Berlin. Viele Menschen sehen in der AfD eine Gefahr für die Demokratie. Die Partei hatte aber mal andere Ziele. Ihre Geschichte im Steckbrief.
- Die Alternative für Deutschland gibt es seit dem Jahr 2013
- Die einstige „Professorenpartei“ hat sich seither zu einer in Teilen rechtsextremen Partei entwickelt
- Von ihrer Gründung bis heute: Das ist die Geschichte der AfD
Sie ist eine junge, aber längst bundesweit relevante Partei in Deutschland: die selbsternannte Alternative für Deutschland (AfD). Seit ihrer Gründung 2013 hat sie sich im deutschen Parteienspektrum etabliert – ist inhaltlich dabei immer weiter nach rechts gerückt und hat den politischen Diskurs nachhaltig geprägt und polarisiert. Das ist die Geschichte der Partei.
AfD: Erst Euroskeptiker, dann Rechtspopulisten
Die AfD wurde im Frühjahr 2013 von Wirtschaftsprofessoren und Journalisten gegründet. Unter den ersten Mitgliedern waren der Ökonom Bernd Lucke, der Journalist Konrad Adam und der Jurist Alexander Gauland, die zuvor in der CDU aktiv gewesen waren. Ursprünglich entstand die Partei als Reaktion auf die Eurokrise und positionierte sich als wirtschaftsliberale und euroskeptische Kraft.
Sie forderte unter anderem eine Auflösung des Euro-Währungsgebiets und eine Wiederherstellung der nationalen Währung oder die Einführung von kleineren und – ihrer Meinung nach – stabileren Währungsverbünden. Die Gründungsmitglieder betrachteten den Euro als fehlgeschlagenes Experiment, das die deutsche Wirtschaft gefährdete. Schon zu diesem Zeitpunkt warnten erste Beobachter vor engagierten Rechtsaußen-Politikern innerhalb der Partei.
Mit der Zeit kam es schließlich zu einer politischen und ideologischen Verschiebung innerhalb der Partei. Die anfänglich zentralen wirtschaftspolitischen Fragen wurden von nationalen und identitätspolitischen Themen überschattet, wobei Einwanderung und nationale Identität zunehmend in den Vordergrund traten. Dieser Wandel ist eng verbunden mit der sogenannten Flüchtlingskrise 2015, die zu starken politischen Spannungen in Deutschland führte.
Partei | Alternative für Deutschland (AfD) |
Gründung | 6. Februar 2013 |
Ideologie | Rechtspopulismus, Nationalkonservatismus, EU-Skepsis |
Vorsitzende | Tino Chrupalla und Alice Weidel (Stand: Januar 2025) |
Fraktionsstärke | 76 Abgeordnete im Bundestag (Stand: Januar 2025) |
Bekannte Mitglieder | Jörg Meuthen (ehemals), Alexander Gauland, Björn Höcke |
AfD: Mit gezielten Tabubrüchen auf Erfolgskurs
Die AfD positionierte sich dabei migrationskritisch, provozierte mit islamfeindlichen und zum Teil rassistischen Äußerungen und übte vehement Kritik an den Entscheidungen der Bundesregierung und an der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Für Aufsehen sorgte 2016 Frauke Petry, zu diesem Zeitpunkt Bundesvorsitzende der Partei, als sie forderte, Migranten notfalls mit Schusswaffen vom Grenzübertritt abzuhalten.
Trotz – oder vielleicht auch gerade wegen – solcher Aussagen gewann die AfD zunehmend an Zustimmung. 2017 zog sie mit einem Zweitstimmenanteil von 12,6 Prozent erstmals in den Bundestag ein. 2018 war sie schließlich Teil aller deutschen Landesparlamente. Mit gezielten Provokationen und konservativen bis populistischen Positionen, aber auch rechten und rassistischen Äußerungen fand die Partei ihren Platz am rechten Rand des politischen Spektrums.
