Siegen. Fast täglich ist Jutta Müller ehrenamtlich für das Tierheim Siegen im Einsatz. Warum sie ihre Freizeit für Tiere in Not opfert.
Jutta Müller schnappt sich den Stallboy, ein Kehrblech am Stiel und ein Rechen, macht damit einen Hundehaufen nach dem anderen weg. Auch das gehört zum Job. Einem Job, den sie nicht bezahlt bekommt. Denn die Siegenerin ist ehrenamtlich für das Tierheim im Einsatz – und das fast täglich. „Das gehört eben auch dazu. Ich helfe da, wo es die Angestellten nicht schaffen.“ Mit einer Jeans und einem schlichten T-Shirt bekleidet, ist sie in einem der zahlreichen Hundefreiläufe unterwegs. Husky Djowky kommt sofort zu ihr, liebevoll streichelt sie durch sein dickes Fell. Die beiden kennen und mögen sich, das merkt man direkt.
Ohne das ehrenamtliche Engagement, wie es Jutta Müller zeigt, wäre der Tierschutz in Nordrhein-Westfalen wohl nicht denkbar. Laut der NRW-Landesregierung gibt es landesweit rund 100 Tierheime mit mehr als 140 einzelnen Vereinen und mehr als 80.000 Mitgliedern. Und viele von diesen engagieren sich ehrenamtlich, so wie Jutta Müller. Die Siegenerin ist gelernte Bauzeichnerin, später wechselte sie in eine Werbeagentur.
Mittlerweile ist sie „hauptberuflich ehrenamtlich“, wie Müller selbst sagt. Das Gute dabei: „Ich kann frei entscheiden, wann ich arbeite. Wenn ich zuhause durch bin, die Tiere versorgt sind und noch etwas zu erledigen ist, fahre ich einfach hin und mache es.“ Auf die Singlefrau warten zwei Hunde daheim, die sie ebenfalls versorgt. „Zwei reinrassige Straßenhunde“, sagt sie liebevoll. Ansonsten führt sie ein ganz normales Leben: „Ich treffe mich mit Freunden und gehe gerne Essen.“
Mit Gassi gehen fing für Jutta Müller alles an
Angefangen hat Jutta Müller 2009 als Gassi-Geherin. „Ich war mit Bekannten hier und habe mich in ein Hündchen verliebt. Dadurch bin ich ans Gassigehen gekommen. Den Hund adoptieren konnte ich nicht, aber einmal die Woche mit ihm spazieren gehen“, sagt die 59-Jährige. Damals hatte sie selbst noch keine Hunde. Aus dem Gassi gehen wurde nach und nach mehr. „Ich habe mich um ängstliche Hunde gekümmert und bin weniger mit den Hunden gelaufen, weil ich eigene hatte. Dann habe ich beim Flohmarkt geholfen und Spenden entgegengenommen, so fing das alles an.“ Mittlerweile kümmert sich Jutta Müller um die Spenden und Werbepartner, organisiert einen Flohmarkt, der regelmäßig im Tierheim stattfindet und packt mit an, wo es geht. „Ich habe immer mit Tieren zu tun gehabt, sie geliebt, seit ich denken kann. Ich habe eine ganz besondere Beziehung zu Tieren.“
Von der Spitzmaus über Schafe, Vögel, Kleintiere bis zu Katzen und Hunden sind im Tierheim Siegen auf einer Fläche von zwei Hektar Zuhause. Aktuell sind es 80 Katzen und 50 Hunde. Mit den Vögeln und Kleintiere sind durchschnittlich 1000 Tiere vor Ort. Zu den 22 Angestellten, darunter drei Tierpfleger in zwei Vollzeitstellen, kommen circa 80 aktive Ehrenamtler. Als Gassi-Geher, Katzen-Schmuser oder Pflegestelle oder Helfer bei Aktionen und handwerklichen Einsätzen. Eine davon ist Jutta Müller.
