Hagen/Balve/Menden. Schränke mit Kreativware sind im Sauerland auf dem Vormarsch. Wie sie zu lokalen Verkaufshits werden und was rechtlich zu beachten ist.

Sie stehen am Zaun, in der Einfahrt oder im Vorgarten. Die Rede ist von ausrangierten Kleiderschränken und kleinen Büdchen in denen kleine Stehrümchen, Mützen, Schals, Karten, Armbänder oder andere Handarbeiten zum Verkauf angeboten werden. Besonders im ländlichen Bereich, und damit auch im Sauerland, ist derzeit ein augenscheinlicher Trend zu beobachten. Das Außergewöhnliche daran ist, dass keine Verkaufskraft die Waren offeriert, sondern der Kunde sich selbst bedient und bezahlt. Vertrauen ist alles.

Einen solchen Kreativ-Schrank betreibt Carina Brinkschulte aus Balve-Beckum. Aus ihrem kleinen Schrank ist mittlerweile sogar eine stattliche Hütte geworden. In dem etwas mehr als zwei Quadratmeter großen Holzverschlag finden sich Armbänder, Kinderkleidung, Kerzenständer, Mitbringsel, Fensterdekorationen und noch vieles mehr, was sich aufstellen, anziehen oder verschenken lässt.

Prinzip kennt man vom Bauernhof

Diese Schränke – mitunter sogar ganze Gartenhäuser, wie bei Carina Brinkschulte – sind öffentlich zugänglich und werden maximal mit einer Videokamera bewacht. Man kennt das Prinzip von Bauernhöfen, die mit solchen Vertrauenskassen Kartoffeln, Kohl, Eier und sonstige Erzeugnisse anbieten. Mit den kleinen Schranklädchen wird dieses Vorgehen sich zu eigen gemacht und eben kleine Deko-Artikel, Kissen, Kerzen und noch vieles mehr angeboten.

Im Mendener Ortsteil Halingen mit 1800 Einwohnern standen 2023 gleich sieben solcher Selbstbedienungsschränke. 
Im Mendener Ortsteil Halingen mit 1800 Einwohnern standen 2023 gleich sieben solcher Selbstbedienungsschränke.  © Unbekannt | Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Die Frage, wer mit dieser Art von Verkauf begonnen hat, lässt sich nur schwer beantworten. Gefühlt gibt es solche Vertrauenskassen schon immer – zumindest an Bauernhöfen, Erdbeerfeldern oder besonders in den Niederlanden Blumenfeldern.

Bürokratie unumgänglich

Wer sich jetzt denkt, er könne blindlings den alten Kleiderschrank von Oma zu einer Verkaufsbude umwidmen, hat die Rechnung ohne die deutsche Bürokratie gemacht. Kirsten Deggim von der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen sagt, dass der Betrieb solcher Schränkchen immer einem Wenn und Aber unterliegt: „Es kommt drauf an.“ Sobald ein solcher Schrank dauerhaft und mit Gewinnabsicht aufgestellt wird, muss grundsätzlich ein Gewerbe angemeldet werden, so die Expertin. Zusätzlich sollte man bei der Stadt abklären, ob Bebauungspläne oder andere Vorgaben, wie Bauordnungen, gegen einen Betrieb der kleinen Büdchen sprechen. „Das ist meist ein Anruf beim Bauamt“, so Deggim.

Kirsten Deggim ist SIHK-Handelsexpertin. 
Kirsten Deggim ist SIHK-Handelsexpertin.  © WP | Michael Kleinrensing

„Anders sieht es aus bei Spendenaktionen, beispielsweise auf dem Wochenmarkt. Da werden meist alle Hühneraugen zugedrückt“, sagt Deggim mit einem Augenzwinkern. Hinsichtlich eventuell benötigter Lizenzen von Herstellern müsse man immer im Einzelfall prüfen und diese als kommerzieller Nutzer erwerben. Wer sich unsicher ist, was er darf und was nicht, sei gut beraten bei der zuständigen IHK, Bau- und Ordnungsamt sowie Finanzamt anzurufen und sich zu informieren, rät die Expertin der IHK.

Balve
So sah Brinkschultes Selbstbedienungshäuschen aus. © WP Balve | Corinna Schutzeichel

Außerdem ist wichtig, sich eine sogenannte Verpackungslizenz zuzulegen, sagt Schrank-Betreiberin Carina Brinkschulte. Wer in Deutschland Verpackungen an den Endverbraucher in den Verkehr bringt, muss sich an der Entsorgung beteiligen. Dies funktioniert über das sogenannte duale System. Hierzu meldet man einmal im Jahr die in Umlauf gebrachten Mengen Papier, Pappe und Kunststoff.

