Hagen/Iserlohn. Marija Linnhoff aus Iserlohn, Chefin eines Verbands von Reisebüros, warnte schon im Februar: „Passt Ende September auf Thomas Cook auf.“

Mit der Bezeichnung „Orakel von Iserlohn“ ist Marija Linnhoff nicht so ganz glücklich. Schon der Ortsangabe wegen. Zwar hat die 57-Jährige bis vor zwei Jahren ein Reisebüro in Iserlohn betrieben und dort hat sie auch ihr Büro als Vorsitzende des Verbandes unabhängiger selbstständiger Reisebüros (VUSR), betont aber gerne: „Ich bin Hagenerin.“

Doch das ist nur Nebensache. In der Hauptsache, also der mit dem Orakel, hält sie ihre Fähigkeit, die Zukunft vorauszusagen, für nicht besonders außergewöhnlich. Dass sie dennoch dieser Tage von vielen Medien diesen Titel verliehen bekommt, hängt mit einem Ereignis Mitte Februar zusammen.

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Bei einem Parlamentarischen Frühstück der Tourismuswirtschaft in Berlin warnte Linnhoff die Bundestagsabgeordneten und Ministeriumsvertreter: „Passt Ende September auf Thomas Cook auf.“ Und was passiert Ende September? Der Reisekonzern muss Insolvenz anmelden.

Prognose nach dem Frühjahr öffentlich nicht wiederholt

Ist das nicht eine schon unheimliche Präzision in der Vorhersage? Und doch eine prophetische Gabe? Marija Linnhoff lacht. „Dass Thomas Cook finanzielle Probleme hatte, war doch seit Jahren allgemein bekannt. Und der Herbst ist eben die Zeit, in der die Rechnungen für den Sommer bezahlt werden müssen. Die Lage haben viele in der Branche genau so gesehen. Da wusste jeder, dass es eng wird.“ Aber sie hat es als Einzige ausgesprochen. Weil sie nie ein offenes Wort scheut und vor Konflikten nicht zurückschreckt.

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Dabei weiß sie jedoch, was sie tut. Sie hat die in einem internen Kreis gemachte Prognose, damals ergänzt von dem Satz „Wir können nur beten, dass es nicht in den Sommerferien geschieht“, öffentlich nicht wiederholt. Sie wollte sich nicht dem Vorwurf aussetzen, ein Unternehmen mit solchen Aussagen in die Pleite zu treiben. Sie hat mitbekommen, wie vor Jahren kritische Äußerungen des damaligen Chefs der Deutschen Bank zur Kreditwürdigkeit von Leo Kirch Prozesse nach sich zogen, die die Bank knapp eine Milliarde Euro kosteten.

Schon früh keine Air-Berlin-Flüge mehr verkauft

Deshalb hat Linnhoff auch kein Reisebüro aufgefordert, nicht mehr bei Thomas Cook zu buchen. Das sei auch gar nicht nötig, meint sie: „Gute Reisebüros sind ihren Stammkunden verpflichtet. Wer einmal falsch beraten wird, kommt nie wieder. Wenn man den Kunden aber sensibilisiert, zahlt er eventuell auch hundert Euro mehr.“ Sie habe in ihrem Iserlohner Reisebüro schon schon zwei Jahre vor der Air-Berlin-Pleite keine Flüge mehr mit dieser Airline verkauft. Und damit sei sie nicht alleine gewesen. „Wir müssen unsere Kunden schützen.“

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Und um den Schutz ging es ihr schon im Februar in Berlin. Sie wies damals, wie schon in den Jahren zuvor und wie auch heute noch, darauf hin, dass die gesetzliche Haftung für Pauschalreisen von 110 Millionen Euro nicht ausreiche. „Mindestens 300 Millionen wären nötig“, sagt Marija Linnhoff.

Geschäftsmodell der Pauschalreise beschädigt?

Verbraucherschützer und die Grünen sahen und sehen das genau so. Die Bundesregierung offenbar nicht. „Dass allen Warnungen zum Trotz nicht gehandelt wurde, ist grob fahrlässig“, sagt Linnhoff. Sie befürchtet weitere Folgen der Thomas-Cook-Pleite für Reiseveranstalter und Hoteliers. Und für ein ganzes Geschäftsmodell: „Die Pauschalreise, die immer für Sicherheit stand, ist beschädigt.“

Und wie sieht es insgesamt in der Reisebranche aus? Wer sind angesichts schmaler Gewinnmargen die nächsten Pleitekandidaten? Die VUSR-Vorsitzende lacht wieder: „Das werde ich Ihnen nicht sagen. Aber da sind schon ein paar Kandidaten in der Pipeline.“