Altkreis Brilon. Angst, viele Fragen und Ungewissheit. Restaurants und Kneipen müssen wegen Corona erneut schließen. Gastronomen aus dem Altkreis Brilon reagieren

Für Gastronomiebetriebe könnte es kaum schlechter laufen. Zum zweiten Mal zwingen Corona und die damit einhergehenden Bestimmungen Betreiber zur vorübergehenden Schließung. Die Krise machte zu Beginn des Jahres erfinderisch und mancher Gastronom setzte auf einen To-Go-Dienst. Der Bund verspricht nun eine finanzielle Erstattung in Höhe von 75 Prozent des Novemberumsatzes von 2019. So reagieren heimische Gastronomen auf die neue Situation.

Angst im Kolpinghaus Brilon

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Thomas "Tommy" Hillebrand betreibt sein Restaurant beim Kolpinghaus Brilon. Er redet offen über den Lockdown und die Krise, die Corona in der Gastronomie verursacht hat. © Jana Naima Schopper

„Es ist genau wie beim letzten Mal. Es ist die gleiche Angst“, sagt Thomas Hillebrand, der das „ Tommy’s “ im Kolpinghaus betreibt. Er muss schließen, wieder – und kann nicht wirklich glauben, dass ihn der Lockdown nur bis Ende November trifft. „Die Gastronomie ist nicht der Hotspot . Unsere Sicherheitskonzepte greifen, das zeigt auch die Statistik. Wenn also in den vier Wochen die Zahlen nicht sinken, dann denke ich nicht, dass wir im Dezember so schnell wieder öffnen“, sagt der Koch.

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Die 75 Prozent Umsatzerstattung, die der Bund versprochen hat, sieht er skeptisch. „Man weiß ja nicht, was im Kleingedruckten steht. Woran die Hilfen gekoppelt sind, ob sie umsatzsteuerpflichtig sind. Wir hängen wieder nur in der Luft.“ Er befürchtet, dass das Geld zu spät kommen könnte – oder unter gewissen Voraussetzungen doch wieder zurückgezahlt werden müsse, wie es teils bei den Soforthilfen gewesen sei. „An sich würden die 75 Prozent helfen“, sagt er aber auch. Er will sich jetzt mit Gastronomen aus Brilon – seinen Kollegen, wie er sagt – zusammensetzen. „Wir halten zusammen, wir feilen an neuen Ideen“, verspricht er.

Erneuter Mitnehmservice im Schinkenwirt in Olsberg

Michael Pfannes und seine Frau Gabi (rechts) betreiben den Schinkenwirt in Olsberg und sehen die Umsatzerstattung vom Bund von zwei Seiten.
Michael Pfannes und seine Frau Gabi (rechts) betreiben den Schinkenwirt in Olsberg und sehen die Umsatzerstattung vom Bund von zwei Seiten. © Jan Haselhorst

„Die Maßnahmen sind umstritten, aber wenn jemand eine bessere Lösung parat hat, dann soll er sie mal zeigen. Ein Lockdown hat in anderen Ländern zu guten Ergebnissen geführt. Über das Ausmaß lässt sich streiten“, sagt Michael Pfannes aus Olsberg, der zusammen mit seiner Frau den „Schinkenwirt“ betreibt. Er hatte sich im Frühjahr bereits darauf eingestellt, dass es vielleicht erneut zu einer Schließung der Räumlichkeiten kommen könnte und versuchte, sich finanziell vorzubereiten.

Zahl der Infizierten steigt um 28

28 Neuinfizierte und 17 Genesene vermeldet das Gesundheitsamt des Hochsauerlandkreises am Donnerstag, 29. Oktober, 9 Uhr. Die 7-Tage-Inzidenz beträgt 108,6 (Stand 29. Oktober, 0 Uhr). Insgesamt sind es aktuell 362 Infizierte, 990 Genesene sowie 21 Sterbefälle in Verbindung mit einer Corona-Infektion. Stationär werden 27 Personen behandelt, davon zwei intensiv-medizinisch und beatmet. Die Zahl aller Infizierten beträgt 1.373.

Schon im ersten Lockdown stellte er seinen Betrieb um und bot Speisen zum Mitnehmen an. Nicht, weil er davon leben kann, sondern um Präsenz zu zeigen, wie Pfannes sagt. Darum geht es für ihn auch in diesem Herbst. Eine kleine Karte möchte er in den sozialen Netzwerken zeigen, um den Kunden weiterhin etwas bieten zu können. „Jeder auf dem Sofa möchte auch mal etwas genießen und unser Angebot kam gut an. Leben kann ich davon aber nicht.“

