Lüdenscheid. Eine 26-Jährige stirbt nach der Geburt ihres Kindes im Krankenhaus. Ihr Ehemann und ihr Bruder erheben Vorwürfe gegen die Mediziner.
Im Kreißsaal des Klinikums Lüdenscheid erblickt am Freitag, 13. Dezember um 21:16 Uhr die kleine Elisa das Licht der Welt – gesund und munter. Es hätte der glücklichste Tag im Leben von Cagri (27) und seiner Frau Zehra (26) sein sollen. Das junge Ehepaar erwartete voller Vorfreude die Geburt seines ersten Kindes. Doch was als glückliches Ereignis begann, endete in einer Tragödie. Zehra starb. Die Familie weiß bis heute nicht, wie das passieren konnte, erhebt Vorwürfe gegen die Mediziner - und schildert den verhängnisvollen Ablauf des Abends, der mittlerweile die Staatsanwaltschaft Hagen beschäftigt.
Nach der Geburt habe Zehra ihr Baby 30 Minuten lang in den Armen halten dürfen. Anschließend sei sie nach Schilderung der Familie für eine nicht unübliche Ausschabung, einen minimalinvasiven Eingriff, aus dem Kreißsaal gebracht worden. Niemand ahnte, dass sie nicht mehr zurückkehren würde, um ihre Tochter erneut in den Arm zu nehmen. Die Familie habe gewartet. Dann habe sich Nervosität innerhalb des medizinischen Personals breit gemacht. Die Sorgen der Familie seien immer größer geworden. Immer wieder habe die Familie nach dem Zustand der Mutter gefragt, doch die Ärzte hätten nicht antworten können - oder wollen.
Klinikum Lüdenscheid: Mutter erleidet Herzstillstand nach der Geburt
Um Mitternacht schließlich sei ein Arzt erschienen und habe die Familie informiert: dass Zehra in akuter Lebensgefahr schwebe, dass sie viel Blut verloren habe, einen Herzstillstand erlitten habe und sofort notoperiert werden müsste. Wie es zu dieser dramatischen Verschlechterung des Zustandes gekommen war, sei für die Familie unklar geblieben - und das ist bis heute so. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung.
Firat, der Bruder von Zehra, der nach Kenntnis der Komplikationen ins Krankenhaus geeilt war, schildert die bedrückende Atmosphäre: „Ärzte und Personal haben Blickkontakt vermieden und sind uns aus dem Weg gegangen. Es war offensichtlich, dass etwas schiefgelaufen ist“, sagt er. Die Familie habe sich allein gelassen gefühlt. Die Stunden bis zur endgültigen Nachricht über Zehras Zustand seien von Angst und Ungewissheit geprägt gewesen: Zehra liege im Koma und werde auf der Intensivstation beobachtet.
Acht Tage später, am 21. Dezember, habe das Telefon um kurz vor Mitternacht geschellt: Bei Zehra sei der Hirntod eingetreten.
„Wir haben Strafanzeige erstattet – die Ermittlungsbehörden sollen jetzt die genauen Umstände klären.“
Seither versuche die Familie, die Ereignisse der fatalen Nacht zu rekonstruieren. Sie habe Einsicht in Krankenhausprotokolle gefordert, sei jedoch auf Widerstand gestoßen. Erst mit Hilfe der Rechtsanwältin Günel Celik (33, Kierspe) habe sie die Dokumente einsehen können. Doch die Aufzeichnungen hätten keine Klarheit gebracht. Vieles bleibt daher rätselhaft. „Wir haben Strafanzeige erstattet – die Ermittlungsbehörden sollen jetzt die genauen Umstände klären“, sagt die Strafverteidigerin gegenüber der WESTFALENPOST. Das Klinikum Lüdenscheid ließ konkrete Nachfragen zum Ablauf des Abends unbeantwortet und verwies am Mittwoch auf die Schweigepflicht, an die sie gebunden sei.
Weitere Themen aus der Region:
- Übernahme der Eurobahn? Sauerland mit „Faust in der Tasche“
- Skispringen in Willingen: Dieser Mann ist der Rekord-Fan
- KI im Schulunterricht: Werden Kinder das Lernen verlernen?
- CDU-Chef Merz in Menden: „Keine Zusammenarbeit mit der AfD“
- So wird das Sauerland zu Deutschlands Dinosaurier-Schatzkammer
- Elfjährige Mutter: Eine Aussage, zwei Meinungen
- A-45-Brücke in Lüdenscheid: Zusammenschluss schon im Februar
- Sauerländerin muss Licht meiden: Warum sie vor Gericht zog
- Anwältin der elfjährigen Mutter: „Der Druck auf das Mädchen ist enorm“
- Nadelöhr Westhofener Kreuz: Was ist da eigentlich los?
Am 27. Dezember wurden die lebenserhaltenden Geräte abgestellt - und Zehra starb. Die Polizei leitete ein Todesermittlungsverfahren ein, die Staatsanwaltschaft Hagen bestätigt Ermittlungen wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung gegen Unbekannt. Die Patientenakten wurden beschlagnahmt. Am vergangenen Freitag wurde der Leichnam der Frau obduziert, um mögliche Hinweise auf die Todesursache zu finden. Die Analysen, das stellte die Staatsanwaltschaft bereits in Aussicht, dürften langwierig sein.
Aufwändige Suche nach einem möglichen Behandlungsfehler
„Gerade wenn ein ärztlicher Behandlungsfehler im Raum steht, muss über Gewebeproben herausgefunden werden, wie der genaue Ablauf der Behandlung war. Diese Gewebeproben sind entnommen worden, doch bis die ausgewertet sind, dauert es ein halbes Jahr“, erklärt Dr. Gerhard Pauli, Oberstaatsanwalt bei der Hagener Ermittlungsbehörde. Unter anderem müsse ein zeitaufwändiges neuropathologisches Gutachten erstellt werden.
„Wir haben den Ärzten vertraut. Jetzt haben sie uns unsagbares Leid angetan.“
Am Samstag fand die Beerdigung in der Türkei statt. Ehemann Cagri, der nun allein für seine kleine Tochter Elisa sorgen muss, ist verzweifelt: „Wir haben den Ärzten vertraut. Jetzt haben sie uns unsagbares Leid angetan und uns mit offenen Fragen zurückgelassen. Wir wollen nur, dass die Wahrheit ans Licht kommt.“