Marsberg. Norbert M. aus Marsberg leidet an Post-Covid. Er erzählt von seinen Qualen. Ob er je wieder arbeiten kann? Vorher lief er sogar Wandermarathons.

Norbert M. aus Marsberg ist sich selber fremd. Seit zwei Jahren ist er nicht mehr der, der er einmal war. Er möchte anonym bleiben. Die WP hat den Namen geändert. Seit zwei Jahren kämpft der 58-Jährige darum, in sein altes Leben zurückkehren zu können. Der Weg ist schwer. „Ich bin seit 78 Wochen krankgeschrieben“, sagt er mit leiser Stimme. Ob er je wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren werden kann? Er schüttelt ratlos den Kopf. Er arbeitet bei einem Möbelbauer in Brilon. Momentan fühlt er sich nicht dazu imstande. Er trägt eine FFP2-Maske und wartet auf seine Therapieeinheit bei der Physiotherapie Bender.

Norbert M. hatte sich bei der Arbeit angesteckt

Norbert M. ist zu Beginn der Corona-Pandemie Anfang Oktober 2020 an Corona erkrankt. Als es noch keine Impfungen dagegen gab und als die auftretenden Langzeitfolgen von schweren Verläufen unbekannt waren. Seine Frau war auch erkrankt. Sie war nach zwei Wochen wieder wohlauf. Er nicht.

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Norbert M. hatte sich bei der Arbeit angesteckt. „Eines Morgens bin ich aufgewacht und dachte, ich habe eine Grippe“, erzählt er im Gespräch mit der WP: „Ich warf mir einige Schmerztabletten ein und dachte, es geht dann schon irgendwann wieder.“

Wurde immer schlimmer

Aber es wurde immer schlimmer. Norbert M. fühlte sich immer mieser, hatte keinen Appetit mehr, hat drei Tage nichts getrunken. „Ich lag im Bett und konnte nicht aufstehen.“ Er findet sich im Paderborner Krankenhaus wieder. Er wurde beatmet, war aber immer bei Bewusstsein. „Ich bekam ein Corona-Medikament und es ging mir langsam besser.“ Aber wirklich daran geglaubt, dass er diese Krankheit überleben würde, habe er nicht. „Mir war alles vollkommen egal. Ich habe nur gedacht: Das wars.“

Und auch heute, mehr als zwei Jahre später, leidet er noch an den Folgen. Er hat ein sogenanntes Fatique-Syndrom entwickelt. „Ich fühle mich immer völlig erschöpft. Es geht rein gar nichts mehr.“ Vor Corona war er topfit. Er absolvierte Wandermarathons, rund um den Edersee: 98 Kilometer in 24 Stunden, war gar nichts. Jeden Morgen ging er mit seinem Hund fünf bis sechs Kilometer. Bei Wind und Wetter. „Heute brauche ich für die 800 Meter bis zum Baggersee eine dreiviertel Stunde.“

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Er hat zwei Rehas hinter sich. Nach der ersten wurde er als nicht genesen entlassen. Die zweite brach er vorzeitig ab, weil er nicht mehr konnte. Fachärzte bescheinigten ihm eine schwere Lungenfunktionsstörung und eine schwere Fatique. Er hat auch heute weder Geschmack noch Appetit, ist extrem kurzatmig, leidet unter Konzentrationsschwächen.

Krankengymnastik

Sein Hausarzt hat ihm Krankengymnastik aufgeschrieben. Seit acht Wochen geht er ein- bis zweimal die Woche für 20 Minuten in die Physiotherapie Bender. Er macht Atemübungen, bekommt unterstützende Brustkorbmassagen, Wärmepackungen zur Entspannung der Muskulatur. Das soll ihm helfen, besser Abhusten zu können, ein besseres Körpergefühl zu bekommen und stärker zu werden, wieder Energie aufbauen zu können. Ein halbes Jahr konnte er gar nicht husten und nicht niesen, sagt er. „Ich dachte, ich platze.“ Danach habe er nur noch gehustet, sobald er hochkam. Jetzt setzt er große Hoffnungen in die Übungen.

Für Dr. Norbert Bradtke, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie, Diabetologie und Geriatrie im St.-Marien-Hospital Marsberg, ist das genau der richtige Therapieansatz. „Atem-, Konzentrations- und Achtsamkeitsübungen, Meditation sowie Physiotherapie und Sport können dazu beitragen, die Folgen der Erkrankung zu lindern“, sagt er auf Nachfrage der WP. Außerdem empfiehlt er Strategien aus der Stressbewältigung, um mit den Belastungen besser klarzukommen. Entscheidend sei, die eigene Einstellung zu Leistung zu reflektieren, um so Grenzen erkennen und akzeptieren zu können.

Ulrike S. tun die Übungen an den Geräten unter Aufsicht der Physiotherapeutin nach der Corona-Erkrankung gut.
Ulrike S. tun die Übungen an den Geräten unter Aufsicht der Physiotherapeutin nach der Corona-Erkrankung gut. © Physiotherapie Bender Marsberg | Physiotherapie Bender, Marsberg

Gerade Sportler oder Menschen, die sich sportlich fit halten, und zu denen gehörte ja auch Norbert M., die also von einem hohen Leistungsniveau kommen und hohe Erwartungen an sich haben, würden die Einschränkung als sehr bewusste Einschränkung wahrnehmen, sagt Dr. Bradtke. Währenddessen jemand, der die gleichen Langzeitfolgen der Corona-Erkrankung aufweise, aber immer nur beispielsweise 15 Prozent seiner Leistungsfähigkeit abgerufen habe, gar nicht merke, dass er diese Einschränkungen habe. Dr. Brad.tke empfiehlt neben dem symptomatischen Therapieansatz auch eine begleitende ambulante Psychotherapie, die helfen kann, die eigenen Leistungsgrenzen anzuerkennen.

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„Die Corona-Pandemie ist auch an uns nicht spurlos vorübergegangen“, sagt Frank Bender, Inhaber und Geschäftsführer der Physiotherapie und des Pro Forma Trainingszentrums für Gesundheit, Prävention und Rehabilitation, in Marsberg. „Viele Marsberger kommen mit Beschwerden wie Leistungsminderung, Atemnot und Konzentrationsschwäche zu uns und wollen, dass wir uns ihrer Probleme und Sorgen annehmen und Lösungen finden.“ Der Aufgabe hat sich das Therapeuten-Team gestellt.

Reha-Sportgruppe Long-Covid

Derzeit wird eine Reha-Sportgruppe Long-Covid aufgebaut. Bender: „Unsere Physiotherapeuten befinden sich gerade in einer speziellen Fortbildungsmaßnahme.“ Und davon geht er aus: „Corona werden wir nicht mehr los. Wir müssen lernen damit zu leben.“

Die leidvolle Erfahrung hat hat Ulrike S. machen müssen. Die 60-Jährige war vor sechs Wochen schwer an Corona erkrankt. „Ich hatte extrem starke Kopfschmerzen“, sagt sie, mit Hirnhautreizung. Der Nacken war komplett steif. „Ich konnte mich nicht bewegen.“ Hinzu kam die „totale Erschöpfung“. Seit vier Wochen ist sie genesen. Auch sie hat sich immer sportlich fit gehalten. Auch bei ihr ist die Kondition seit ihrer Corona-Erkrankung so gut wie weg. Der Reha-Sport tue ihr da sehr gut, sagt sie heute. In der Gruppe werde man mitgerissen. „Lebensmut und -freude kehren langsam zurück.“