Die 75 Prozent Umsatzerstattung sieht er zweigeteilt. Auf der einen Seite kann Pfannes damit laufende Kosten decken, aber „Das Geld muss irgendwo herkommen. Ich frage mich, wie lange das gut geht, denn irgendwer muss die Zeche zahlen.“ Für ihn kommt der Lockdown zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Vor dem ersten Lockdown sah die Buchungslage sehr gut aus und danach ging es ebenso gut weiter. Er ist nicht nur auf Reisende aus Holland angewiesen, sondern setzt auf eine breitgefächerte Klientel, so dass alles nach einem noch umsatzstärkeren Jahr aussah als noch 2019. Nach dem Lockdown sah er zunächst Zurückhaltung bei den Kunden, aber auch die legte sich. Neue Buchungen gehen bis ins kommende Jahr. „Die Leute waren hungrig auf Genuss und das Leben draußen.“

Hoffnungen auf das Weihnachtsgeschäft in Marsberg

Kerstin und Thomas Neuhaus führen den Landgasthof Mücke in Marsberg.
Kerstin und Thomas Neuhaus führen den Landgasthof Mücke in Marsberg. © Privat

Im Landgasthof Mücke am Ortsrand von Marsberg war nach dem ersten Lockdown im Frühjahr das Geschäft den Sommer über wieder ganz gut angelaufen. „Wir waren zufrieden“, sagt Thomas Neuhaus. Gemeinsam mit seiner Frau Kerstin führt er den Landgasthof. Die Gäste hätten den Aufenthalt draußen auf der großen Terrasse in Nähe des Waldes sehr geschätzt. Und jetzt wird im November wieder alles runtergefahren. „Begeistert sind wir nicht“, zuckt Thomas Neuhaus mit den Schultern. „Es bleibt uns wohl nichts anders übrig“, sagt er mit Blick auf die steigenden Coronazahlen und hofft, dass dadurch wenigstens das Weihnachtsgeschäft gerettet werden kann.

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Aber auch schon vor dem jetzigen Lockdown hatten die Neuhaus Stornierungen von kleineren Weihnachtsfeiern mit bis zu acht Personen. Die Anmeldungen zu großen Weihnachtsfeiern von Firmen seien bisher ganz ausgeblieben. Ob die versprochene Erstattung der Einnahmeverluste von 75 Prozent da ausreichen werden, „kann man jetzt noch gar nicht sagen“, so Neuhaus. „Die Regelungen liegen noch nicht klar auf dem Tisch.“

Zweifel im Briloner Jägerhof

Andreas Piorek vom Jägerhof in Brilon fürchtet, dass die Umsatzerstattung vom Bund nicht ohne Probleme funktionieren wird.
Andreas Piorek vom Jägerhof in Brilon fürchtet, dass die Umsatzerstattung vom Bund nicht ohne Probleme funktionieren wird. © Privat

Mit leeren Auftragsbüchern sind die Lieferanten gestern beim Briloner Jägerhof “ wieder abgerückt. „Was sollen wir jetzt neue Ware bestellen? Wir haben noch einige Reservierungen und ziehen das auch bis Sonntagabend durch. Die Leute wollen alle noch kommen. Danach werden wir im Mitarbeiterkreis das Fass leermachen, die Lebensmittel unter den Mitarbeitern verteilen und dann die Türen schließen“, sagt Andreas Piorek.

Er ist überzeugt davon, dass er und all seine Kollegen die geforderten Hygiene-Auflagen vorbildlich umgesetzt haben und dass es in der Gastronomie keinen Hotspot gegeben habe. Selbst auf eine Fünf-Personen-Regelung hätte man sich noch einlassen können. Und trotzdem trifft es sie. „75 Prozent vom letzten Novemberumsatz als Unterstützung - das kann ich gar nicht glauben. Wohlgemerkt vom Umsatz. Das bleibt ja sonst nicht als Gewinn für uns übrig“, befürchtet „Pio“, dass die Sache doch wieder einen Pferdefuß haben wird, dass es jede Menge Kleingedrucktes und jede Menge „Wenn“ und „Aber“ geben wird, bevor Geld fließt. „Monatlich 75 Prozent vom Umsatz - dann bräuchte ich nicht mehr kochen.“

Dunkle Aussichten für das Vorweihnachtsgeschäft

Schon jetzt sieht Piorek schwarz für das Vorweihnachtsgeschäft . „Nächste Woche hätte ich an vier Abenden mit Gruppen in der Kochschule gekocht. Das mussten wir natürlich absagen. Und was ist, wenn die vier Wochen rum sind und die Zahlen immer noch steigen? Dann kann es an uns ja nicht gelegen haben...“

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Die Zwangspause wird der „Jägerhof“ am Briloner Markt nutzen, um Dinge zu erledigen, für die sonst keine Zeit wäre: Beim Kücheneinrichter hat „Pio“ schon angerufen, weil der Herd hin und wieder Zicken macht, eine neue Grillplatte muss her und Anpinseln und Umdekorieren im Restaurant wären auch jetzt fällig. Zahlen kann er all das hoffentlich von den berühmten 75 Prozent.