Ramstein. Der ukrainische Präsident Selenskyj ist in Deutschland und erklärt, wie er den Krieg beenden will. Pistorius sagt derweil neue Waffen zu.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist ungeduldig und besorgt, aber er lässt sich nichts anmerken. Zum ersten Mal seit Beginn des Ukraine-Krieges ist Selenskyj am Freitag zum US-Stützpunkt Ramstein gereist, wo Verteidigungsminister aus rund 50 westlichen Staaten regelmäßig über Militärhilfen für die Ukraine beraten. Danach trifft er sich mit Kanzler Olaf Scholz in Frankfurt.
Für den Präsidenten geht es um viel: Der Ukraine-Krieg ist in einer kritischen Phase, die ukrainische Armee braucht dringend Nachschub: „Wir kämpfen mit einem Minimum an Waffen“, sagt Selenskyj in Ramstein. Seine Wunschliste ist lang: mehr Flugabwehr, vor allem vom Typ Patriot, mehr Kampfjets, mehr Munition, gepanzerte Fahrzeuge, Artillerie, auch Systeme zur elektronischen Kriegsführung.
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Deutschland wird 12 weitere Panzerhaubitzen liefern
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) macht umgehend eine große Zusage: Deutschland wird der Ukraine zwölf weitere Panzerhaubitzen 2000 im Wert von 150 Millionen Euro liefern. Sechs der modernen Artilleriegeschütze mit einer Reichweite von mehr als 30 Kilometern würden noch in diesem Jahr geliefert, sechs weitere im nächsten Jahr, sagt der Minister in Ramstein.
Aber viel wichtiger ist jetzt dies: Selenskyj drängt auf freie Hand für Angriffe mit weitreichenden westlichen Waffen auch in Russland – eine Forderung, die bislang vor allem die USA und Verbündete wie Deutschland blockieren. Doch auf deutschem Boden erklärt Selenskyj, was er damit im Sinn hat: „Wir tragen den Krieg nach Russland – damit Putin bereit ist, Frieden zu suchen.“
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Offensive in Kursk wird zum militärischen Wagnis
Operationen wie jetzt der Angriff auf die russische Region Kursk dienten dem Frieden: „Denn so zwingen wir die russische Seite, Frieden zu wollen“. Immer wieder spricht Selenskyj vor den Verteidigungsministern von Frieden, den die Ukraine wolle, bisher aber der russische Präsident Wladimir Putin nicht. Allerdings hatte Putin vor wenigen Tagen überraschend selbst die Bereitschaft zu Friedensverhandlungen erklärt auf der Basis jener Verhandlungsergebnisse, die Moskau und Kiew kurz nach Kriegsbeginn in Istanbul erzielt hatten. Geht das ukrainische Kalkül auf?
Ausführlich lobt Selenskyj die Offensive auf die russische Region Kursk, in der die ukrainischen Soldaten 1300 Quadratkilometer besetzt hätten, was wichtig sei auch für die Moral der Soldaten. Das taktische Ziel der Ukraine, mit der Kursk-Offensive russische Kräfte auf ihrem Territorium zu binden und damit die Front im Donbass zu schwächen, ist bislang aber nicht aufgegangen, die Offensive wird zum militärischen Wagnis: Die Kiewer Führung fürchtet, Russland könnte nun neue Fronten in der Ukraine eröffnen.
Putin hat bisher nur einen Teil seiner Truppen aus dem Osten der Ukraine in Richtung Kursk verlegt. Er setzt eher auf neue Angriffe im Donbass. „Putin zeige damit sein wahres Gesicht“, klagt Selenskyj: Statt sich um die Sicherheit seines Territoriums zu kümmern, setze er die Offensive im Donezk fort, um noch mehr ukrainisches Gebiet zu besetzen. „Putin kümmert sich nicht um sein Land und seine Leute“, sagt der Präsident.
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Selenskyj fordert mehr Luftabwehr-Systeme
Für Selenskyj ist die Konsequenz klar: „Wir brauchen Langstrecken-Raketen auch zum Einsatz auf russischem Gebiet, damit Russland ein Motiv hat, Frieden zu suchen.“ Die russischen Schläge werden nach diesem Plan unmöglich, „wenn es uns möglich wird, ihre Abschussrampen, Militärflugplätze und Logistik zu vernichten.“
Nach Schätzungen amerikanischer Militäranalysten vom „Institute for the study of war“ könnten etwa mit den von den USA gelieferten Raketen-Systemen ATACMS etwa 250 militärische Ziele in Russland getroffen werden, wenn Washington sein Okay geben würde: neben 17 Flugplätzen auch große Militärstützpunkte, Kommunikationsstationen, Logistikzentren, Treibstofflager und Munitionsdepots. „Ukrainische Langstreckenschläge gegen russische Militärziele im Rücken Russlands sind entscheidend, um die militärischen Fähigkeiten Russlands im gesamten Kriegsgebiet zu schwächen“, so die Analyse.
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Doch bislang gibt es wenig Anzeichen, dass die USA und wichtige Verbündete ihre Zurückhaltung aufgeben könnten und der Ukraine freie Hand gewähren – aus Sorge, der Konflikt könne dann gefährlich eskalieren. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin äußert sich in Ramstein dazu erstmal nicht, lobt aber die ukrainischen Erfolge und kündigt immerhin ein neues US-Sicherheitspaket im Umfang von 250 Millionen Dollar an – eine Reaktion auf den russischen Angriff auf die Stadt Poltawa, bei dem über 50 Menschen ums Leben kamen. Der Schlag wäre nicht passiert, wenn die Ukraine bessere Möglichkeiten zur Verteidigung gehabt hätte, klagt Selenskyj.
Ukraine fordert mehr F-16-Kampfjets
Die zugesagten Sicherheitspakete müssten jetzt ohne Verzögerung auf dem Schlachtfeld ankommen; bislang sei eine bedeutende Zahl von Luftabwehr-Systemen noch nicht geliefert worden. Der Präsident fordert mit Nachdruck, mehr für die Stärkung der ukrainischen Luftabwehr zu tun.
Die Ukraine brauche zudem eine größere Flotte an F-16-Kampfjets, bisher seien nur wenige geliefert worden. Später am Tag kommt Selenskyj mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Frankfurt zusammen. Deutschland ist zwar nach den USA zweitgrößer Unterstützer der Ukraine – doch das Treffen wird überschattet von dem Plan der Bundesregierung, die Militärhilfen für die Ukraine von rund 7,5 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 4 Milliarden Euro 2025 zu kürzen.
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