Berlin. Im Februar soll es Neuwahlen geben. Doch die Opposition könnte Kanzler Scholz schon früher stürzen. Wie das – theoretisch – möglich wäre.
Das Aus der Ampel ist besiegelt: Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz Finanzminister Christian Lindner entlassen hat, ist das Bündnis Geschichte. Nun regieren SPD und Grüne als Minderheitsregierung – allerdings nur, bis Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage stellt. Sollte diese scheitern, sollte ihm also nicht die Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag das Vertrauen aussprechen, würde es zu Neuwahlen kommen.
Da den verbliebenen Koalitionspartnern von SPD und Grünen eine Mehrheit im Parlament fehlt, scheint es wahrscheinlich, dass Deutschland wie geplant im Februar 2025 ein neues Parlament wählt. Doch schon vorher könnte Scholz gestürzt werden – durch ein konstruktives Misstrauensvotum. Was steckt dahinter? Der Vorgang einfach erklärt.
Konstruktives Misstrauensvotum: So kann der Bundeskanzler gestürzt werden
Einleiten können ein konstruktives Misstrauensvotum die Abgeordneten des Bundestags. Die Besonderheit: Es reicht nicht, dem Kanzler nur das Vertrauen zu entziehen. Nur, weil eine Mehrheit im Parlament sich gegen den Regierungschef ausspricht, ist dieser noch nicht gestürzt. Die Abgeordneten müssen auch einen neuen Kanzlerkandidaten mit absoluter Mehrheit wählen.
Zwischen dem Misstrauensantrag, den mindestens ein Viertel der Abgeordneten unterstützen muss, und dem Votum, müssen 48 Stunden liegen. Während dieser Frist kann der Bundeskanzler versuchen, das Parlament noch von seinem Kurs zu überzeugen, oder einen Kompromiss zu finden.
Stimmt die Mehrheit der Abgeordneten für die Absetzung des Bundeskanzlers und den neuen Kandidaten, dann gilt das Misstrauensvotum als gültig. Bedeutet: Das Abstimmungsergebnis muss um mindestens eine Stimme über der Hälfte aller Abgeordneten liegen. Damit müssten mindestens 367 Abgeordnete dem Kanzler das Misstrauen aussprechen und gleichzeitig einen Gegenkandidaten wählen. Stimmenthaltungen und Nicht-Teilnahmen zählen wie Nein-Stimmen.
Spricht das Parlament dem Kanzler das Misstrauen aus, muss der Bundespräsident den Kanzler erlassen und den neu gewählten Nachfolger ernennen. Das macht das Misstrauensvotum „konstruktiv“ – es geht in die neue Bundesregierung über.
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Warum „konstruktiv“?
Die Erfahrungen aus der Weimarer Republik hatten gezeigt: Ein Misstrauensvotum ohne Gegenvorschlag lässt sich von politischen Gegnern der Regierungspartei(en) – oder der Demokratie – leicht missbrauchen. Im Reichstag ließen sich Mehrheiten ohne Regierungswillen bilden, deren einziges Ziel es war, die Reichsregierung zu stürzen oder zu destabilisieren. Damit war der Reichstag handlungsunfähig, Staatskrisen programmiert.
Dem begegneten die Mütter und Väter des Grundgesetzes nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem sie ein konstruktives Misstrauensvotum in das Grundgesetz schrieben.
Scholz stürzen? Darum ist ein Misstrauensvotum fast ausgeschlossen
Konkret bedeutet das: Im Bundestag müsste sich eine Mehrheit zusammentun, die für einen anderen Bundeskanzler stimmt. Dafür sind Koalitionen nötig. Da sich mutmaßlich weder Grüne noch SPD daran beteiligen würden, blieben für eine Zusammenarbeit die Union, die FDP, die AfD, die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht.
Da keine der anderen Parteien mit der AfD koalieren will, scheidet sie für ein Bündnis aus. Selbst wenn alle übrigen Abgeordneten sich zusammenschließen würden, hätten sie nur 325 Stimmen – zu wenig, um einen neuen Kanzler oder eine neue Kanzlerin zu wählen. Dass es tatsächlich zu einem konstruktiven Misstrauensvotum kommt, scheint daher ausgeschlossen.
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