Berlin. Trennungen sind oft schmerzhaft und konfliktbeladen. Doch achtet man auf einige Dinge, kann man selbst eine Scheidung gut durchstehen.
Dass Beziehungen und Ehen irgendwann zerbrechen, ist längst keine Seltenheit mehr. In Deutschland wurde im Jahr 2022 rechnerisch circa jede dritte Ehe geschieden. Durchschnittlich 15,1 Jahre dauerte die Ehe bis zur Scheidung. Das geht aus Berechnungen des Statistischen Bundesamtes hervor.
Hinter den nüchternen Zahlen verbergen sich eine Vielzahl von Geschichten – denn die Gründe, warum Partnerschaften auseinanderbrechen, sind so vielseitig, wie die Beziehungen selbst. Eine Beziehungsberaterin, ein Paartherapeut und ein Scheidungsanwalt verraten, was die größten Fallstricke bei einer Trennung oder Scheidung sind und welche Tipps sie Paaren auf ihrem Weg geben würden.
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Trennung – ab welchem Punkt die Ehe keine Chance mehr hat
Sich in guten wie in schlechten Zeiten zu lieben – das verspricht man sich üblicherweise bei einer Eheschließung und letztendlich ja auch, wenn man eine feste Beziehung eingeht. Doch gibt es einen Punkt, an dem die schlechten Zeiten zu viel, die guten zu wenig und die Trennung unvermeidbar werden? „Das lässt sich kaum pauschalisieren, das muss jeder für sich selbst herausfinden“, betont Wanja Kunstleben, Paartherapeut und Psychologe.
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Daniela van Santen, Beziehungscoach aus Hamburg, rät, sich selbst zu fragen: „Kann ich mir vorstellen, dass es so, wie es jetzt ist, noch die nächsten 20 Jahre weitergeht? Wenn nicht, sollte ich die Gründe dafür suchen und schauen, ob sich etwas ändern lässt – oder nicht.“ Vielleicht sei die Beziehung im Kern noch gut und man könne sich durch gemeinsame Beziehungsarbeit wieder aus der Krise retten. „Ehekrisen sind grundsätzlich total normal und kein Grund, direkt hinzuschmeißen“, erklärt die Expertin. Kunstleben zufolge sollte man versuchen, den Trennungsgedanken als Weckruf zu nutzen, um an der Beziehung zu arbeiten und den Partner vielleicht auch in seiner Sicherheit mit der Beziehung aufzurütteln – „um nochmal die Chance zu nutzen, für die Beziehung zu kämpfen.“
Van Santen ist dennoch der Ansicht, dass eine Trennung unvermeidbar werde, wenn es einen massiven Vertrauensverlust durch beispielsweise eine Parallelbeziehung oder eine Affäre gegeben hat, und die betrogene Person es nach Monaten nicht mehr hinbekommt, das Vertrauen wieder aufbauen zu können. Auch eine Beziehung unter ständiger Kontrolle, Misstrauen und Angst käme irgendwann zu ihrem Ende.
Trennung – so gelingt ein fairer Umgang miteinander
Ob eine Trennung und eine Scheidung letztendlich einvernehmlich und möglichst ohne Rosenkrieg verläuft, hängt mitunter von der Kommunikation zwischen den Partnern ab. Kunstleben und van Santen teilen ihre wichtigsten Tipps:
1. Ruhige Atmosphäre schaffen
„Paare sollten sich für Trennungsgespräche eine Situation suchen, in der sie Ruhe haben“, betont Daniela van Santen. „Die meisten Gespräche finden aus einer Wut heraus spontan statt und arten dann oft in schlimmen Streits aus.“ Wichtig sei, das Gespräch bewusst als Termin einzuplanen und nicht aus einem Konflikt heraus zu starten. Wer bereits wisse, dass das Gespräch emotional oder laut werden wird, sollte es bestenfalls nach draußen verlegen, rät die Expertin. Sie empfiehlt beispielsweise in ein Restaurant, ein Café oder eine Bar. „Das schafft eine neutrale Umgebung, in der man sich nicht einfach so leicht anschreien kann“, so die Expertin.
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2. Respekt für den anderen
Will man eine Trennung besprechen, brauche das zudem Respekt für den anderen Partner und dessen Gefühle. „Merke ich, dass er einen harten Tag hatte oder es ihm körperlich nicht gut geht, sollte das Gespräch auf einen besseren Zeitpunkt verlegt werden“, sagt van Santen.
Kunstleben ergänzt: „Verteufeln des Partners hilft niemandem weiter.“ Natürlich sei es in einer Trennung auch in Ordnung, Wut zu empfinden und mal die Tür zuzuschlagen. „Aber nach einer Weile sollte man wieder in der Lage sein, respektvoll miteinander zu sprechen“, betont der Paartherapeut. Dabei sei es wichtig, sich auch distanzieren zu können. „Das heißt, sich nicht in irgendwelche Täter-Opfer-Spielchen zu begeben und stattdessen zu versuchen, sich zwar mit den schmerzhaften Themen auseinanderzusetzen, aber immer wieder Abstand zu gewinnen und sich nach einem Gespräch Zeit zum Nachdenken zu geben“, so Kunstleben.
3. Nichts über Textnachrichten klären
Für Kunstleben gibt es zudem ein klares No-Go: „Ich rate davon ab, Themen über Textnachrichten klären zu wollen. Offene Gespräche sind das A und O.“ Trennen kann man sich laut des Experten nur richtig, wenn alle Auseinandersetzungen geführt und die Fronten geklärt werden. „Online kommt es meist zu Missverständnissen oder man ignoriert sich“, weiß Kunstleben aus Erfahrung.
