Berlin. Die ehemalige Grünen-Chefin spricht im Podcast über die Spielregeln in der Politik, ihren Rücktritt – und die Reaktion von Robert Habeck.

Die frühere Grünen-Chefin Ricarda Lang hat junge Frauen ermutigt, trotz aller Widerstände in die Politik zu gehen. Sie wolle „wirklich nicht, dass meine Erfahrungen gelesen werden als ein ‚Oh, da hat es mal jemand probiert, ist gescheitert, schade, schlimm‘“, sagte sie im Podcast „Meine schwerste Entscheidung“. Es wäre für sie das Schlimmste, wenn ihr Rücktritt von der Parteispitze eine Entmutigung für junge Frauen wäre.

Lang räumte allerdings ein, dass sich junge Frauen zunehmend fragten, ob sie sich eine Laufbahn in der Politik antun wollten. Dauernd in der Öffentlichkeit zu stehen – das bedeute mittlerweile, nicht mehr nur da fotografiert zu werden, wo man es erwarte, „sondern im Zweifelsfall nachts im Zug, morgens bei der Bäckerschlange, überall“, sagte sie. Es gebe eine wahnsinnige Häme im Umgang der politischen Partner untereinander, gerade auch im Netz, und eine große Empörungskultur. Sie kenne viele, die sich fragten, wie hoch der Preis sei.

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#8 Ricarda Lang über ihren Rücktritt, Humor und alte Männer

Meine schwerste Entscheidung

Lang beklagte, dass in der Politik für Frauen Spielregeln aufgestellt seien, „bei denen wir nur verlieren können, weil wir sollen eigentlich sein wie alte Männer“, so die 31-Jährige. „Aber gleichzeitig sollen wir bitte auch authentisch und individuell und wir selbst sein.“ Nach ihrem Rücktritt sei ihr klar geworden, dass man die Spielregeln ändern müsse, „wenn man ein bestehendes Spiel eigentlich gar nicht gewinnen kann“.

Ihren Rücktritt als Grünen-Chefin im Herbst vergangenen Jahres habe sie „keinen einzigen Tag“ bereut. Die Entscheidung selbst aber sei hart gewesen: Die Tage nach der verlorenen Brandenburg-Wahl im September beschrieb Lang als „eine Phase, in der ich viel geweint habe“. In dieser Zeit sei ihr Ehemann Florian Wilsch eine emotionale Stütze gewesen. „Ich habe auch mit ihm natürlich darüber geredet, was er richtig, was er falsch findet, auch für unser gemeinsames Leben.“

Riccarda Lang (l) spricht im Podcast mit Julia Emmrich (M) und Jochen Gaugele (r) über ihren Rücktritt als Grünen-Chefin.
Riccarda Lang (l) spricht im Podcast mit Julia Emmrich (M) und Jochen Gaugele (r) über ihren Rücktritt als Grünen-Chefin. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Lang betonte, dass der Rücktritt aus freien Stücken erfolgt sei. Ihr Co-Vorsitzender Omid Nouripour und sie hätten den Vizekanzler und späteren grünen Kanzlerkandidaten Robert Habeck am Abend vor der offiziellen Verkündung über die Entscheidung informiert, so Lang. „Er hat sich natürlich bedankt für die Arbeit. Er hat das zur Kenntnis genommen.“ Auf die Nachfrage, ob Habeck tatsächlich nicht an der Entscheidungsfindung beteiligt gewesen sei, antwortete sie: „Genau.“

Seit dem Rücktritt nehme sie sich mehr Zeit – auch für sich selbst. Sie habe mit Pilates angefangen, ein alter Traum von ihr sei auch, wieder mit dem Reiten zu beginnen. „Ich bin als Kind geritten und das wäre eigentlich sowas, was ich unfassbar gerne wieder machen würde. Aber das ist natürlich ein wahnsinnig zeitintensiver Sport.“

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Einen Rückzug aus den Sozialen Medien könne sie sich nicht vorstellen. Es sei „eine Möglichkeit, relativ unmittelbar mit Menschen in Kontakt zu kommen“. Plattformen wie X (vormals Twitter) prägten mittlerweile einen Teil der Öffentlichkeit. Als Politikerin wolle sie nicht sagen, „ist mir egal, wo ihr euch informiert, ich kommuniziere nur da, wo ich Bock drauf habe“. Auf massive Attacken im Netz reagiere sie mit Anzeigen: „Wenn mir Leute im Detailliertesten schreiben, wie sie mich vergewaltigen und umbringen wollen, dann sind das Dinge, wo ich finde, da muss sich niemand dran gewöhnen.“

Den Podcast „Meine schwerste Entscheidung“ können Sie hier hören und auf allen gängigen Streaming-Plattformen wie Spotify, Apple Podcast und Amazon Music. Neue Folgen erscheinen jeden zweiten Donnerstag. Bisher veröffentlicht:

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