Berlin. Immobilien sind teuer – können sich aber auch bezahlt machen. Wie eine Familie aus Hamburg mit ihrem Haus 100 Euro pro Stunde verdient.
- Filme, Serien und Werbespots werden nicht immer in Kulissen gedreht
- Mitunter entstehen die Aufnahmen auch in ganz normalen Häusern
- Sandra Polli-Holstein hat sich das zu Nutze gemacht
Wenn im Fernsehen alle paar Minuten Werbung läuft und Rasierer für seidig-glatte Haut oder günstige Bausparverträge angepriesen werden, macht Sandra Polli-Holstein es wie die meisten Menschen: Sie zappt weg. Eigentlich. Doch in diesen Tagen wartet die 53-Jährige geradezu auf die Werbepausen.
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Genau genommen auf den Spot eines bestimmten großen Energiekonzerns – denn der spielt in ihrem Wohnzimmer. Sandra Polli-Holstein ist Motivgeberin: Sie vermietet ihr Haus nahe Hamburg mit seinen 1000 Quadratmetern Grundstück, Pool und Sauna an Filmproduktionen.
Drehortvermietung: Mit diesen Locations können Sie Geld verdienen
Auf die Idee, ihr Heim für Drehs zur Verfügung zu stellen, kam die gebürtige Schweizerin über eine befreundete Fotografin, die in ihrem Garten ein Fotoshooting veranstaltete. „Ich war überrascht, wie viele das machen“, erzählt Sandra Polli-Holstein. Sie selbst hat als ehemalige Musical-Darstellerin Kontakte ins Theater und liebt solche Projekte. Also stellte sie ihr mitsamt Fotos und Beschreibung auf der Webseite der Scouting-Agentur Luricky ein.
Die Agentur vermittelt Filmlocations an Produktionsfirmen. Als Drehort kommen viele Objekte infrage, wie Luricky-Mitbegründer Fabian Raab erklärt: „Von der schicken Bauhaus-Villa bis zum WG-Zimmer wird alles gebraucht, egal ob nagelneu und modern, heruntergekommen oder einfach bodenständig.“ Die Fotos im Exposé sind besonders wichtig, um den Produktionen einen möglichst guten Eindruck vom Objekt zu vermitteln.
Mietvertrag: Motivgeber sollten sich absichern
Wenn eine Location gefällt, wird ein Mietvertrag zwischen Produktion und Motivgeber geschlossen. „Es war schon ein gewisser Aufwand“, erinnert sich Sandra Polli-Holstein. Bilder von der Garage und der Auffahrt mussten nachgereicht, die Einzelheiten des Drehs ausgehandelt werden.
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„Man sollte nach Möglichkeit alle Eventualitäten im Vertrag einkalkulieren“, so die Motivgeberin. Von Überstunden über Schadenersatz bis hin zur Reinigungspauschale für den Teppich in der Diele, über den immerhin täglich eine Filmcrew von 20 bis 30 Personen marschierte.
Neue Möbel, Requisiten: Das kommt beim Dreh auf Motivgeber zu
Welche Produktionen man in sein Haus lassen möchte und in welcher Größe, wird im Vorfeld festgelegt. Bestimmte Eigenschaften machen eine Location besonders „charmant“, so Fabian Raab: „Der Ort muss eine gewisse Größe haben, denn so ein Drehteam kann aus bis zu 50 Leuten bestehen.“ Gibt es Toiletten für die Crew, ausreichend Parkplätze, Stromanschlüsse? Vorteilhaft sei es auch, wenn die Crew ihr schweres Equipment nicht ohne Aufzug in den vierten Stock schleppen muss.
Bei Polli-Holsteins wurde nur im Untergeschoss gedreht und Wohnzimmer, Schlaf- und Badezimmer zu Set, Garderobe und Maske umfunktioniert. Das Obergeschoss hatten Sandra und ihr Mann weiter für sich und mussten nicht etwa in ein Hotel ziehen. Auch das hätten sie aber der Produktionsfirma in Rechnung stellen können.
