Siegen. Selina Küßner arbeitet im Tierhem Siegen. Ihr Job ist viel abwechslungsreicher, als viele denken. „Jedes Tier hat eine Chance verdient“, sagt sie
Ein lautes Bellen erfüllt den Vorhof des Tierheims in Siegen. An den Zäunen, die den Hof teilweise einrahmen, springen Hunde hoch, machen Lärm und wedeln mit dem Schwanz. Einige kleine Vierbeiner laufen frei auf dem Platz herum und begrüßen freudig jeden, der an ihnen vorbeiläuft. Rechts vom Eingang des Tierheimes ist die Tierarztpraxis des Tierheims – der Hauptarbeitsplatz von Selina Küßner. Die gelernte Tierpflegerin hat 2018 ihre Ausbildung beim Tierheim abgeschlossen und arbeitet heute vor allem als Assistentin der Tierärztin. Vorher war sie lange Jahre im Katzenhaus eingeteilt.
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2015 beginnt Selina Küßner ihre Ausbildung zur Tierpflegerin in Siegen. Zuvor absolviert sie ein Jahrespraktikum beim Tierheim. „Es ist üblich, dass die Leute, die beim Tierheim die Ausbildung anfangen, erstmal eine Zeit hier freiwillig gearbeitet haben“, erzählt sie. Es kommt immer wieder vor, dass junge Menschen nach der Schule den Bundesfreiwilligendienst im Tierheim machen. „Viele, die hier herkommen, haben eine andere Vorstellung von dem, was wir hier machen. Die rechnen nicht damit, dass unsere Arbeit hier manchmal sehr hart sein kann“, sagt sie. Darum sei es wichtig, die jungen Leute erstmal kennenzulernen, bevor man ihnen einen Ausbildungsplatz anbietet. „Man merkt dann schnell, wer schon mal einen Besen in der Hand hatte und wer nicht.“ Trotzdem sind auch im Tierheim die Folgen des Fachkräftemangels zu spüren. Als Selina Küßner ihre Ausbildung beendet, bekommt sie nur mit Glück sofort eine Stelle in Siegen. Heute sei das wesentlich einfacher, denn Tierpfleger würden überall gesucht, sagt die 31-Jährige.
Der Alltag der Tierpfleger: „Es gibt immer Arbeit“
Der Arbeitstag im Tierheim beginnt meistens zwischen sieben und acht Uhr. Jeder Tierpfleger hat einen festen Bereich, dem er zugeordnet ist. Katzen, Hunde, Kleintiere, Nager oder Reptilien: in Siegen findet man Tiere ganz unterschiedlicher Art. Morgens bekommen sie Futter und Medikamente. Das kann einige Zeit in Anspruch nehmen. „Bei den Katzen ist das meistens mehr Arbeit, weil die eher zu Krankheiten neigen“, erklärt Selina Küßner. Danach werden die Tiere mehrmals am Tag gefüttert und die Gehege geputzt – abends werden nochmal Medikamente verteilt. In die Tierarztpraxis kommen den ganzen Tag über tierische Patienten. Zu den Routineaufgaben gehören Impfungen und Kastrationen – immer wieder haben sie aber auch größere oder kleinere Blessuren und Krankheiten. „Es gibt immer Arbeit, in der Praxis, aber auch in den Gehegen“, sagt die 31-Jährige.
„Man bekommt unglaublich viel von den Tieren zurück“, sagt Selina Küßner. Oft kommen Tiere an, die verwahrlost sind und denen es nicht gut geht. Im Tierheim werden sie dann aufgepäppelt. „Dabei ist es schön zu sehen, wie der Zustand der Tiere sich nach und nach verbessert und wir sie im Idealfall in ein schönes zu Hause vermitteln können.“ Doch die romantische Vorstellung, die viele Außenstehende von dem Beruf haben, stimme leider nicht ganz, sagt die 31-Jährige. „Eigentlich besteht die Arbeit zu 90 Prozent aus Putzen. Nur selten knuddeln wir mal mit den Tieren.“ In der Tierpflege hat man keine geregelten Arbeitszeiten – Überstunden sind an der Tagesordnung. „Wenn die Arbeit des Tages nicht fertig ist, dann kannst du auch nicht gehen“, erklärt die 31-Jährige.