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Rechtsruck um jeden Preis: Die AfD streitet um ihre Ausrichtung
Zweimal in ihrer Geschichte hatte die AfD bereits mit schweren inneren Zerwürfnissen zu kämpfen, in denen sich die nationalkonservativen, einwanderungskritischen Elemente der Partei – der später aufgelöste „Flügel“ – gegen gemäßigtere Parteigliederungen behaupten konnten. Erstmals war dieser Richtungskampf 2015 eskaliert, als auf dem Parteitag in Essen Frauke Petry gegen Parteigründer Bernd Lucke um den Posten des Parteisprechers kandidierte – und gewann. Lucke, der die AfD gerne in die Regierungsverantwortung geführt hätte, war damit erledigt; er verließ die Partei.
Die AfD, am Rand des Zusammenbruchs, erholte sich in den Monaten danach von dem ideologischen Zwist, maßgeblich, weil Alice Weidel eine innerparteiliche Debatte um ein Grundsatzprogramm anstrengte. Die Partei trat nach deren Ende offen rechtspopulistisch auf und bediente vor allem ein Thema: Migration.
Der Richtungsstreit war damit aber nicht beigelegt; bei den Landtagswahlen 2016 in Baden-Württemberg kam es zu einer vorübergehenden Spaltung der Fraktion über ein von Bundessprecher Jörg Meuthen angestoßenes Parteiausschlussverfahren gegen den Antisemiten Wolfgang Gedeon.
Im Jahr darauf kam es auf Bundesebene wieder zum Konflikt, als die Parteispitze um Frauke Petry versuchte, den „Faschisten“ Björn Höcke loszuwerden. Diesmal war es aber unter anderem Jörg Meuthen, der gegen den Versuch, Höcke wegen ideologischer Nähe zum Nationalsozialismus auszuschließen, opponierte. Am Ende war es Petry, nicht Höcke, die Schaden nahm. Die AfD machte sie nicht zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, Höcke durfte in der Partei bleiben. Petry verließ die AfD wenig später.
AfD in den Bundesländern: Gefahr für den demokratischen Prozess
Seither tritt die Partei nach außen überwiegend geeint auf – und schöpft daraus neue Stärke. Die AfD erreichte 2024 in drei Landtagswahlen die 30-Prozent-Marke; in Thüringen ist sie Partei stärkste Kraft im Parlament, erstmalig in der Parteigeschichte. Ihre neue Macht wollte die vom Landesverfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestufte Partei gleich mal austesten: Alterspräsident Jürgen Treutler versuchte, eine Abstimmung über einen Antrag zur Geschäftsordnung zu verhindern. Verfassungsrechtler sehen darin eine Verletzung der Abgeordnetenrechte, der Thüringer Verfassungsgerichtshof schritt ein und beendete das Chaos schließlich.
Kritik an der AfD – auch von ehemaligen Mitgliedern
Kritik an der AfD gibt es seit ihrer Gründung. So beschrieb der Migrationsforscher Klaus J. Bade in der „Zeit“ im November 2013 die Gefahr eines „sanften Populismus“ aus der Mitte der Gesellschaft, der seine Heimat in der AfD gefunden habe. Zunehmend werde die Partei von „Kulturpanikern und Fremdenfeinden“ infiltriert. Bade sollte recht behalten.
Kritiker werfen der AfD heute vor, immer weiter nach rechts abgerutscht zu sein und zum Teil nicht mehr "auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung" zu stehen, wie es der ehemalige Parteivorsitzende Jörg Meuthen anlässlich seines Parteiaustritts formulierte. Über die Jahre gab es mehrere ehemalige Führungskräfte der Partei, die diese wegen einer zunehmenden Radikalisierung verlassen haben.
- Bernd Lucke war von 2013 bis 2015 einer von drei Bundesvorsitzenden – sogenannten Bundessprechern – der AfD. Er verließ die Partei nach seiner Abwahl im Jahr 2015 aufgrund einer zunehmenden Radikalisierung und einer Verschiebung hin zu ausländerfeindlichen Positionen.