Carina Brinkschulte betreibt „MaLo‘s Selbstbedienungshäuschen“ an der Arnsberger Straße in Balve-Beckum.
Brinkschultes neues Verkaufshäuschen. © WP | Joshua Kipper

Um die Ehrlichkeit der Kunden macht sich die Beckumerin unterdessen keine Sorgen. „Bislang habe ich nichts Negatives erlebt“, sagt sie. In ihrem Verkaufshäuschen hängt eine Kamera, während des Gesprächs vor Ort bimmelt unentwegt ihr Telefon mit einer Meldung, dass die Kamera Bewegung im Häuschen registriert hat. Bezahlen kann man vor Ort entweder in Bar oder per Paypal.

Angst vor Vandalismus

Ganz anders macht es Claudia Kipper aus Menden. Auch sie würde gerne ein Schranklädchen aufstellen. Doch sie sorgt sich um Jugendliche in der Mendener Innenstadt, die das Mobiliar beschädigen oder Geld und Ware stehlen könnten. „Die zünden hier häufig auch Feuerwerk und ich möchte nicht, dass irgendwann das Lädchen explodiert“, sagt sie. In dem Haus ihrer Großeltern hat sie ein kleines Schaufenster mit ihren Kreativwaren aus Kunstharz eingerichtet. „Das klappt und läuft auch sehr gut“, resümiert sie. Wenn jemand Interesse an ihren Produkten hat, kann er oder sie bei Kipper anrufen oder online den Kontakt suchen. Ihre Wohnung ist direkt gegenüber, weshalb sie schnell vor Ort sein kann.

Menden
Claudia Kipper aus Menden hat sich gegen ein Schranklädchen entschieden. © WP Menden | Corinna Schutzeichel

Zurück nach Balve-Beckum: Mit dem größeren Häuschen sei auch Carina Brinkschultes Kundschaft gewachsen. „Wahrscheinlich liegt es am Dach, dass man nicht so im Wind stehen muss“, mutmaßt sie. Viel Gewinn mache sie mit ihrem Selbstbedienungshäuschen nicht, es seien lediglich wenige hundert Euro im Monat. Für sie ist es zudem nur ein Hobby neben dem Beruf als Floristin – zum „Runterkommen“. Erst nur für das Dorf und jetzt sogar über die Stadtgrenzen hinaus, denn auch aus Fröndenberg kommen ihre Kunden.

Weitere Themen aus der Region:

Carina Brinkschulte betreibt „MaLo‘s Selbstbedienungshäuschen“ an der Arnsberger Straße in Balve-Beckum.
Blick in Brinkschultes Selbstbedienungsladen. Oben unterm Dach hängt die kleine Kamera. © WP | Joshua Kipper

Aktuell laufen die Weihnachtsartikel am besten. Generell sei das Lädchen im Sommer weniger frequentiert als im Winter. „Viele kaufen hier auch kleine Weihnachtsgeschenke für ihre Liebsten“, freut sich die Beckumerin. In ihrer Nachbarschaft stehen noch zwei weitere Verkaufsschränke. „Aber ich war die Erste!“, sagt Brinkschulte und lacht.

Hersteller muss für seine Produkte haften

In der Selbstmacher-Szene beliebt sind mitunter die Produkte von Ikea. Häufig sehr günstig und schnell zu bekommen, finden Gläser, Vasen und Kissen Einzug in die heimischen Bastelzimmer. Doch darf ich Produkte, wie die von Ikea, eigentlich einfach so individualisieren und weiterverkaufen?

Vonseiten des schwedischen Möbelgiganten heißt es dazu auf Anfrage: „Wir können leider keine vertragliche Erlaubnis hierfür geben. Dies hat folgenden Grund: Wir sind unseren Kundinnen und Kunden verpflichtet, alle Artikel, die unter dem Namen Ikea verkauft werden, unter anderem gründlich auf Sicherheit, Umweltverträglichkeit und Haltbarkeit zu überprüfen und stehen mit dem Namen Ikea auch haftungsrechtlich in jeder Hinsicht dafür ein.“

Besonders im Fokus stünden dabei Sicherheit, Verträglichkeit und Ungiftigkeit bei Kinderprodukten. Man könne diese Anforderungen bei „Produkten fremder Weiterverarbeiter nicht gewährleisten“, so Ikea. Grundsätzlich sei es aber nicht verboten ein verändertes Ikea-Produkt, beispielsweise einen neu lackierten Tisch, weiterzuverkaufen.