Berlin. Viele Beziehungen verstummen nach Jahren des Zusammenseins. Eine Expertin über die richtigen Gespräche, um die Liebe neu zu entfachen.

Es klingt zunächst wie eine gute Nachricht: Paare in Deutschland reden täglich immerhin 102 Minuten miteinander, also fast zwei Stunden am Tag. Doch die schlechte Nachricht: Die Gesprächsthemen sind erschreckend banal, wie eine Umfrage des Düsseldorfer Meinungsforschungsinstituts Innofact im Auftrag der einer Online-Partneragentur ergab. Thema Nummer eins sind demnach nicht Gefühle oder Zuneigung, sondern Einkäufe.

Die Umfrageergebnisse bestätigen, was viele Paare im Alltag selbst erleben: Je länger die Beziehung, desto weniger sprechen Paare über sich als Paar. Es dominieren Gespräche über Arbeit, Alltag und Kinder. Und manchen fehlt der Gesprächsstoff sogar ganz. Ein Grund zur Sorge? Das sagt eine Paartherapeutin.

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Ist Schweigen in der Beziehung ein Alarmzeichen?

Die Psychologin Aneta Morbacherova aus Berlin gibt vorerst Entwarnung: „Es ist ganz natürlich, dass sich Paare in der ersten Verliebtheitsphase oft mehr zu sagen haben als nach langen Beziehungsjahren“, so die Paartherapeutin. „Schließlich gibt es neben der eigenen Vergangenheit auch viel über den jeweils anderen zu erzählen“. Auch eigene Werte würden zu Beginn einer Beziehung abgeglichen, so die Expertin. Dann sorgen große Themen wie Vertrauen, Treue und mögliche Beziehungsmodelle sowie potenzielle Bindungsängste noch für ausreichend Diskussionsstoff.

Andererseits kann laut der Paartherapeutin in der Anfangsphase auch gemeinsames Schweigen in vielen Fällen sogar etwas Positives bedeuten, etwa wenn sich Paare bereits so vertraut sind, dass sie die Zweisamkeit genießen können, ohne miteinander reden zu müssen. Morbacherova gibt jedoch zu bedenken: „Es kann auch ein phasenweises Schweigen sein, wenn Paare beruflich stark eingespannt sind oder vorübergehend ein stärkeres Bedürfnis nach Zeit für sich haben.“

In jedem Fall sei es wichtig, sich zu fragen: Fühlt es sich gut an, schweigend Zeit miteinander zu verbringen, oder fühlt es sich schlecht an? „Das eigene Bauchgefühl kann ein guter Hinweis darauf sein, ob es sich um eine wohltuende Stille handelt oder um eine Stille, die auf Schwierigkeiten in der Beziehung hinweist“, sagt Morbacherova.

Beziehungskrise: Auf welche Probleme kann das Schweigen hinweisen?

Unangenehmes Schweigen könne zum Beispiel auf einen Mangel an intimen Gesprächen hinweisen, so die Paartherapeutin. Eine gute Kommunikationsbasis sei zwar die Grundlage jeder glücklichen Beziehung. Entscheidend sei aber nicht die Quantität, sondern die Qualität der Gespräche, so Morbacherova. Gerade an der Qualität werde in vielen Beziehungen gespart.

„Bei vielen Paaren erstickt die tägliche Routine den Austausch über Gefühle, Veränderungen und Einstellungen“, so Morbacherova. Meist werde nur noch über die Organisation des Alltags, die Arbeit oder die Kinder gesprochen. Die Gesprächszeit sei dann zwar hoch, aber für den Austausch über die eigentliche Beziehung bleibe wenig Zeit, bestätigt die Expertin die Umfrageergebnisse.

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Wenn beide Parts im Rückzugs-Modus sind, geht keiner auf den anderen zu. © iStock | blackCAT

Wann wird fehlende Kommunikation zur Belastung für die Beziehung?

