Berlin. Schmetterlinge, wo sie nicht hingehören: Manche Menschen verlieben sich trotz Beziehung in andere. Wie geht man als Paar damit um?
Wie heißt es so schön: Das Herz will, was das Herz will – und manchmal eben nicht das, was es schon hat. So kommt es vor, dass Menschen Gefühle für einen Anderen entwickeln, obwohl sie bereits in einer festen Beziehung sind. In diesem Fall hat man sich fremd verliebt. Doch wann ist das ein Warnsignal? Und wie kann ein Paar aus einer solchen Situation gestärkt hervorgehen? Eine Psychologin und ein Paartherapeut gehen diesen Fragen auf den Grund.
Fremdverliebt? Kein Grund für Schuldgefühle
Wer sich in einer Beziehung in einen anderen Menschen verliebt, sollte sich nicht gleich von Schuldgefühlen überwältigen lassen. Die Psychologin Ilka Hoffmann-Bisinger aus Berlin rät zunächst zur Gelassenheit: „Starkes Interesse oder Verliebtheit in einen anderen Menschen ist nicht automatisch etwas Negatives, für das man sich schlecht fühlen muss.“ Denn Verliebtsein sei zunächst einfach ein positives Gefühl – die Fähigkeit, Begeisterung für einen anderen Menschen zu empfinden.
Auch für den Berliner Paartherapeuten Boris Laaser ist Verliebtsein ein natürlicher Gefühlszustand: „Verliebtsein ist wie ein Rausch. Wenn man diesen Zustand nüchtern betrachtet, merkt man schnell, dass man in diesem Moment nicht rational handelt“. Der Hormoncocktail, der beim Verliebtsein ausgelöst wird, sei eben nicht kontrollierbar.
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Warnsignale erkennen: Wann wird die Fremdverliebtheit gefährlich?
Gefährlich für eine bestehende Beziehung werde eine Fremdverliebtheit, wenn heimlich Pläne mit der neuen Person geschmiedet werden – zum Beispiel ein gemeinsamer Urlaub oder gar das Zusammenziehen, warnt Hoffmann-Bisinger. Ein weiteres Warnsignal sei die zunehmende Distanz in der Beziehung. „Wenn Paare nicht mehr miteinander reden und wichtige Themen unausgesprochen bleiben, entsteht ein emotionales Vakuum, das zu einer zunehmenden Entfremdung führt“, erklärt die Psychologin.
Die emotionale Abwesenheit sei auch ein klares Indiz dafür, dass sich ein Partner in einen anderen verliebt haben könnte. „Wenn man den Partner emotional nicht mehr erreicht und er bei Konflikten keine Versöhnung sucht, sondern das eigene Verhalten als Beweis dafür nimmt, dass man nicht der Richtige für ihn ist, sollte das zu denken geben“, so Hoffmann-Bisinger. Auch plötzliche Verhaltensänderungen wie starkes Abnehmen, gesteigertes Interesse an Sport oder eine auffällige Betonung des Äußeren – oft begleitet von unerklärlich guter Laune – können laut der Expertin auf eine Fremdverliebtheit hindeuten.
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Verliebt trotz Beziehung: Keine überstürzten Entscheidungen treffen
Aber wohin mit den Gefühlen? Wer kann Verliebtheit schon genießen, wenn er in einer festen Beziehung steckt? Statt impulsiv zu handeln und die Beziehung voreilig zu beenden, rät Paartherapeut Laaser zur Besonnenheit. „Es ist wichtig, zuerst das eigene Gewissen zu prüfen: Kann ich das verantworten, was ich mir da wünsche? Und was passiert, wenn die Verliebtheit vorbei ist?" Dabei sollte man sich auch fragen, welche Art von Beziehung man sich nach der intensiven Verliebtheit mit dem aktuellen Partner wünscht.
Psychologin Hoffmann-Bisinger schlägt außerdem vor, die Situation als Chance zu nutzen, um bewusst über die eigene Beziehung nachzudenken. „Wenn man sich sicher ist, in der bestehenden Partnerschaft bleiben zu wollen, kann man das Verliebtsein akzeptieren und loslassen, ohne es weiter zu verfolgen“, sagt sie. Wenn jedoch Zweifel an der Beziehung aufkommen, sollte man dies zum Anlass nehmen sich nochmal neu mit der eigenen Beziehung auseinanderzusetzen. „Fragen Sie sich, was Sie anders machen wollen und sprechen Sie offen mit Ihrem Partner darüber“, rät die Expertin.
