Berlin. Die AfD-Jugendorganisation gilt als gesichert rechtsextrem, Tabus kennt sie kaum – und der Parteispitze fällt die Abgrenzung schwer.
Die Junge Alternative (JA) macht gerne Krawall. Auch Anna Leisten lässt sich für Instagram mit einem Megafon ablichten, dabei lächelt sie in die Kamera. Um sie ist nachträglich ein weißer Kreis gelegt worden, in blauen Lettern steht dort TEAM #REMIGRATION, unten ist ein Flugzeug abgebildet. „Kein Bock mehr auf Geheimpläne?“, fragt sie im Kommentar zum Bild. „Dann komm ins Team Remigration und bekenne dich offen zu dem Geh-Heim-Plan!“
Anna Leisten ist Mitglied des Bundesvorstandes der Jungen Alternative, der Jugendorganisation der AfD. Erst vor Kurzem urteilte ein Kölner Gericht, die Einstufung der Jungen Alternative als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ durch den Verfassungsschutz sei rechtmäßig. Am Dienstag und Mittwoch muss das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) klären, ob diese Einschätzung rechtens ist. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Radikalisierung der AfD-Jugendorganisation, die seit ihrer Gründung vor fast elf Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat.
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In einer kürzlich erschienen Studie hat Anna-Sophie Heinze, Politikwissenschaftlerin an der Universität Trier, die Entwicklung und Rolle der Jungen Alternative ausführlich betrachtet. „Die Junge Alternative trat von Anfang an radikaler auf als die AfD“, sagt Heinze dieser Redaktion. Kein Wunder also, dass sie mit dem Skandal um das Geheimtreffen von Rechtsextremen und AfD-Mitgliedern in Potsdam, auf dem die millionenfache Abschiebung von Menschen mit Migrationshintergrund besprochen worden sein soll, einen offenen Umgang pflegt. Ganz anders als die Parteiführung.
„Junge Alternative trat von Anfang an radikaler auf als AfD“
Tatsächlich hätten vor allem die moderaten Mitglieder der AfD, wie etwa Parteigründer Bernd Lucke, die Junge Alternative, die sich nur vier Monate nach der Mutterpartei gründete, zunächst eher skeptisch gesehen. Bis zur offiziellen Anerkennung als Jugendorganisation der AfD dauerte es zwei Jahre. Die Entscheidung fiel nach dem Essener Parteitag im Juli 2015. Dieser gilt laut Heinze unter Parteienforschern als Wegmarke, bei der klar wurde, dass die radikalen Kräfte in der AfD überwiegen.
Insofern war die Anerkennung auch ein Zeichen für die zunehmende Radikalisierung in der AfD, die danach – auch das geht aus der Studie hervor – unter anderem von der JA weiter vorangetrieben wurde. Mit der Anerkennung gewann die Jugendorganisation an Einfluss innerhalb der Partei. Als eine Art Kaderschmiede entsendete sie ihre Mitglieder auch für die AfD in den Bundestag: Sebastian Münzenmaier etwa oder Jan Wenzel Schmidt waren Mitglieder der Jungen Alternative.
Ein JA-Mitglied, das Heinze für ihre Studie interviewte, gab sogar an, politische Inhalte wie das radikale Rentenkonzept der AfD würden aus der Feder der Jungen Alternative stammen. Ob diese Behauptung tatsächlich so zutrifft, lässt sich kaum überprüfen. Dennoch liegt für Heinze nahe, dass JA-Mitglieder, die häufig auch als Mitarbeiter für AfD-Abgeordnete arbeiten, Einfluss auf die Programme nehmen können.
Junge Alternative gewinnt junge Menschen für die AfD
Daneben erfüllt die Junge Alternative laut Heinze aber auch die klassischen Aufgaben einer Parteijugendorganisation. Sie mobilisiere und sozialisiere junge Menschen mit der Parteiideologie und repräsentiere auch die jungen Mitglieder in den Parteigremien. Besonders in den sozialen Medien seien JA-Vertreter sehr erfolgreich. Zusätzlich helfe der AfD das bloße Vorhandensein einer Jugendorganisation, um ein bürgerliches Image zu bekommen.
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Doch dieses Image gefährdet die JA zunehmend auch – denn immer wieder sorgen Vertreter der Jugendorganisation für Schlagzeilen. Verbindungen zur rechtsextremen Identitären Bewegung, zu rechten Burschenschaften und die Beobachtung durch den Verfassungsschutz sind nur ein paar Beispiele.
Die Abgrenzung von extremistischen Positionen und Mitgliedern sei ein zentraler Konflikt zwischen JA und der AfD gewesen, so Heinze. Die Partei habe zuerst vorsichtig reagiert und sich distanziert. Inzwischen beobachtet die Politologin einen Strategiewechsel: Mit Blick auf ein mögliches Verbotsverfahren der AfD und der Beobachtung der Jungen Alternative hätten JA und AfD sich eher darauf verständigt, den Verfassungsschutz zu delegitimieren und sich als Opfer zu inszenieren.
Werden sich JA und AfD noch weiter radikalisieren?
Auffällig werden Mitglieder der Jungen Alternative nach wie vor. Anna Leisten wurde für ein „White Power“-Symbol von der AfD abgemahnt. Gegen den 22-jährigen Daniel Halemba, der eine steile Parteikarriere bis in den bayrischen Landtag durchlief, wird wegen Volksverhetzung ermittelt. Er soll „Sieg Heil“ in ein Gästebuch geschrieben haben. Die JA kündigte zunächst eine Solidaritätsdemonstration für Halemba an, sagte diese dann aber doch ab. Gegen ihn läuft ein Parteiausschlussverfahren.
Heinze geht allerdings nicht davon aus, dass sich AfD und JA noch weiter radikalisieren werden, sie hätten vermutlich ihr Maximum erreicht. „Wenn sich diese Organisationen in eine zu extreme Richtung bewegen, dann können sie nicht mehr so viele Menschen erreichen“, erklärt die Politologin. Auch weitere Distanzierungen der AfD von ihrer Jugendorganisation erwartet Heinze nicht. Dafür seien die personellen Verknüpfungen inzwischen zu eng.
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