Washington. Sogenannte Junk Fees kosten US-Bürger pro Jahr rund 60 Milliarden Dollar, auch Urlauber sind betroffen. Die Regierung kann nichts tun.
Dieser Urlaub wäre beinahe in einem finanziellen Desaster geendet: Justin M. aus Washington wollte während der Herbstferien für sich und seine Frau eine Wohnung in Siesta Key an Floridas Golfküste buchen. 225 Dollar pro Nacht war der ausgewiesene Preis. Damit wäre der junge Anwalt fast exakt bei dem Budget von 1500 Dollar angelangt, die er für eine Unterkunft direkt am Strand ausgeben wollte. Dann bei der Zahlung die faustdicke Überraschung: Ein Blick auf den kleiner gedruckten Endpreis zeigte, dass das Online-Mietportal VRBO ihm fast das Doppelte, nämlich über 2800 Dollar, abverlangen wollte.
„Total irreführende Werbung“, schimpft Justin, der mit seiner Frau stattdessen in einem Hotel blieb. Der Grund für die Preisverzerrung: Neben der Miete selbst sowie Steuern wurden eine „Service-Gebühr“ von 313 Dollar sowie weitere 643 Dollar für eine „Gastgeber-Gebühr“ in Rechnung gestellt. Welche Gegenleistungen dafür erbracht werden, ist unklar. Justin glaubt es aber zu wissen: „Für das Geld wird absolut nichts getan, das ist ein betrügerischer Trick, um den Preis weiter aufzublähen“.
- Verkehr: Wallbox fürs E-Auto kaufen? Experten warnen vor böser Falle
- Geld: Abfindung im Job kassieren? Diese Tipps sind bares Geld wert
- Altersvorsorge: Rente & Elternzeit – Ab welchem Einkommen Sie Verlierer sind
Ob es die Buchung von Unterkünften ist, der Kauf diverser Tickets oder die Kontoführung bei einer Bank: Überall in den USA bekommen Verbraucher sogenannte „Junk Fees“, also „Schrottgebühren“ zu spüren. Dabei ärgert es Konsumenten gerade in einer Ära hoher Inflation, wenn Kunden mit Lockangeboten geködert und später mit versteckten Gebühren schockiert werden, die den Preis kräftig hochschrauben. Nachdem ein von US-Präsident Joe Biden vorgeschlagenes Gesetz, das „Junk Fees“ verbieten würde, im Sande verlaufen ist, will dem nun die Kartellbehörde Federal Trade Commission (FTC) einen Riegel vorschieben.
USA: Versteckte Gebühren lauern für Verbraucher überall
Die Gebühren bekommen Verbraucher in jedem Lebensbereich zu spüren: Sie beginnen mit einfachen Transaktionen bei der Bank und reichen über den Kauf von Karten für ein Konzert oder Sportereignis bis hin zur Urlaubsplanung. So können auf dem Ticketportal StubHub zwei Plätze für ein Spiel der NFL Profiliga der Footballspieler oder der NBA Basketballer mit einem Preisschild von je 200 Dollar angeboten werden. Bei der Reservierung werden wie üblich der Name des zahlenden Kunden, dessen Adresse und dann die Kreditkartennummer angefordert.
Lesen Sie auch:Kanada warnt Schwule, Lesben und trans Menschen vor USA
Klein gedruckt und unscheinbar dann eine Offerte, die den wahren Preis verrät: „Zahlen sie bequem in vier monatlichen Raten von jeweils 148 Dollar“. Unterm Strich kosten die Karten also knapp 600 Dollar, fast 50 Prozent mehr als der angezeigte Preis. Besonders tückisch: Mit welchem Betrag die Kreditkarte belastet wird, bekommt nur zu sehen, wer vorher den Filter „Preis inklusive aller Gebühren“ einstellt. Noch dreister ist die irreführende Preispolitik bei VRBO, einem der führenden Portale zur Buchung von Mietunterkünften. Denn Justins Erlebnis ist keine Ausnahme, sondern der Regelfall.
Dort können vier Nächte in einer Privatwohnung zu je 95 Dollar inklusive der diversen Gebühren fast das Doppelte der 380 Dollar kosten, die man auf ersten Blick vermuten würde. Alles andere als zurückhaltend sind auch Banken. Anstatt eine Transaktion abzulehnen, die zur Überziehung des Kontos führen würde, genehmigen sie den Kauf und stellen dann postwendend 30 bis 35 Dollar in Rechnung. Wie die US-Verbraucherschutzbehörde CFPB errechnet hat, kassieren Banken jedes Jahr rund 15 Milliarden Dollar an Überziehungs- sowie anderen willkürlichen Gebühren – und haben diese bereits fest in ihr Geschäftsmodell integriert.
US-Bürger haben bislang mehr als 12.000 Beschwerden eingereicht
Obwohl Umfragen zufolge drei Viertel aller US-Bürger Regeln unterstützen würden, die „Schrottgebühren“ zu verbieten, ist der tief gespaltene Kongress bisher außerstande gewesen, Bidens „Junk Fee Prevention Act“ in Gesetzesform zu gießen. Nun wollen aber einzelne Behörden gegensteuern. So hat die Federal Communications Commission (FCC) angeordnet, dass Anbieter von Breitband-Diensten vor Vertragsabschluss sämtliche Gebühren offenlegen. Auch verlangt das CFPB von Banken, dass sie Gebühren streichen, die Kunden für Informationen über das eigene Konto abverlangt werden.
Im Gegensatz zur FCC und dem CFPB spielen die Bemühungen der Kartellbehörde Federal Trade Commission (FTC) nicht auf einzelne Branchen ab, sondern sollen Junk-Gebühren in der gesamten Wirtschaft einen Riegel vorschieben. Werden neben Banken, Ticket-Maklern und Mietportalen für Ferienwohnungen auch Fluggesellschaften, Autohändler, Kabelnetzbetreiber und andere Entertainment-Angebote berücksichtigt, dann zahlen Verbraucher nach Schätzungen des Weißen Hauses jedes Jahr mehr als 64 Milliarden Dollar an versteckten Gebühren, denen keine konkrete Gegenleistung gegenübersteht.
Die Behörde hat Konsumenten, die bisher mehr als 12.000 Beschwerden eingereicht haben, aufgefordert, weitere Erlebnisse zu schildern und Verbesserungsvorschläge zu machen. „Viel zu oft werden Verbraucher von unerwarteten, unnötigen Gebühren geplagt, durch die es schwieriger wird, das beste Produkt zum besten Preis zu finden“, sagt FTC-Chefin Lina Khan. Sie hält mit ihrer Kritik an Firmen, die irreführende Taktiken anwenden, nicht hinterm Berg. „Diese Unternehmen ziehen arbeitenden Familien jedes Jahr Summen in zweistelliger Milliardenhöhe aus der Tasche, weil bisher niemand etwas dagegen unternommen hat.“ Khans Vorsatz fürs neue Jahr: Endlich ein neues Regelwerk zur Eliminierung der Schrottgebühren umsetzen zu können.