Siegen/Hagen. Mann soll Stieftochter missbraucht und geschwängert haben. Nun muss sich Stiefvater vor Gericht verantworten. Der Termin steht fest.
Im Fall des heute zwölfjährigen Mädchens aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein, das im vergangenen Jahr von seinem Stiefvater geschwängert worden sein soll, hat das Landgericht Siegen die Anklage der Staatsanwaltschaft zugelassen. Der Prozess gegen den Angeklagten, der in Untersuchungshaft sitzt, startet am 14. Januar, das Urteil soll am 18. Februar verkündet werden. Das bestätigte eine Sprecherin des Landgerichts Siegen am Donnerstag auf Anfrage der WESTALENPOST.
Für den Prozess sind sechs Verhandlungstage geplant. Beim Start am 14. Januar ist die Verlesung der Anklage vorgesehen, zudem kann sich der Angeklagte zu den Vorwürfen äußern, so er denn möchte. Der Mann bestreitet die Vorwürfe.
Laut Landgericht wird die Hauptverhandlung „grundsätzlich öffentlich stattfinden, da es sich um ein Strafverfahren gegen einen erwachsenen Angeklagten handelt“. Die Kammer könnte aber für Teile der Verhandlung die Öffentlichkeit ausschließen, etwa bei einer Aussage der minderjährigen Kindsmutter.
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Neun Taten angeklagt
Das Landgericht erklärte zudem, dass die Anklage in unveränderter Form zur Hauptverhandlung zugelassen worden sei. Demnach muss sich der Angeklagte wegen insgesamt neun Vergehen verantworten, die sich zwischen März 2020 und August 2023 abgespielt haben sollen.
Bei vier mutmaßlichen Taten geht es um den Vorwurf, sexuelle Handlungen an einem Kind vorgenommen zu haben. In einem dieser Fälle, aus dem Dezember 2020, wird ihm zusätzlich die Herstellung kinderpornografischer Schriften zur Last gelegt. Der Angeklagte soll das Mädchen mit der Zunge geküsst haben und davon 33 Fotos aufgenommen haben. Auch in den anderen drei Fällen soll es darum gehen, dass der Angeklagte das Mädchen geküsst haben soll. Die Fotos seien auf einem Handy gefunden worden, das einer Zeugin und nicht dem Angeklagten gehöre, hatte eine Sprecherin des Landgerichts Siegen Mitte Oktober im Zuge der Anklageerhebung erklärt.
Die weiteren fünf mutmaßlichen Taten betreffen den Vorwurf, Geschlechtsverkehr mit einem Kind gehabt zu haben, darunter der Akt, der im August 2023 zu der Schwangerschaft der damals Elfjährigen geführt haben soll. Dies sei die finale der angeklagten Taten, so eine Gerichtssprecherin Mitte Oktober.
Dem Angeklagten droht im Falle einer Verurteilung laut Landgericht Siegen eine Strafe von nicht weniger als zwei Jahren und bis maximal 15 Jahren Haft.
Verteidiger attackiert Staatsanwaltschaft
Der Verteidiger des Stiefvaters sagte zur Zulassung der Anklage, dass man nun genau wisse, was seinem Mandanten zur Last gelegt werde und mit welcher Fragestellung sich das Gericht befassen müsse. „Es kommt daher jetzt zu einer umfassenden gerichtlichen Auseinandersetzung mit der Anklage“, so Daniel Nierenz. Mehr wolle er dazu derzeit nicht sagen.
Zuvor hatte der Jurist aus Netphen im Siegerland die Staatsanwaltschaft Siegen, die Anklage erhoben hatte, scharf kritisiert, weil wesentliche Punkte noch nicht beantwortet worden seien. Insbesondere sieht Nierenz kritisch, wie die Aussage des heute zwölfjährigen Mädchens zustande gekommen ist. Und ob mögliche gesundheitliche Aspekte, welche die Aussagekraft beeinträchtigen könnten, von der Staatsanwaltschaft gewürdigt worden seien.