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Fremdheit als Nährboden für Idealisierung
Denn wer sich verliebt, tut dies meist nicht ohne Grund. Der Paartherapeut Laaser erklärt: „Verliebtheit ist oft eine Phase intensiver Projektion“. In diesem Zustand würden eigene Wünsche, Sehnsüchte und unerfüllte Bedürfnisse auf die neue Person projiziert. Das führe zu einer idealisierten und oft verzerrten Wahrnehmung des anderen.
Gerade deshalb sei der Zauber der Verliebtheit besonders verführerisch, wenn die Unzufriedenheit mit der aktuellen Partnerschaft groß ist. „Wenn die eigenen Bedürfnisse in der Beziehung nicht mehr erfüllt werden, erscheint die neue Person als Verkörperung all dessen, was im Alltag fehlt“, so Laaser. Diese Idealisierung sei vor allem dann möglich, wenn man die neue Person noch nicht gut genug kenne – die Fremdheit lasse Raum für Phantasien und Sehnsüchte.
Eine zentrale Frage, die sich Betroffene stellen sollten, so der Paartherapeut, laute daher: "In was habe ich mich da eigentlich verliebt?" Denn in der Verliebtheit sähen die Betroffenen in der „fremden“ Person weniger das, was sie ist, als das, was sie selbst gerade schmerzlich vermissen und dringend brauchen.
Verliebt aus dem Gefühl des Verlusts
Verlieben wir uns also nur, wenn in unserer Beziehung etwas nicht stimmt? Psychologin Hoffmann-Bisinger weist darauf hin, dass der Grund in vielen Fällen tiefer liegt. So verlieben sich Menschen oft, wenn sie sich in ihrer Partnerschaft verloren haben. „Vielleicht trifft man sich nicht mehr mit der besten Freundin, weil der Partner eifersüchtig ist, oder man gibt Hobbys wie Surfen auf, weil der Partner lieber in die Berge fährt“, erklärt sie. Wenn das eigene Ich durch Konflikte und Kompromisse in den Hintergrund gerate, wachse die Sehnsucht, sich selbst neu zu entdecken.
Besonders in Lebenskrisen oder Zeiten des Umbruchs seien Menschen anfällig für Fremdverliebtheit, so die Psychologin. „In solchen Phasen wird man oft mit der Frage konfrontiert, was einem wirklich wichtig ist – und ist weniger bereit, weiter Kompromisse einzugehen“, so Hoffmann-Bisinger. Die Suche nach dem, was im Leben fehlt, könne dann die Tür zur Verliebtheit öffnen.
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Fremdverliebtsein als Hinweis auf eine unglückliche Beziehung
Fremdverliebtheit hat also keine „falschen Gründe“, sagt die Psychologin Hoffmann-Bisinger. Oft gebe es nachvollziehbare Motive, warum Menschen trotz Verliebtheit in der bestehenden Beziehung bleiben – sei es aus Angst vor dem Alleinsein, aus finanzieller Abhängigkeit oder aufgrund von gesellschaftlichem und familiärem Druck. Doch Hoffmann-Bisinger warnt: "Ob es auf Dauer gut ist, aus solchen Gründen in der Beziehung zu bleiben, muss jeder für sich selbst entscheiden." Ausschlaggebend sei, ob man bereit ist, die möglichen negativen Folgen einer Trennung zu tragen.
Paartherapeut Boris Laaser beobachtet, dass viele Menschen auch aus Loyalität oder Dankbarkeit an unglücklichen Beziehungen festhalten. Oft spielten dabei in der Kindheit erlernte Muster eine Rolle. „Wenn man miterlebt hat, wie sich die Eltern getrennt haben – oder auch nicht, obwohl es vielleicht besser gewesen wäre – beeinflusst das später die eigenen Entscheidungen“, erklärt Laaser. Er empfiehlt, sich bewusst mit den eigenen Identifikationsmustern auseinanderzusetzen, wie „So will ich es später machen“ oder „So will ich es nie machen“. Diese inneren Überzeugungen, so Laaser, beeinflussen oft unbewusst die Entscheidungsfindung.