Dieses Schweigen auf emotionaler Ebene kann laut der Paartherapeutin auf Dauer zu einer Distanz führen, die in einer Art Sprachlosigkeit mündet. Viele langjährige Beziehungen scheitern an diesem „Verlust der Aufmerksamkeit, indem man immer mehr aneinander vorbeilebt und immer weniger Einblick in das Seelenleben des Partners bekommt“, wie Morbacherova erklärt.

Nicht selten liege das an den unterschiedlichen beruflichen Tätigkeiten oder persönlichen Erfahrungswelten, die jeweils eigene Aufgaben und Herausforderungen mit sich bringen. „Wenn hier das Verständnis für den anderen fehlt und das Interesse am Gegenüber verloren geht, erschwert das oft das gemeinsame Gespräch“, warnt Morbacherova.

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In den meisten Fällen tappen Paare aber auch in die Falle, sich zu gut zu kennen. „Mit zunehmender Dauer der Beziehung glauben Paare oft, eine klare Vorstellung davon zu haben, wer ihr Partner ist“, sagt Morbacherova. „Die Folge ist, dass der Wunsch nach Austausch und Zeit, den Partner besser kennenzulernen, entsprechend abnimmt“, so die Paartherapeutin. So könne es passieren, dass Paare nach mehreren Jahren feststellen, dass sie den Partner, mit dem sie Tag für Tag Zeit verbringen, eigentlich gar nicht mehr kennen.

Wie kommen Paare wieder miteinander ins Gespräch?

Um in solchen eingefahrenen Situationen ins Gespräch zu kommen, sollten Paare wieder Interesse füreinander entwickeln und sich „neu kennen lernen“, wie es Morbacherova beschreibt. Diese sollte keine einmalige Sache sein, sondern am besten immer wieder passieren. Morbacherova nutzt das Bild eines Funksignals, das überprüft: Kenne ich die Seelenwelt meines Partners? Was sind seine Sehnsüchte, seine Hobbys, seine Ängste, seine Frustrationen?

Außerdem rät die Paartherapeutin: „Wenn Paare sich die Zeit nehmen, ihre Gefühle in Worte zu fassen und offene Fragen zu stellen – also Fragen, die nicht nur mit ‚Nein‘ oder ‚Ja‘ beantwortet werden können, sondern eine ausführliche Antwort verlangen –, dann entstehen intime Dialoge“.

Mögliche Fragen, die Experten betroffenen Paaren empfehlen, sind etwa:

  • Was hast du heute ohne mich erlebt?
  • Welcher Moment hat dich heute mir Freude erfühlt?
  • Was hast du heute gelernt, das du nie mehr vergessen möchtest?
  • In welchem Moment mit mir fühlst du dich am wohlsten?
  • Was sind aktuell die wichtigsten Punkte auf deiner Bucket List?
  • Was bereitet dir momentan die größte Angst?
  • Wann hast du zuletzt geweint und warum?

Wie bedeutend und wichtig solche intimen Gespräche sind, zeigt auch eine repräsentative Studie der University of Arizona, die untersucht hat, wie glückliche Paare miteinander reden – und vor allem: worüber sie reden. Dazu wurden 486 Personen befragt. Das Ergebnis: Verbal bleibt man in einer funktionierenden Partnerschaft kaum an der Oberfläche. Nur etwa zehn Prozent der Gespräche fallen unter die Rubrik „Small Talk“. Bei weniger glücklichen Menschen sind es dreimal so viele.

Es zeigt sich also: In glücklichen Beziehungen werden viel mehr tiefe und intensive Gespräche geführt, fasst Mitautor Matthias Mehl in einem Bericht zur Studie zusammen. Thematisch, das zeigt die Auswertung, geht es dabei etwa um Kindheitserinnerungen, peinliche Momente, frühere Beziehungen und Ängste, aber auch die Frage: Wie stellen wir uns die Zukunft vor?