Die heute Zwölfjährige soll zunächst ausgesagt haben, dass es nicht zum Geschlechtsverkehr gekommen sei. Sie sei in ihren Stiefvater verliebt gewesen und habe ohne dessen Wissen ein von ihm gebrauchtes Kondom aus einem Mülleimer geholt, sich damit selbst geschwängert. Ein von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenes Gutachten stuft das als äußerst unwahrscheinlich, aber auch nicht als ausgeschlossen ein; ein DNA-Abgleich hat den Stiefvater als Erzeuger des Kindes nachgewiesen, das Baby ist laut Angaben des Kreises in einer Pflegefamilie untergebracht.
„Die Frage ist, ob das Mädchen die Aussage in einem Druckverhältnis geändert hat.“
Das Mädchen änderte dann offensichtlich seine Aussage und soll geschildert haben, dass es doch zum Geschlechtsverkehr mit dem Stiefvater gekommen sei. Für Verteidiger Daniel Nierenz steht die Anklage aufgrund dieses Aussage-Verhaltens auf tönernen Füßen.
„Das Mädchen hat seine Aussage um 180 Grad geändert. Sie hat in einer polizeilichen Vernehmung erklärt, dass sexueller Missbrauch durch unseren Mandanten zu der Schwangerschaft geführt habe, was ihr der vernehmende Beamte in den Mund gelegt hatte. Ich zweifele daran, dass das eine besonders belastbare Aussage ist“, so der Anwalt. Die Frage sei, ob das Mädchen die Aussage unter Druck geändert habe. Sie habe monatelang in einem gesicherten Umfeld gelebt, in einer Wohngruppe, sei immer bei der Aussage geblieben. „Nun erzählt sie plötzlich eine ganz andere Geschichte. Wie es zu dieser Änderung gekommen ist, ist eine Frage, die gutachterlich zu beantworten ist“, sagte Nierenz.
Glaubwürdigkeitsgutachten ein Thema
Den Vorwurf, dass die Ermittler dem Mädchen Worte in den Mund gelegt hätten, hatte Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss zurückgewiesen. „Ich kann mir ernsthaft nicht vorstellen, dass die Ermittler dem Mädchen vorgegeben hätten, was es sagen soll“, so der Sprecher der Anklagebehörde.
Verteidiger Nierenz hat angekündigt, ein Glaubwürdigkeitsgutachten zu beantragen, ebenso ein psychiatrisches Gutachten. „Es kann nämlich genauso gut sein, dass das Mädchen belastende Aussagen getroffen hat, damit die Sache einfach aufhört. Möglicherweise erzählt sie das, wovon sie denkt, dass es andere hören möchten“, so der Anwalt.
Nierenz äußerte zudem Zweifel am Vorwurf der Anfertigung von kinderpornografischen Schriften, für den sich sein Mandant ebenfalls verantworten muss. Die Staatsanwaltschaft wertet die erwähnten Kuss-Fotos, die bei der Datenauswertung eines Mobiltelefons gefundenen worden sein sollen, nicht als solche, die ein Vater mit seiner Tochter austausche. Nierenz hingegen bezeichnet die Bilder als „Witz-Fotos“. Darauf sei zu sehen, „dass sich unser Mandant und das Mädchen mit rausgestreckten Zungen anlächeln“. Außerdem habe sein Mandant, der Stiefvater, das fragliche Smartphone – welches das persönliche Handy der Kindsmutter sei – „proaktiv der Polizei und der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt“, nachdem das Gerät bei einer Hausdurchsuchung bei seinem Mandanten nicht gefunden worden sei.
Der Fall des Mädchens, das im Alter von elf ein Kind bekam, ist die zweite Anklage gegen ein Mitglied der Familie wegen eines mutmaßlichen Missbrauchs. Der leibliche Vater soll die heute erwachsene Schwester der Zwölfjährigen zwischen 2018 und 2021 mehrfach missbraucht haben. In einem Fall wirft ihm die Staatsanwaltschaft sogar gemeinschaftliche Vergewaltigung mit einem nicht zur Familie gehörenden Mittäter vor.
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