- Frauke Petry war von 2015 bis 2017 Teil der AfD-Spitze. Sie verließ die Partei direkt nach der Bundestagswahl 2017 und begründete ihren Austritt mit einem Rechtsruck der Partei und mangelnder Distanzierung von rechtsextremistischen Positionen und Mitgliedern.
- Jörg Meuthen hatte von 2015 bis 2022 das Amt des Bundessprechers inne. Er verließ die Partei 2022 – unter anderem, weil er in ihr "ganz klar totalitäre Anklänge" sehe.
Aktuell stehen Tino Chrupalla und Alice Weidel als Bundessprecher an der Spitze der AfD. Beide führen auch die AfD-Fraktion im Bundestag. Beide können auf einige Erfolge zurückblicken: Nicht nur ist die AfD bei Landtags- und Europawahlen eine starke Kraft geworden, auch wollen immer mehr Menschen Mitglied in der Partei sein. Waren es im Juli 2022 noch rund 28.600 Mitglieder, stand die AfD im Juni 2024 bei 48.000 – und erwartete, bald die 50.000er-Marke zu knacken.
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Die AfD ist ein Fall für den Verfassungsschutz
Eine der wohl umstrittensten Persönlichkeiten innerhalb der AfD ist Björn Höcke. Er war 2015 an der Gründung des sogenannten "Flügels", einer rechtsextremen und inzwischen formal aufgelösten aber informell weiter einflussreichen Gruppierung innerhalb der Partei, beteiligt. Höcke gilt als Vertreter der "Neuen Rechten" und wird vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft und überwacht.
Auch die AfD als Ganzes rückt seit einigen Jahren – unter anderem wegen Verbindungen zur extremen Rechten – zunehmend in den Fokus des Verfassungsschutzes. So gilt die Partei inklusive einiger Landesverbände als rechtsextremistischer Verdachtsfall und wird nachrichtendienstlich überwacht. Ihre Jugendorganisation gilt den Behörden als "gesichert rechtsextremistisch", die Landesverbände in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ebenfalls.
Gegen die Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall geht die AfD seit 2019 juristisch vor. Zuletzt entschied das Oberverwaltungsgericht Münster allerdings am 13. Mai 2024, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die Partei so einstufen darf und attestierte der AfD unter anderem, sie verfolge Bestrebungen, die sich gegen die Menschenwürde bestimmter Gruppen und gegen das Demokratieprinzip richten.
Eine Entscheidung über die Einstufung der Partei als „gesichert rechtsextrem“ war eigentlich für Ende 2024 erwartet worden. Doch mit den vorgezogenen Bundestagswahlen erscheint eine solche Neubewertung seitens des Verfassungsschutzes nun unrealistisch, da sie so kurz vor der Wahl als Versuch der Wahlbeeinflussung gewertet werden könnte.
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AfD-Verbot: Bundestag soll abstimmen
Trotz der Bemühungen des Verfassungsschutzes und des Urteils von Münster gibt es über ein Verbotsverfahren geteilte Meinungen. Kritiker halten den Erfolg eines solchen Verfahrens für nicht ausgemacht, fürchten, die AfD würde eher gestärkt und argumentieren, man müsse die Partei inhaltlich stellen. Sie verweisen auch auf die beiden gescheiterten Versuche, die NPD zu verbieten.
Auf der anderen Seite steht – stellvertretend für eine ganze Reihe von gesellschaftlichen Organisationen und Politikern – eine fraktionsübergreifende Gruppe von 113 Abgeordneten, die im November 2014 eine „Antrag auf Entscheidung des Deutschen Bundestages über die Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der ‚Alternative für Deutschland‘“ vorlegte.
Der Bundestag soll also darüber abstimmen, ob das Bundesverfassungsgericht über ein Verbot der AfD entscheiden soll oder mindestens darüber, ob die AfD von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen wird. Bislang ist offen, ob diese Abstimmung noch vor der vorgezogenen Bundestagswahl 2025 stattfindet.