Hagen. Parteiintern umstrittener Christian Zaum erkämpft sich sicheren Listenplatz. Und auch Kandidat aus Hochsauerlandkreis hat gute Chancen.

Die AfD wird nach den vorgezogenen Bundestagswahlen am 23. Februar mit größter Wahrscheinlichkeit mit mindestens einem Abgeordneten aus Südwestfalen im Berliner Reichstagsgebäude vertreten sein. Und es könnte auch noch ein zweiter hinzukommen. Damit würde die als in Teilen rechtsextrem geltende Partei erstmals wieder mit Vertretern aus Südwestfalen in einem Landes- oder Bundesparlament vertreten sein (bislang war dies einzig mit Berengar Elsner von Gronow aus Soest von 2017 bis 2021 der Fall). Das zeichnet sich schon jetzt nach dem Aufstellungsparteitag der NRW-AfD in Marl ab, die noch bis Montag die Landesliste für die Bundestagwahl aufstellen will. Die ist entscheidend, da trotz der guten AfD-Umfragewerte nicht damit gerechnet wird, dass die AfD in NRW Direktmandate in den Wahlkreisen erzielen wird.

Als gesichert darf gelten, dass Christian Zaum aus Bad Laasphe im nächsten Bundestag sitzen wird. Der 55-jährige Gymnasiallehrer, der Deutsch und Geschichte unterrichtet und im Wahlkreis Siegen-Wittgenstein als Direktkandidat antritt, konnte sich in einer Kampfabstimmung Platz 10 auf der AfD-Landesliste sichern. Bei der Bundestagswahl 2021 hatte die NRW-Liste der AfD bis Platz 12 gezogen. Die AfD war damals in NRW auf 7,3 Prozent gekommen. Die jüngste repräsentative Umfrage des NRW-Checks sieht die AfD bei der Bundestagswahl allein in Nordrhein-Westfalen bei 14 Prozent.

Auch Kandidat aus dem Hochsauerlandkreis darf sich Hoffnungen machen

Hoffnungen darf sich aber auch Otto Strauß aus Arnsberg machen. Der 71-Jährige, der als AfD-Direktkandidat im Hochsauerland unter anderem gegen CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz antritt, konnte sich Platz 19 auf der Landesliste sichern. Parteiintern wird auf Basis der derzeitigen Umfragen damit gerechnet, dass auf der Liste eine Positionierung bis Platz 18, eventuell aber auch bis Platz 20 einen Parlamentssitz sichert. Da es aber in der Regel innerhalb einer Legislaturperiode auch zu einer Fluktuation innerhalb der Fraktion kommt, könnte Strauß auch noch im Laufe der kommenden vier Jahre nachrücken, sollte es am 23. Februar nicht reichen.

Otto Strauß  aus Arnsberg hat auch mit Platz 19 noch Chancen auf ein Bundestagsmandat.
Otto Strauß aus Arnsberg hat auch mit Platz 19 noch Chancen auf ein Bundestagsmandat. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Die Kandidatenkür bei der AfD war schon im Vorfeld mit Spannung erwartet worden, gilt sie doch als Gradmesser dafür, wie stark die Flügel innerhalb der Partei sind - und wie stark auch der Landesvorstand um Martin Vincentz ist, der sich betont als gemäßigt und gern auch als „Anti-Höcke“ präsentiert. Bis zum späten Sonntagabend waren binnen drei Tagen 20 Listenplätze vergeben worden - darunter mit Anna Leonore Labitzke Rathert (Platz 11) nur an eine Frau. Insgesamt sollen noch bis Montag 30 bis 35 Plätze besetzt werden.

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Umstrittener Matthias Helferich wird auf sicheren Platz gewählt

Dass mit Kay Gottschalk ein im AfD-internen Koordinatensystem als gemäßigt geltender Bewerber zum NRW-Spitzenkandidaten gewählt wurde, dürfte dem NRW-Landesvorstand noch gefallen haben. Doch im weiteren Verlauf wurde eine Reihe von Kandidaten gewählt, die als sehr rechts gelten und teilweise auch als Unterstützer des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke. Besonders umstritten in der NRW-AfD war die Kandidatur des Dortmunder Abgeordneten Matthias Helferich, der dem völkischen Flügel um Höcke zugerechnet wird und schon in der laufenden Wahlperiode nicht in die AfD-Fraktion aufgenommen worden war. Der AfD-Landesvorstand hatte sich sogar für einen Parteiausschluss ausgesprochen. Doch Matthias Helferich wurde in Marl mit großer Mehrheit und unter großem Applaus auf den sicheren sechsten Platz der Landeliste gewählt.