Vermittlung von Tieren: „Schwarze Katzen eher nicht so beliebt“
Ein anderer großer Teil der Arbeit ist die Vermittlung der Tiere an Familien. Donnerstags und sonntags hat das Tierheim für die Öffentlichkeit geöffnet. Da können Interessierte vorbeikommen und sich die Tiere anschauen. „Im Katzenhaus ist an den Tagen immer die Hölle los“, sagt Selina Küßner. Ansonsten können Interessierte nur mit einem Termin ins Tierheim kommen. Die meisten Katzen sind nur wenige Monate im Tierheim, bevor sie eine Familie finden. Doch Tiere, die schwer zu vermitteln sind, gibt es auch. „Schwarze Katzen sind erfahrungsgemäß nicht so beliebt“, sagt die 31-Jährige. Die längste Bewohnerin des Katzenhauses ist seit vier Jahren zu Gast.
Einmal war ein Kater besonders schwer zu vermitteln. „Der war einfach nicht nett und hatte einen schwierigen Charakter“, sagt Selina Küßner. Nach einiger Zeit entschieden die Pfleger, den Kater in den Freilauf zu geben. Das ist der Flur des Katzenhauses, hier halten sich auch die Gäste auf. „Das machen wir manchmal bei Katzen, die schwer zu vermitteln sind, damit die Gäste eher auf sie aufmerksam werden“, erklärt Selina Küßner. Auch im Freilauf haut der Kater nach Menschen und benimmt sich schlecht. „Irgendwann kam dann ein junges Pärchen. Die haben sich sofort in den Kater verliebt. Warum, wissen wir nicht genau“, sagt die 31-Jährige. Die beiden nehmen den Kater mit. Wenig später erhält das Tierheim ein Foto von der Familie: Die Frau ist schwanger geworden und der Kater schläft friedlich auf ihrem kugelrunden Bauch. „Solche Bilder sind immer schön und zeigen: Jedes Tier hat eine Chance verdient. In einem schönen zu Hause können sie aufblühen.“
Die Weihnachtszeit und der Jahreswechsel sind immer besondere Zeiten für das Tierheim. „Vor Weihnachten vermitteln wir keine Tiere. Wir wollen nicht, dass sie als Weihnachtsgeschenke enden.“ Interessierte bekommen die Tiere dann erst im neuen Jahr. Trotzdem nimmt die Zahl der Tiere, die in Siegen abgegeben werden, um die Weihnachtszeit drastisch zu und auch das Feuerwerk an Silvester ist für die Tiere eine enorme Belastung. Platz für neue Tiere hat das Tierheim kaum noch. „Deswegen haben wir seit einiger Zeit einen Aufnahmestopp für Abgaben. Fundtiere nehmen wir trotzdem auf“, erklärt Selina Küßner. Seitdem Menschen ihre Tiere nicht mehr in Siegen abgeben können – so das Gefühl der 31-Jährigen – sind die Fundtiere mehr geworden. Setzen Haustierbesitzer ihre Tiere vermehrt aus, weil sie die auf einmal ungeliebten Vierbeiner im Tierheim nicht mehr loswerden? „Belegen kann ich das nicht, aber das ist mein Gefühl“, sagt Selina Küßner.
Mit der richtigen Einstellung ist die Tierpflege ein „Traumjob“
Für alle, die sich für eine Ausbildung in der Tierpflege interessieren, hat Selina Küßner ein paar Hinweise: „Man muss für den Beruf gemacht sein. Eine gewisse Liebe zu Tieren ist Voraussetzung.“ Das Argument, „man möchte lieber mit Tieren als mit Menschen arbeiten“, hat die 31-Jährige öfter gehört. „Dann sollte man lieber nicht im Tierheim anfangen. Wir haben viel mit Menschen zu tun, denn bei Vermittlungen wollen wir die Familien immer erst kennenlernen, bevor wir ihnen ein Tier mitgeben.“ Wenn man ein Herz für Tiere hat, vor harter Arbeit und Überstunden nicht zurückschreckt und verantwortungsbewusst ist, dann sei die Tierpflege ein echter Traumjob, sagt Selina Küßner.
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