Ehe scheiden: Das sind rechtliche Grundlagen
Um jeden Preis an einer eigentlich bereits gescheiterten Beziehung festzuhalten, sehen nicht nur die beiden Beziehungsexperten kritisch. „Da es heute rechtlich und auch gesellschaftlich einfacher ist als früher, sich aus einer Ehe durch eine Scheidung zu trennen, finde ich es ganz schrecklich, noch an einer Beziehung festzuhalten, wenn es nicht mehr klappt“, bekräftigt auch Scheidungsanwalt Jürgen Widder.
Dennoch weiß er, dass der Scheidungsprozess neben der emotionalen Belastung von vielen rechtlichen Fragen geprägt ist. Es gehe nicht nur um die formale Auflösung der Ehe, sondern auch um die Regelung von Unterhalt, der Aufteilung des Vermögens – und möglicherweise um Sorgerechtsfragen bei gemeinsamen Kindern, erklärt Widder.
In Deutschland regelt unter anderem das Familienrecht, das im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert ist, die Auflösung einer Ehe. Demnach darf eine Ehe nur geschieden werden, wenn sie als gescheitert gilt. Dafür müssen die Ehepartner zuerst ein sogenanntes Trennungsjahr einhalten, also ein Jahr getrennt voneinander leben. Für das Scheidungsverfahren geht es dann vor das Familiengericht. Ein Anwalt als rechtlicher Beistand ist dabei Pflicht.
Tipps vom Scheidungsanwalt: „Inhalte von Personen trennen“
Widder zufolge gebe es Paare, die wünschten sich eine harmonische Scheidung, würden dann jedoch von der Realität eingeholt: „Eigentlich wollen sie sich im Guten trennen und dann kommt während des Prozesses ein ‚aber‘“, so der Experte. Es gehe letztendlich bei einer Scheidung immer darum, wie viel Vertrauen ich darin habe, dass mein Partner noch ehrlich mit mir umgeht, insbesondere, was seine wirtschaftlichen Belange angeht. „Schwindet das Vertrauen, tut das auch der Wunsch nach einer einvernehmlichen Trennung“, so der Jurist. Seine Tipps für einen guten Scheidungsprozess:
1. Alternative Wege der Konfliktlösung suchen
Wenn man es nicht schaffe, mit dem Partner eine gemeinsame Linie bei einer Trennung zu finden, empfiehlt Widder im ersten Schritt vor dem Weg zum Anwalt noch weitere Anlaufstellen: etwa Eheberatungsstellen und Paartherapeuten. „Bevor Menschen mit dem Wunsch zu mir kommen, vor Gericht vertreten zu werden, ist meist schon viel emotionale Arbeit vorausgegangen“, erklärt er.
2. Langjährige Scheidungsverfahren kosten Nerven
Widder warnt: „Es macht was mit den Menschen, je länger und schwieriger ein Rechtsstreit ist.“ Das müsse man wissen, bevor man gegen seinen Partner vor Gericht vorgeht. „Da gehen Kraft und Nerven drauf und am Ende kommt vielleicht ein Ergebnis dabei heraus, das man auch schon vor dem langjährigen Rechtsstreit hätte haben können“, weiß der Jurist. Sein Rat: Man solle sich niemals der Illusion hingeben, dass es am Ende einen Sieger und einen Verlierer gebe. „Möglicherweise haben dann nur beide Parteien sehr viel Geld für den Prozess ausgegeben“, gibt Widder zu bedenken.
3. Persönliche Emotionen von sachlichen Aspekten trennen
Geht es um die Regelungen der Scheidung heißt es laut Widder oft: „Ich vertraue dir nicht, ich habe schon Hass, wenn ich dich nur sehe.“ Schaffe man es, sich über inhaltliche Punkte möglichst konkret zu unterhalten, sei das viel wert. „Finanzielle Angelegenheiten lassen sich ja auch durchrechnen – und sollten nicht mit negativen Assoziationen zu der Person verbunden werden“, so der Experte. „Passiert das, kann man nur versuchen, mit dem Betreffenden zu sprechen und zu fragen: Was macht dich da so wütend, warum kannst du nicht auf einer sachlichen Ebene verhandeln?“
4. Kinder nicht zur Verhandlungsmasse machen
Widder erlebt laut eigener Aussage häufiger, dass Kinder Verhandlungsmasse zwischen den Eltern werden, wenn es um Unterhaltsforderungen geht. Dann werde gesagt: „Du kriegst die Kinder nur zu sehen, wenn du anständig bezahlst.“ Solche Druckmechanismen zielten eigentlich auf den anderen Partner ab. Am Ende leiden darunter dann aber die Kinder, weil sie zum Spielball werden und meistens beide Elternteile sehen möchten. „Da muss man sich klar werden, wie man gemeinsam einen guten Weg und ein Modell zum Wohle der Kinder findet“, betont Widder.
Was eine gute Trennung ausmacht
Für den Anwalt bedeute eine gelungene Trennung nicht nur, dass alle rechtlichen und finanziellen Angelegenheiten geklärt sind, sondern auch, dass man emotionalen Frieden mit der Situation gefunden hat. „Es geht darum, akzeptieren zu können, dass die Beziehung vorbei ist und dass man nun die Möglichkeit hat, ein neues Kapitel im Leben aufzuschlagen“, fasst Widder zusammen. Kunstleben ergänzt: „Natürlich gibt es vielleicht Punkte, die einen verletzt haben oder die man sich anders gewünscht hätte. Aber haben beide Partner sich gut ausgesprochen, ist es leichter, den anderen immer noch mit Respekt zu behandeln.“
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