Fortsetzung Aufstellungsparteitag der NRW-AfD
Der umstrittene Matthias Helferich, fraktionslos, aber AfD-Parteimitglied, ist bei dem Aufstellungsparteitag der NRW-AfD auf Platz 6 der Liste gewählt worden. © DPA Images | Fabian Strauch

Und auch Christian Zaum aus Bad Laasphe gilt parteiintern als umstritten. Der NRW-Landesvorstand hatte auch ihn und zwei weitere Kreisvorstandsmitglieder aus Siegen-Wittgenstein mit einem Parteiausschlussverfahren belegen wollen, weil sie angeblich die Aufnahme von Mitgliedern, die einem inzwischen verstorbenen parteiinternen Gegner nahe gestanden haben sollen, blockiert haben sollen. Erst am 1. November 2024 hatte das Landesschiedsgericht der Partei ihm recht gegeben und die ruhenden Mitgliedsrechte wieder zugesprochen.

Christian Zaum: „Hatte gerade tiefen Fall hinter mir“

„Dass ich jetzt auf einen sicheren Listenplatz gewählt worden bin, war also kein Selbstläufer“, so Christian Zaum im Gespräch mit unsere Redaktion mit Blick auf das drohende Ausschlussverfahren. „Ich hatte gerade einen tiefen Fall hinter mir. Und ich habe auch Gegner in der Partei.“ Letztlich sei es ihm in der Kampfanstimmung um Platz 10 aber offensichtlich gelungen, auch Stimmen aus anderen Lagern zu bekommen. Auf die Frage, wo er sich parteiintern einordnet, sagt er: „Ich nenne es mal patriotisch-idealistisch.“ Radikale Positionen werde man von ihm nicht hören: „Ich bin aber auch nicht der Mensch, der sagt, dass wir jetzt CDU-Positionen kopieren sollten. Insofern habe ich schon mit dem Kurs des Landesvorstands Schwierigkeiten.“

Christian Zaum tritt bei der NRW-Landtagswahl 2022 im Wahlkreis 127 (Siegen-Wittgenstein 2) für die AfD an.

„Ich schätze seine politische Arbeit und auch die Art und Weise, wie er seine Partei als geschlossenen Landesverband führt“

Christian Zaum
über Björn Höcke

Und zu umstritten Rechtsaußen-Vertretern hat Zaum, der auch Bezirksvorsitzender der AfD für den Regierungsbezirk Arnsberg ist, offensichtlich keine Berührungsängste. So unterstützt er die Kandidatur des umstrittenen Matthias Helferich: „Ich mache mir nicht jede seiner Äußerungen zu eigen. Aber ich verstehe mich gut mit ihm.“ Helferich sei „einer der fleißigsten Abgeordneten“. Dass man ihn bei dem Parteitag auch in Helferichs Nähe habe sehen können, sei nicht verwunderlich. Als Dortmunder gehöre dieser ja zu seinem Arnsberger Bezirksverband.

Mit Björn Höcke Kranz auf der Hohensyburg niedergelegt

Auch zu Björn Höcke, mit dem Zaum im vorvergangen Jahr einen Kranz an der Hohensyburg niedergelegt hatte, pflegt der Bad Laaspher ein gutes Verhältnis: „Ich kenne ihn persönlich und kann sagen, dass in den Medien ein Zerrbild gezeichnet wird.“ Auch bei Höcke („Ab und zu zu provokant unterwegs“) unterstütze er nicht jede Äußerung. „Aber ich schätze seine politische Arbeit und auch die Art und Weise, wie er seine Partei als geschlossenen Landesverband führt.“

Fortsetzung Aufstellungsparteitag der NRW-AfD
Marl: Delegierte halten ihre Stimmzettel in die Luft. Bei dem Aufstellungsparteitag der NRW-AfD wird die Liste für Bundestagswahl beschlossen. © DPA Images | Fabian Strauch

Im Bundestag hofft Christian Zaum, dass er sich als Lehrer schwerpunktmäßig um Bildungspolitik kümmern kann. Als einer von zwei oder auch als alleiniger AfD-Abgeordneter für Südwestfalen werde es für ihn wohl kaum möglich sein, in der Opposition etwas Konkretes für die Region zu erreichen. Die Themen Wirtschaft, Verkehr und Infrastruktur seien aber entscheidend für Südwestfalen.

In seinen Kernbotschaften zur Bundestagwahlkandidatur heißt es, dass er mehr Geld für Infrastruktur ausgeben wolle, „statt für die Folgekosten unkontrollierter Armutsmigration aus Afrika und Nahost“. Zudem will er unter anderem mit günstigem Gas aus Russland und dem Wiedereinstieg in die Atomkraft die Energiepreise senken. Der AfD-Politiker setzt sich für einen „Ausstieg aus dem Verbrenner-Aus“ bei Fahrzeugen ein sowie unternehmerische Freiheit für die Wirtschaft. Zudem fordert er: „Frieden mit Russland!“