Siegen. Haya Jaber aus Syrien arbeitet ehrenamtlich im DRK-Kleiderladen in Siegen. Für die Architektin ist soziales Engagement aus vielen Gründen wichtig.
Ein Freund ihres Mannes hatte ihr den DRK-Kleiderladen in der Hammerstraße 10 in Siegen empfohlen, erzählt Haya Jaber. Aber in diesem Fall nicht für den Einkauf, sondern als Ort für ehrenamtliche Arbeit. Seit mehr als drei Monaten ist die junge Syrerin nun Teil des Teams. Montag ist ihr fester Tag, sie springt aber auch sonst schon mal ein, wenn es erforderlich wird. „Ich möchte Menschen helfen, so gut ich kann. Und ich möchte der deutschen Gesellschaft etwas zurückgeben, denn ich bekomme hier viel Unterstützung“, sagt die 26-Jährige.
+++ Immer auf dem Laufenden mit WhatsApp: Hier geht‘s zum Kanal der Lokalredaktion Siegen +++
In Syrien hat sie ein Architektur-Studium abgeschlossen, berichtet sie, im kommenden Jahr möchte sie an der Universität Siegen mit dem Master beginnen. Das sei auch der Plan ihres Mannes, eines Bauingenieurs. Vor drei Jahren habe sich das Paar zu diesem Schritt entschieden und sich darauf vorbereitet, Deutsch gelernt, sich informiert. Schnell war auch klar, dass beide sich ehrenamtlich engagieren wolle, sagt Haya Jaber – und das nahm sie vor Ort rasch in Angriff. Nach einem Jahr Zwischenstation in Ägypten sind die Eheleute jetzt seit etwa einem halben Jahr in Deutschland. Schon nach zwei Monaten fing die junge Frau im Kleiderladen an.
„Ich glaube, in Deutschland kann man sich beruflich gut weiterentwickeln.“
Siegen: Junge Syrerin engagiert sich ehrenamtlich im DRK-Kleiderladen
Das Rote Kreuz war ihr ein Begriff, weil sie die Schwesterorganisation Roter Halbmond kannte. Haya Jaber ist damit einer von vielen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, die sich als Ehrenamtliche beim DRK einbringen, wie Stefanie Schierling, Sprecherin des Kreisverbands Siegen-Wittgenstein, im Gespräch mit der Redaktion erklärt.
+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++
Ausschlaggebend für die Planung von Haya Jaber und ihren Mann war übrigens nicht die Situation in Syrien, sondern generelle Erwägungen. „Ich glaube, in Deutschland kann man sich beruflich gut weiterentwickeln“, erläutert sie. Sie seien extra wegen des Master-Studiums gekommen, Haya Jaber möchte danach auch als Architektin hier arbeiten. „Ich mag es, Häuser zu gestalten“, erklärt sie – sich inspirieren zu lassen, ein Zuhause für Menschen zu schaffen. Die ehrenamtliche Tätigkeit im Kleiderladen helfe ihr auf diesem Weg auch, ihr Deutsch zu verbessern und die Menschen und die Kultur näher kennenzulernen. Bisher fühlt sich die 26-Jährige wohl. „Das Team ist sehr nett“, sagt sie über den Job, und die Menschen insgesamt erlebe sie als „freundlich und offen für andere Kulturen“.
+++ Lesen Sie hier: Syrien – Siegen: Geflüchtet, jetzt Betonbauer und Pflegekraft +++
Auf Siegen als Lebensmittelpunkt seien sie und ihr Mann nicht nur wegen der Uni gekommen. Das Paar habe im Vorfeld Freundinnen und Freunde gefragt, die sich etwas auskannten, „und alle haben uns den Eindruck vermittelt: Siegen ist eine sichere und saubere Stadt“. Außerdem mag Haya Jaber die Natur und nach eigenem Bekunden die Architektur, „die Kombination aus Tradition und Moderne“.