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„Kleinere Produktionen wie Social-Media-Drehs oder Musikvideos sind oft an einem Tag gemacht“, gibt Fabian Raab zu bedenken. „Wenn man einen größeren Film dreht, können es schon ein paar Wochen werden.“ Eine Drehortvermietung müsse deshalb zu den Lebensumständen des Motivgebers passen. „Im Idealfall bringt man auch eine gewisse Flexibilität mit“, empfiehlt Sandra Polli-Holstein. Gedreht wurde bei ihnen an drei Tagen im Oktober vergangenen Jahres, jeweils von 8 bis 18 Uhr. Hinzu kamen je ein halber Tag für die Begehung vorab, den Auf- und Abbau.
Diese Dinge sollte man vorm Dreh besser wegräumen
Weil sie dem Familienhund den Trubel ersparen wollte und es ohnehin gerade passte, fuhr Sandra Polli-Holstein selbst über die Drehtage in Urlaub. Nicht aber, ohne vorher für die Filmcrew Platz im Kühlschrank geschaffen und einmal hinter dem Sofa vorgesaugt zu haben. Wer seine vier Wände als Drehort anbietet, muss damit rechnen, dass umdekoriert wird oder Möbel weichen müssen.
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„Die Familienfotos blieben stehen, aber wirklich Privates sollte man wegräumen“, rät Sandra Polli-Holstein. Etwa die Ordner mit den Bankunterlagen oder, wenn Kinder unter den Schauspielern sind, auch die Dinge im Nachttisch, die nicht für die neugierigen Augen eines Siebenjährigen bestimmt sind.
Ein anderer Couchtisch auf einem anderen Teppich, mehr Pflanzen, neue Stühle am Esstisch: Das Wohnzimmer der Familie wirkte an den Drehtagen wie umgekrempelt, die eigenen Möbel wurden entweder beiseitegeschoben oder übergangsweise eingelagert. „Ob man es überhaupt noch als das eigene Haus erkennt?“, fragt sich die Besitzerin, die den Spot selbst noch nicht gesehen hat.
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Die aufwendigste Requisite stand – sehr zur Verwunderung der Nachbarschaft – vor dem Haus: „Da wurde kiloweise Kies angeliefert, auf dem eine Wärmepumpe drapiert wurde, als würden wir damit heizen.“ Bis das Kiesbett wieder fachmännisch zurückgebaut wurde, habe es etwas gedauert.
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„Die Produktionsfirma war aber extrem darauf bedacht, alles so zu hinterlassen, wie sie es vorgefunden hat.“ Zwei Mitarbeiter erhielten gar die undankbare Aufgabe, mit Pinzetten die übrigen Kieselsteine aus dem Pflaster zu pulen. „Mein Mann hat ihnen dann gesagt, dass sie das nicht machen müssen“, lacht Sandra Polli-Holstein.
Experte: „Man kann mit der Vermietung gutes Geld verdienen“
Und hat sich der Aufwand gelohnt? An die 100 Euro pro Stunde und je die Hälfte für Auf- und Abbau und Begehung können Motivgeber verlangen. Bei eintägigen Drehs eine Monatsmiete, so lautet der Richtwert in der Branche. „Die Vermietung ist eher eine einmalige oder seltene Sache als ein regelmäßiges Nebeneinkommen, aber wir würden es definitiv wieder machen“, so das Fazit der Polli-Holsteins.
„Man kann mit der Vermietung gutes Geld verdienen“, bestätigt auch Fabian Raab. Am Ende sei es aber reine Verhandlungssache und eine Frage des Budgets der Produktion. Auch auf das Objekt kommt es an: „Es gibt Villen, die perfekte Drehbedingungen bieten, für die am Tag 4000 Euro bezahlt werden.“ Bei anderen Objekten und wenn der Aufwand entsprechend gering ist, so der 46-Jährige, seien es eher zwischen 500 und 1500 Euro.
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Wann ihr Spot genau herauskommt, weiß Sandra Polli-Holstein noch nicht. Weitere Anfragen gab es für ihr Haus bisher nicht, als Motivgeber muss man geduldig sein. Mit dem großen Garten sei ihr Haus aber ohnehin eher eine Sommerlocation. „Wobei, wenn es schön geschneit hat, könnte man da draußen auch einen Weihnachtsmarkt aufstellen …“