Winterberg/Olsberg/Hochsauerlandkreis. Gastronomen in Winterberg und Olsberg beteiligen sich am Freitag an der Protestaktion „Leere Stühle“. Die Not ist groß. Es ist ein Hilferuf.

Zu gewöhnlichen Zeiten kann es schwer sein, einen Restauranttisch in der Winterberger Innenstadt zu bekommen. Momentan ist alles frei – seit Wochen darf niemand mehr Platz nehmen und auch niemand mehr in den Hotels übernachten. Grund: Corona. Das stürzt viele Gastronomen und Hoteliers im gesamten Hochsauerlandkreis in akute Existenzsorgen.

Etliche von ihnen haben sich der bundesweiten Initiative und Kunstaktion „Leere Stühle“ angeschlossen. Gastronomen, Hoteliers und Veranstalter wollen damit auf ihre corona-bedingte Not hinweisen und die aus ihrer Sicht mangelnde staatliche Unterstützung kritisieren. Dafür bauen sie viele leere Stühle auf, dazu ein, zwei dekorierte Tische.

Bundesweite Aktion

Die Aktion „Leere Stühle“ nahm ihren Anfang am 17. April in Dresden. Sie wird privat organisiert, ein Verein ist in Gründung.

Die Aktion soll so lange freitäglich fortgesetzt werden, bis „wir wissen, dass wir diese Krise überleben“.

Den Lockdown-Erfahrungsbericht eines Briloner Gastronomen lesen Sie auf Seite 3.

Am Freitag (24.4.) findet die Aktion auch im Altkreis statt. In Olsberg beteiligt sich das Hotel-Restaurant Schettel und baut von 11 bis 13 Uhr an der Hauptstraße eine leere Tafel auf, um auf seine schwierige Lage hinzuweisen.

Größer ist die Zahl der Teilnehmenden in der Touristenstadt Winterberg. Vor dem Oversum bauen zahlreiche Gastronomen ebenfalls Stühle und Tische auf. „Jeder wird einen oder zwei Stühle mitbringen“, erklärt Peter Werneke als Sprecher der Teilnehmer. Gemeinschaftlich würden dann noch ein oder zwei Tische gedeckt, die natürlich ebenfalls leer bleiben.

Gastronomie fordert Rettungsschirm

Wie alle Veranstaltungen in diesen Tagen muss das Ganze, abgesehen von den Beteiligten, praktisch ohne Zuschauer auskommen. Um keine Menschenansammlung zu riskieren, wurde die Aktion eigens von der Unteren Pforte an den Stadtrand vors Oversum verlegt.

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Ein Klassenraum. Zwischen den Tischen herrscht viel Platz.
Von Kevin Kretzler, Rita Maurer, Annette Dülme und Thomas Winterberg

Mit ihrer bundesweiten Aktion untermauern die Gastronomen Forderungen nach staatlicher Unterstützung. Die Winterberger fordern von Bund und Ländern eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf sieben Prozent, eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 80 Prozent sowie Kurzarbeitergeld auch für Auszubildende, einen klaren Fahrplan für Wiedereröffnungen sowie einen Hilfsfonds für die Gastronomie.

Die dynamische Entwicklung in der Coronakrise hat dazu geführt, dass es zu einigen der genannten Punkte inzwischen Neuigkeiten gibt. So hat die große Koalition in Berlin am frühen Donnerstagmorgen (23.4.) beschlossen, den Mehrwertsteuersatz für Speisen in der Gastronomie von 19 auf sieben Prozent zu senken – befristet vom 1. Juli 2020 bis zum 30. Juni 2021.

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„Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, sollte aber nicht auf ein Jahr befristet werden“, findet Ludger Schettel, Aktionsteilnehmer aus Olsberg. Selbst nach dem Lockdown werde die Branche lange brauchen, um sich zu erholen.

Neue Entwicklungen zu Steuersatz und Kurzarbeitergeld

Auch beim Kurzarbeitergeld gibt es neue Entwicklungen. Berlin hat entschieden, dass es ab dem vierten Bezugsmonat auf 70 und ab dem siebten Bezugsmonat auf 80 Prozent des pauschalierten Nettoentgelts angehoben wird.

Haben Beschäftigte Kinder, erhöhen sich die Sätze um jeweils sieben Prozentpunkte. Die Neuregelung gilt bis Jahresende und nur für Menschen, die pandemiebedingt mindestens 50 Prozent weniger arbeiten als gewöhnlich.

NRW will Öffnungskonzept vorbereiten

Auf Landesebene sagte am Donnerstag (23.4.) NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart, Düsseldorf arbeite an einem Konzept für eine Wiedereröffnung der Gastronomie nach dem 4. Mai. Dieses müsse „wohlüberlegt, differenziert und zwischen den Bundesländern abgestimmt“ werden.

Wie ein Restaurantbesuch unter Einhaltung aller Infektionsschutz-Vorgaben aussehen könnte, davon haben auch die heimischen Gastronomen noch keine konkreten Vorstellungen. Tische mit zwei Metern Abstand aufzubauen, sei relativ einfach, meint Peter Werneke.

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Wie aber Kellner aus dieser Distanz Bestellungen aufnehmen und Speisen servieren sollen, wisse niemand. „Mit Handschuhen und Mundschutz? Das wäre ein seltsames Bild“, findet er.

Die Zusage des Ministers sei aber zumindest „ein Hoffnungsschimmer“. Denn die Liefer- und Abholdienste, mit denen sich die Gastronomen derzeit über Wasser zu halten versuchen, deckten die Verluste keinesfalls ab. „Über den Daumen mag das 15 Prozent der normalen Einnahmen ausmachen.“ Von einem „kleinen Lichtblick“ spricht auch Ludger Schettel. Er sei sehr dankbar und gerührt, dass Kunden teils 20 Kilometer Fahrt auf sich nähmen, um bei ihm Speisen abzuholen.

Branchenverband übt Kritik

Ein Rettungspaket speziell für die Gastronomie wurde politisch noch nicht beschlossen. Das kritisierte am Donnerstag (23.4.) umgehend der Branchenverband des Hotel- und Gastgewerbes, DEHOGA.

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Die beschlossenen Steuererleichterungen seien zwar positiv, doch gehe die Regierung „den zweiten Schritt vor dem ersten“, so Bernd Niemeier, Verbandspräsident in NRW. Zunächst müsse durch ein Rettungspaket die Liquidität der Betriebe gesichert werden.