Siegen: Menschen mit Migrations-Hintergrund bringen sich oft ehrenamtlich ein
Der DRK-Kreisverband Siegen-Wittgenstein verzeichnet ein gestiegenes Interesse von Menschen mit Migrations-Hintergrund an ehrenamtlichen Tätigkeiten. „Oft sind es Personen, die so aufgewachsen sind – die schon von ihren Eltern mitbekommen haben ,Man engagiert sich für die Gemeinschaft‘“, sagt Pressesprecherin Stefanie Schierling. Dem Roten Kreuz komme dabei zugute, dass seine Schwester-Organisationen in vielen Ländern bekannt seien, vor allem der Rote Halbmond. „Viele Menschen mit Migrations-Hintergrund kennen uns als Hilfsorganisation.“
+++ Auch interessant: Notfallsanitäter Siegen: „Am Anfang ist man sehr aufgeregt“ +++
Mehr als 60 sogenannte Erstgespräche führe Ehrenamtskoordinatorin Anne Ploch pro Jahr mit Leuten, die sich für eine freiwillige Aufgabe interessieren. Viele davon hätten eine Zuwanderungsgeschichte. Unabhängig von der Herkunft gebe es im Wesentlichen zwei Varianten für den Einstieg, wie Stefanie Schierling erläutert: „Manche kommen schon mit einer klaren Vorstellung, andere möchten sich erst einmal informieren, was wir anbieten.“
„Es hat nicht immer alles mit Medizin und Blut zu tun.“
Siegen: Ehrenamt beim DRK bietet sehr große Bandbreite an Tätigkeiten
Das Spektrum sei weit größer, als Außenstehende oft vermuten würden. Es gebe „klassisches Baulicht-Ehrenamt“, sagt Stefanie Schierling, also Sanitätsdienst (zum Beispiel beim Stadtfest), auch die Arbeit beim Jugendrotkreuz einschließlich Organisation von und Betreuung bei Ferienfreizeiten und Zeltlagern. Neben diesem sehr wichtigen Bereich würden aber auch Leute gebraucht, die sich auf anderen Feldern einbringen: Als Leiterin oder Leiter für Seniorensportgruppen und Bewegungsangebote etwa, im Besuchsdienst für ältere und einsame Menschen, im Kleiderladen, als Unterstützung für die Zubereitung des Mittagessens in Kitas oder als Helferinnen und Helfer bei Blutspenden. Bei Letzterem, das hebt Stefanie Schierling hervor, müsse auch niemand Angst haben, gezwungenermaßen mit Kanülen oder dergleichen konfrontiert zu werden. „Es muss auch jemand Schnittchen schmieren“, sagt die Fachfrau; und das betont sie nicht verniedlichend, denn auch solche Arbeiten bedeuten einen wichtigen Beitrag zum Ablauf und damit zum Gelingen. „Es hat nicht immer alles mit Medizin und Blut zu tun.“
+++ Lesen Sie hier: Siegen: Geflohen aus Syrien – „für mich klar: will Friseur werden“ +++
60 Erstgespräche pro Jahr klingt im ersten Moment vielleicht nicht allzu viel, aber: Diese Zahl bezieht sich lediglich auf interessierte neue Leute – über die mehr als 1000 Ehrenamtlichen hinaus, die nach Angaben des Kreisverbands bereits für das DRK in Siegen-Wittgenstein tätig sind. Mittlerweile sind Menschen aus vielen Herkunftsländern dabei: Afghanistan, Azerbaidschan, Indien, China, Iran, Saudi-Arabien, Syrien, Türkei und Ukraine zählt die Pressesprecherin auf, ebenso Mexiko und Haiti.
+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++
Die gestiegene Nachfrage von Personen mit Migrationsgeschichte „liegt auch daran, dass die Community sich vernetzt“, sagt Stefanie Schierling. Denn Ehrenamt bietet natürlich auch denjenigen, die es aktiv ausüben, einen Nutzen: „Sie können sich in der Gesellschaft positionieren und vielleicht auch in manche Berufsfelder reinschauen.“