Hagen/Berlin. Marija Linnhoff ist Chefin des Verbands unabhängiger Reisebüros, die FTI schon Monate nicht aktiv anboten. Familie bucht trotz Warnung.
Marija Linnhoff hat ihrem Ruf wieder alle Ehre gemacht. Sie hatte schon vor Monaten vor einer drohenden FTI-Pleite gewarnt. Nur freuen kann sich die Hagener Reiseexpertin darüber überhaupt nicht. „Dass ich mit meiner Warnung im Februar recht behalten habe, ist kein Grund zur Freude. Hier geht es um 11.000 Beschäftigte und Zehntausende Reisende.“
Die 61-Jährige ärgert, dass Urlauber am Montag auch noch für dumm verkauft wurden: „Heute Morgen um 7 Uhr konnte man schon nicht mehr bei FTI buchen. Da wurde noch angezeigt, dass es eine technische Störung gibt. Da war fast schon klar, dass Insolvenz angemeldet wird.“ Schließlich waren die Gespräche, die der Reiseveranstalter mit Vertretern des Bundesfinanzministeriums und des Wirtschaftsministeriums am Wochenende in Berlin geführt habe, aus Sicht von FTI gescheitert. Dem Vernehmen nach soll das Unternehmen 200 Millionen Euro als Überbrückung vom Staat erbeten haben. In den Ministerien wurde am Sonntag offenkundig abgewunken.
Öffentlich hatte die Vorsitzende des Bundesverbandes unabhängiger Reisebüros (VUSR), Marija Linnhoff, schon im Februar dieses Jahres vor dem hohen Ausfallrisiko beim Reiseveranstalter FTI öffentlich gewarnt. Den rund 7000 Mitgliedern im eigenen Verband hatte sie schon viel früher geraten, FTI nur noch auf ausdrücklichen Kundenwunsch zu verkaufen und sich dies auch schriftlich geben zu lassen.
Nordafrika-Urlaub über FTI trotz Warnung gebucht
Fotini Anastasiadou, Inhaberin eines Hagener Reisebüros, beherzigte dies: „Ich habe die Kunden nicht davon abgehalten, FTI zu buchen, aber schon gewarnt, schon ungefähr seit einem Jahr. Gott sei Dank haben viele auf mich gehört“, sagt die Reisebüroinhaberin. Trotz der Warnungen habe eine Familie einen Urlaub in Nordafrika unbedingt buchen wollen, sagt Anastasiadou. Als gegen 11 Uhr offiziell bekannt wurde, dass FTI den Gang zum Insolvenzgericht angetreten hatte, habe sie die Familie, die kommenden Monat in den Urlaub starten wollte, sofort angerufen. „Leider haben die auch den Restbetrag für die Reise bereits bezahlt.“ Immerhin werde der Sicherungsfonds voraussichtlich einspringen, sagt die Reisebüroinhaberin. FTI habe mit sehr günstigen Angeboten um Marktanteile gebuhlt und das auf Kosten der Marge, sagt Linnhoff. Und mit extremen Prämien für die Reisevermittlung.
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Indizien für Pleite schon vergangenes Jahr?
Dass der Sicherungsfonds von der Branche überhaupt eingerichtet wurde, hat eine Vorgeschichte. 2019 ging der Reiseveranstalter Thomas Cook pleite. Dessen Versicherung reichte nicht aus, viele Urlauber schauten in die Röhre statt in die Sonne. Der Staat sprang damals mit Millionen ein. Anschließend wurde der Reisesicherungsfonds eingerichtet, in den größere Veranstalter einen bestimmten Teil der Buchungssummen als Rücklage einzahlen müssen. Dass FTI im vergangenen Jahr schon deutlich mehr in den Deutschen Reiseversicherungsfonds habe einzahlen müssen als üblicherweise, sei auch ein Indiz für die brenzlige Lage von FTI gewesen, sagt Linnhoff. Dies habe darauf hingedeutet, dass der Deutsche Reisesicherungsfonds bereits von einem erhöhten Ausfallrisiko ausgegangen sei.
Exklusiv habe sie die Einschätzung nicht gehabt. Auch andere in der Reisebranche könnten rechnen. Im Gegensatz zu Linnhoff seien sie aber nicht bereit, die Dinge beim Namen zu nennen: „Gewusst haben es alle“, sagt sie. Hätten nicht nur die im Verband organisierten Reisebüros auf sie gehört, sondern die gesamte Branche, müssten jetzt wohl nicht Tausende Urlauber um schöne Tage in der Fremde zittern. Rund 65.000 FTI-Kunden sind gerade unterwegs in aller Welt, schätzt die Verbandsvorsitzende: „Zum Glück ist noch keine Hauptsaison.“
Expertin sieht aktuell keine anderen großen Veranstalter gefährdet
Dass mit FTI der nach eigenen Angaben drittgrößte Reiseanbieter in Europa nun in diese Schieflage gekommen sei, sei also absehbar gewesen, behauptet die Hagener Branchenexpertin Linnhoff: „Im Grunde ist das die Fortsetzung der Marktbereinigung, die mit Thomas Cook begonnen hatte. Mit der Pandemie hat die FTI-Pleite nichts zu tun. Hier geht es um Missmanagement.“ Zulasten der Beschäftigten und der Kundinnen und Kunden. Weitere Anbieter hält Linnhoff, der im Fall der Insolvenz von Thomas Cook schon einmal seherische Fähigkeiten angedichtet wurden, derzeit nicht für gefährdet - eigentlich laufe es in der Branche derzeit ziemlich gut.
Der Reisesicherungsfonds weist auf Folgendes hin: Reisende, die aktuell an Ihrem Urlaubsort sind und Unterstützung benötigen, können folgende Notfallnummer kontaktieren: +49 (0)89 710 45 14 98
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