belastung wirkt sich wiederum auf den Körper aus“, so Schütte.

Rückenprobleme sind weit oben auf der Liste

Rückenprobleme stehen bei ihr ganz oben auf der Liste der Symptome, die an sie herangetreten werden. Während der Lockdowns versuchte sie, Angebote über das Internet bereitzustellen, auch für Unternehmen, da sie sich in der betrieblichen Gesundheitsfürsorge engagiert. In 70 Prozent der Fälle habe sie mit Wirbelsäulenschäden zu tun. Daraus resultiere ein anderes Bewegungsverhalten, was sich auf die Hüfte und Knie auswirkt. Die Situation eskaliert.

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Das Thema sei mittlerweile vielen bewusst, aber dennoch fehle in vielen Fällen die Eigenverantwortung der Patienten, um etwas daran zu ändern oder prophylaktisch aktiv zu werden. Ein Mal in der Woche am Muskelaufbau zu arbeiten sei zu wenig. Drei bis vier Mal wäre sinnvoller. Gerade jüngere Leute sind ihrer Erfahrung nach motivierter früh etwas für den eigenen Körper zu tun, aber sagen auch, dass sich das in den eigenen vier Wänden nicht umsetzen lässt.

Mögliche Gründe für Rückenbeschwerden

Gründe für die Probleme lägen in einer schlechten Haltung, oft leiden ihrer Erfahrung nach auch Kinder bereits an Verkrümmungen, weil lange Bewegungsmöglichkeiten in den Vereinen und im Sportunterricht entfallen war. „Die Ursache kann Bewegungsmangel sein oder aber auch falsche Bewegungen, die sich jemand angewöhnt hat“, so Schütte.

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Sie erklärt, dass es ein wichtiger Unterschied ist, ob sich jemand bewegt oder trainiert. Bewegung sorgt dafür, dass der Körper elastisch bleibt, aber ohne einen Belastungsreiz fehlt den Knochen der Anreiz, um stabil zu sein. Das führt zu veränderten Formen und das wieder zu Schmerzen in den Gelenken. Die Belastungsgrenze sollte nach oben verschoben werden. Anstrengung gehört dazu. Ein Spaziergang sei zwar gut, zählt aber nicht als Training. Wie wichtig die körperliche Vorsorge ist, erläutert die Physiotherapeutin: Der menschliche Körper verliert ab dem 30. Lebensjahr jedes Jahr 10 Prozent der Muskelmasse. So wird es später immer schwerer mit der Bewegung.

Bewegung und Sport sind für den Körper wichtig

„Wer einmal in der Woche für eine Stunde Sport treibt beispielsweise mit Fußball oder Walken, der bleibt körperlich auf dem gleichen Niveau. Um die Muskulatur aber aufbauen zu können muss diese zwei Mal in der Woche belastet werden. Das kann auch ein etwas steilerer oder schnellerer Spaziergang sein.“

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Aber bei der körperlichen Betätigung ist auch Abwechslung wichtig. Wer beispielsweise viel Rad fährt, verharrt lange in der gleichen Position. Danach wären Mobilitätsübungen zum Ausgleich nötig, damit der Rücken nicht leidet. Schütte erklärt, dass ältere Damen gerne Stricken und dabei die Zeit vergessen. Der Kopf ist dabei die ganze Zeit nach unten geneigt, was auf Dauer nicht gesund ist. Auch hier sind dann Dehnübungen wichtig, die zwar ziehen, aber nicht schmerzen sollen. Das ist ihrer Einschätzung nach auch im hohen Alter noch möglich. Das zeigte eine Studie der Sporthochschule Köln, die mit über 90 Jährigen noch körperlich aktiv war.

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Im Homeoffice ist das schwieriger. Der Stress sorgt für Verspannungen. „Den Leuten fehlt der Arbeitsweg zum Abschalten. Die Taktung ist hoch, dann sind vielleicht die Kinder noch da und kann sich nicht um sich kümmern“, sagt Schütte. Für den Stressabbau sind aber Endorphine wichtig, die beispielsweise durch einen Waldspaziergang freigesetzt werden. „Es ist aber auch Eigeninitiative nötig. Jeder könnte googlen, wie ein ergonomischer Arbeitsplatz sein soll, aber danach schaut niemand.“

Sitzen schadet dem Körper wie Rauchen

Für sie ist klar: Sitzen ist das neue Rauchen. Atemeinschränkungen und eine verschlechterte Durchblutung haben beides zur Folge. Vier Stunden am Tag sitzen und dann zum Ausgleich vier Stunden stehen, hält Schütte für keine gute Lösung. Mehrfaches Aufstehen schon eher, daher sollte der Drucker am besten nicht auf dem Schreibtisch stehen, sondern so weit weg wie möglich. Hilfreich könnten auch Stühle sein, die ein dynamisches Sitzen ermöglichen, sprich, dass man immer mal anders sitzen kann. Steife Lehnen sind dafür entsprechend nicht geeignet. Außerdem sei es gut, wenn ein Stuhl keine Armlehnen habe, damit der Körper selbstständig Kraft aufbringen muss, um die Gliedmaßen in der Höhe zu halten.

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Die Physiotherapeutin würde sich wünschen, dass das Thema auch in Schulen stattfindet, sei es in Sport oder in Biologie. „Die Kinder sollten vermittelt bekommen, was im Körper passiert und welche Auswirkungen unterschiedliche Sitzpositionen haben.

Physiotherapeutin muss auch auf den eigenen Körper achten

Wenn es zu spät ist und die Folgen bereits eingetreten sind, dann hilft die 65-Jährige in ihrer Praxis. Zunächst gibt es eine umfangreiche Analyse und sie schaut, wo Bewegungseinschränkungen vorhanden sind, Muskelverkürzungen vorliegen oder gegebenenfalls ein Arzt zusätzlich helfen muss, um zunächst für eine Schmerzlinderung zu sorgen.

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Und wie achtet die Expertin auf ihre körperliche Gesundheit in einem so anstrengenden Beruf? „Wir haben höhenverstellbare Bänke und ich erkläre den Patienten die Bewegungen nicht, sondern zeige sie und mache mit. Das hilft. Sonst leite ich einen Pilateskurs. Das tut auch gut.“