Den eigenen Hormonen komplett ausgeliefert: Die erste Verliebtheitsphase ist wahnsinnig schön – birgt aber auch Gefahren. Warum manche an Limerenz verzweifeln.

Schmetterlinge im Bauch, alles durch die rosarote Brille sehen, Gefühlskarussell: Es gibt etliche Ausdrücke für das, was Menschen in der allerersten Zeit der Verliebtheit erleben. Diese sogenannte Limerenz-Phase ist für die meisten – wen wundert's – wunderschön. Sie kann allerdings auch gefährlich werden. Wann das der Fall ist und was Betroffene tun können.

Verrückt vor Liebe: Die Limerenz-Phase kann auch zur Gefahr werden

Ein Wahnsinn, wie sehr man verliebt sein kann – so verlockend das auch klingen mag: Die Wortwahl ist kein Zufall, denn in der allersten Verliebtheitsphase spielen die Hormone mitunter derart verrückt, dass der gesunde Menschenverstand da schon mal in den Hintergrund rückt.

In dieser ersten Phase der Liebe seien viele Marionetten ihrer Hormone, sagt Paartherapeut und Single-Coach Eric Hegmann, "einige Menschen sind in dieser Zeit nicht einmal wirklich fahrtüchtig." Schuld seien körpereigene Botenstoffe, etwa PEA (Phenyleteylamine), eine Art selbst produziertes Amphetamin, das geradezu "high" machen und den Verstand je nach Veranlagung ausknipsen könne, wie eine Droge. Was auch hier immer noch geradezu niedlich klingt, kann aber Ausmaße annehmen, die nicht mehr gesund sind.

Die US-amerikanische Psychologin Dorothy Tennov hat bereits 1979 den Begriff "Limerenz" geprägt: Damals führte sie eine Studie zu dem Thema Verliebtheit durch, der das Buch "Love and Limerence – the Experience of Being in Love" folgte. Eine ihrer Aussagen dazu: "Wenn Limerenz mit voller Wucht zuschlägt, verdunkeln sich alle anderen Bereiche."

Was macht Limerenz zur Bedrohung?

Laut Eric Hegmann kommt die anfängliche Verliebtheit wie eine Naturgewalt angerollt: "Wenn das Gehirn nur noch an die begehrte Person denken kann, wenn das Herz rast und wenn wir allein nicht schlafen oder essen mögen." Limerenz beschreibe die Symptome: Aufregung, Neugierde, Grübeln, Schwärmen, Begehren und die Furcht vor Zurückweisung. "Kommt all dies zusammen", so der Experte, "ist Verliebtheit nicht mehr nur angenehm, sondern kann auch schmerzvoll sein." Leidenschaft habe eben auch mit Leiden zu tun.

Was viele in Ansätzen aus eigener Erfahrung noch kennen mögen, nimmt in der Ballung Formen an, die dazu führen können, dass Betroffene sich nicht mehr in der Lage fühlen, dem normalen Tagesablauf zu folgen. Sie schlafen und essen nur eingeschränkt, können nicht wirklich arbeiten und verfallen im schlimmsten Fall in eine Art Depression. Warum? Weil sich alles nur noch um das Objekt der Begierde dreht bei dieser "ultimativen, nahezu besessenen Form" des Verliebtseins, wie Dorothy Tennov es nennt.

Georg Harrell bezeichnet sich selbst als ehemaligen "Limerenz-Junkie". Er schreibt im Magazin "Beziehungsweise": "Wenn der Verstand im Rausch Kreise dreht, bleibt jede Urteilsfähigkeit orientierungslos." Wenn er nicht verliebt, also nicht im Rausch war, so der Autor, sei er regelrecht auf Entzug gewesen. "Verlieben war das Beste. Verlieben knallte richtig." Dieser Rausch sei zwar schön – gesund, sei das aber nicht.

Wie ein Betroffener dem Limerenz-Wahn entkam

Georg Harrell kam aus der Abwärtsspirale heraus, weil er sich bewusst dagegen entschieden hat. Und das sei gar nicht so schwierig gewesen, sagt er: Er sei einfach zum ersten Mal geblieben und nicht dem nächsten Kick nachgerannt. "Habe mich gegen die Wiederholung entschieden und stattdessen auf die Fortsetzung gesetzt." Sein Fazit: "Gipfel erklimmen ist anstrengend. Dieses Mal blieb ich auf der Ebene. Und plötzlich konnte ich ganz weit in die Ferne blicken. Ich konnte genießen, was ich rechts und links zum ersten Mal wahrnahm. Der Druck fiel ab. Ohne Ziel bereitete der Weg auf einmal Freude. Anhaltend."

Übrigens: Natürlich laufen bei weitem nicht alle Menschen Gefahr, Opfer eines nicht endenden Limerenz-Alptraums zu werden. Dorothy Tennov stellte in ihrer Studie fest, dass es eben auch Nicht-Limerenzler gibt. Heißt also: Neben denen, die in der ersten Verliebtheitsphase ferngesteuert und besessen von der oder dem Liebsten sind, existieren durchaus viele, die vielleicht wild und innig, aber nicht obsessiv und krankhaft lieben. Ein Glück!

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Quellen: beziehungsweise-magazin.de, eric-hegmann.de, gedankenwelt.de, spiegel.de