Berlin. Kremlchef Putin beschießt die Ukraine mit einer neuen Hyperschallrakete und warnt den Westen in düsteren Worten. Wie weit wird er gehen?
Der jüngste russische Beschuss der Ukraine hat die Welt aufgeschreckt. Was steckt hinter den Nukleardrohungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin?
Warum befindet sich der Ukraine-Krieg in einer neuen, gefährlicheren Phase?
Es ist eine neue Stufe von Eskalation und Gegen-Eskalation – Ende offen. Lange gab es in den USA und in Europa Konsens, der Ukraine den Einsatz weitreichender westlicher Waffen für Ziele tief in Russland nicht zu erlauben. Damit sollte eine direkte Kriegsbeteiligung der Nato verhindert werden.
Am Sonntag gestattete US-Präsident Joe Biden den Ukrainern die Verwendung amerikanischer Atacms-Raketen mit einer Reichweite von rund 300 Kilometern. Biden begründete dies als Reaktion auf die „Eskalation Russlands“: Rund 10.000 nordkoreanische Soldaten kämpfen in der russischen Region Kursk an der Seite von etwa 40.000 russischen Kräften, um die Ukrainer zu vertreiben.
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Zwei Tage nach Bidens Entscheidung beschossen die Ukrainer mit Atacms-Raketen ein Waffenlager in der russischen Grenzregion Brjansk. Einen Tag später griffen sie mit britischen Marschflugkörpern vom Typ Storm Shadow einen russisch-nordkoreanischen Kommandopunkt in der Region Kursk an.
Am Donnerstag feuerte Russland eine neu entwickelte Mittelstreckenrakete auf die ukrainische Großstadt Dnipro ab. Dort schlugen sechs Sprengköpfe ein. Das neue System Oreschnik arbeite mit Hyperschallgeschwindigkeit und könne nicht abgefangen werde, sagte der russische Präsident Wladimir Putin.
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Wie droht Putin der Ukraine und dem Westen?
Der russische Präsident stellt bewusst die Gefahr eines Weltkriegs in den Raum: Mit dem Einsatz von westlichen Raketen gegen russisches Territorium habe der Ukraine-Krieg „Elemente eines globalen Charakters“ angenommen. Jenen Ländern, die der Ukraine erlauben, ihre Raketen für Attacken gegen Russland einzusetzen, drohte Putin mit Angriffen. „Im Fall einer Eskalation aggressiver Handlungen werden wir entschieden spiegelbildlich handeln.“ Es ist eine klare Warnung vor einer Europäisierung des Ukraine-Krieges. Dahinter steckt ein eindeutiges Stoppsignal, keine weiteren weitreichenden Waffen an die Ukraine zu liefern.
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Mit dem Hinweis, dass die Rakete auf Dnipro nicht mit Atomsprengköpfen bestückt gewesen sei, bringt Putin eine mögliche nukleare Eskalation ins Spiel. Der Militärexperte Fabian Rene Hoffmann von der Universität Oslo deutet die russische Perspektive so: „Was sie uns heute sagen wollen, ist: Schaut her, gestern gab es noch keine nukleare Sprengladung. Aber wenn ihr weitermacht, könnte der nächste Schlag mit einem Atomsprengkopf kommen.“
Putins scharfe Drohkulisse befindet sich in Einklang mit der neuen russischen Atomdoktrin. Darin behält sich Russland vor, auf Attacken nicht nuklearer Staaten wie der Ukraine, die von Atommächten wie den USA unterstützt werden, nuklear zu antworten.
Was bezweckt der Kremlchef damit?
Die Drohungen sind vor allem an die Europäer gerichtet. Sie sollen durch die Warnung vor Attacken auf das eigene Land von der Lieferung weitreichender Waffen an die Ukraine abgehalten werden. Diese sind eine Gefahr für russische Flugplätze und Munitionsdepots, von wo aus die Ukraine angegriffen wird.
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Ob der russische Präsident im Extremfall tatsächlich die Atommächte Großbritannien und Frankreich attackieren würde, ist zweifelhaft. Er pokert mit seiner Einschüchterungsoffensive hoch und setzt auf die Kriegsmüdigkeit der westlichen Gesellschaften. Dass Putin an der ganz großen Eskalation kein Interesse hat, zeigt sein Signal Richtung Amerika. Die US-Regierung wurde 30 Minuten vor dem Einsatz der neuen Mittelstreckenrakete gegen die Ukraine informiert.
Hat Moskau auch den deutschen Wahlkampf im Blick?
Die Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, kommt in Moskau gut an. Der russische Außenminister Sergej Lawrow lobte Scholz‘ Position am Rande des G20-Gipfels als „verantwortungsvoll“ und kritisierte gleichzeitig Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz und die Grünen. Fest steht: Den Russen ist Scholz lieber als der lange Zeit als möglicher SPD-Kanzlerkandidat gehandelte Boris Pistorius, der sich für die „Kriegstüchtigkeit“ Deutschlands starkmacht.
Was ist Putins Endspiel?
Der russische Präsident sieht sich durch die stetigen Frontgewinne im Donbass im Aufwind. An Verhandlungen mit dem Ziel, den Konflikt einzufrieren, hat er kein Interesse. Putin betrachtet sich durch zwei geopolitische Faktoren gestärkt: die strategische Partnerschaft mit der aufsteigenden Weltmacht China sowie die zweite Amtszeit von US-Präsident Donald Trump. Der Kremlchef baut darauf, dass Trump die Militärhilfe für die Ukraine radikal herunterfährt oder einstellt.
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Laut unbestätigten Berichten der ukrainischen Nachrichtenagentur Interfax Ukraine plant Russland, Trump ein Angebot zu machen. Nach den Meldungen, die sich auf Geheimdienstquellen in Kiew berufen, soll die Ukraine nach einem Waffenstillstand oder Friedensabkommen in drei Teile aufgeteilt werden. Demnach würden „neue Regionen Russlands“ die ukrainischen Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson umfassen. Die Krim wäre völkerrechtlich eine autonome Republik Russlands. Der zentrale Teil rund um Kiew könnte ein von Moskau kontrollierter Satellitenstaat werden. Über die westlichen Regionen soll zwischen Russland und den Nachbarstaaten Ungarn, Polen und Rumänien entschieden werden.