Von Organisation, Spenden sammeln bis Tierpflege
Sie ist aber nicht nur die Frau, die Gassi geht und Hundekot entfernt, sie ist auch die, die sich ehrenamtlich um die wirtschaftliche Basis des Tierheims kümmert. „Das Tierheim braucht 800.000 Euro jährlich, um die Kosten zu decken. Wir sind ein gemeinnütziger Verein, wir brauchen Spenden.“ Deswegen kümmert sich die Siegenerin um Spenden oder Werbepartner. Preise für die Tombola bei Festen, Werbepartner für das Tierschutzmobil oder Futterspenden gehören dazu. Auch im Unternehmensnetzwerk BNI Peter Paul Rubens ist Jutta Müller für das Tierheim aktiv. Hier treffen sich regionale Geschäftsleute einmal die Woche, um mit neuen Kontakten mehr Umsatz zu erzielen. Ein Netzwerk, von dem die ehrenamtliche Helferin profitiert und das für ihre Aufgaben beim Tierheim sehr nützlich ist. „Darüber habe ich eine größere Reichweite, um Werbepartner zu finden.“
Ob am Infostand, beim Waffeln backen oder bei der Vorbereitung, die 59-Jährige ist immer dabei. Manchmal fährt sie auch selbst herum und sammelt die Futterspenden ein. „Ich bin hier immer am Wuseln.“ Im Futterlager sortiert sie die Spenden ein, nach Haltbarkeitsdatum. Während sie werkelt, klingelt ihr Handy. So geht es öfter. Dieses Mal geht es um die Regale, die sie sich vor ein paar Tagen angeschaut hat. Diese sollen von einer Ladenauflösung ins Tierheim gebracht werden. „Sollte ich mal ehrenamtlich aufhören, brauche ich eine neue Handynummer“, sagt Müller und lacht. 80 Prozent ihrer Anrufe seien wegen des Tierheims.
Jutta Müller widmet fast ihre ganze Freizeit dem Tierheim Siegen
In der „ruhigen Phase“, wie Jutta Müller es nennt, wenn kein Fest oder keine Aktion ansteht, sei sie wöchentlich drei bis vier Stunden im Tierheim, meist samstags. Wenn allerdings etwas Besonderes ansteht – zum Beispiel das große Sommerfest – „dann bin ich auch mal drei Tage die Woche für fünf, sechs Stunden da – je nach Aufwand auch noch mehr.“ Aber das ist nur die Arbeit vor Ort: Dazu kommt das wöchentliche Treffen der Unternehmer-Netzwerkgruppe, mit anschließenden Gesprächen sind das zwei bis drei Stunden die Woche. Plus fünf bis sechs Stunden Home-Office: „Recherche zu Firmen, Anfragen, Datenblätter für die Autowerbung. Das mache ich aber abends Zuhause, vor dem Fernseher.“
Ihre frühere Tätigkeit aus der Werbeagentur kommt ihr nun bei ihren Aufgaben für das Tierheim zu Gute: „Ich hatte viel mit Kunden zu tun, bin ein offener Mensch. Es fällt mir leicht, Leute anzusprechen.“ Andere Hobbys – außerhalb des Tierheims – hat Jutta Müller nicht mehr. „Ich bin mal Islandpferde geritten, aber heute mache ich das nicht mehr. Als Erstes kommt das Tierheim. Früher bin ich viel gereist, aber mit meinen zwei Hunden ist das weniger geworden.“ Jetzt widmet sie sich voll und ganz dem Tierheim. Aber warum macht die 59-Jährige das? „Die Tiere geben einem viel zurück. Wenn ich eine schlechte Phase haben, gehe ich zu den Tieren rein und kuschel mit ihnen. Tiere sind ehrlich. Wenn sie sich freuen, ist das wahre Freude“, sagt sie. „Deswegen mache ich das hier, ich kann mit Tieren etwas erleben und etwas Gutes tun.“ In ihrem Bekanntenkreis hat man Verständnis für ihr zeitaufwendiges Hobby, vielmehr steckt Jutta Müller mit ihrer Leidenschaft für die Tiere an: „Von meinen Freunden sind viele selbst aktiv geworden. Das ist das Schöne: Ich habe viel Kontakt zu anderen Ehrenamtlichen und man lernt neue Leute kennen. Das ist auch viel wert.“
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