Siegen. Robert Beul

Robert Beul wirkt wirklich tiefenentspannt, wenn er von seinem Beruf erzählt. Dabei macht der 26-Jährige etwas, das sich nicht im Entferntesten nach Entspannung anhört. Er ist im dritten Lehrjahr der Ausbildung zum Notfallsanitäter beim DRK-Kreisverband Siegen-Wittgenstein. „Man muss Ruhe ausstrahlen“, erklärt Robert Beul. „Patientinnen und Patienten fühlen sich dann sicherer.“

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Stress ist ein Teil des Jobs, räumt der Siegener ein. Aber das liegt in der Natur der Sache, weil der Rettungswagen eben nur dann gerufen wird (oder zumindest nur dann gerufen werden sollte), wenn Menschen sich in einer Ausnahmelage befinden. Gerade das macht es für Robert Beul aber auch aus. „Mich hat schon immer der Gedanke fasziniert, Menschen zu helfen – vor allem in lebensbedrohlichen Situationen.“ Außerdem reizen ihn der medizinische Aspekt und die Abwechslung, „kein Tag ist wie der andere“. Und dann sei der noch der Zusammenhalt im Team, der im Rettungsdienst ein ganz besonderer sei.

Man muss aber schon dafür gemacht sein. Man kommt in Situationen, die Leute außerhalb des Rettungsdienstes nie sehen.
Robert Beul (26) macht eine Ausbildung zum Notfallsanitäter beim DRK-Kreisverband Siegen-Wittgenstein.

Siegen: Robert Beul wechselte die Branche – von einer Kommunalverwaltung in den Rettungsdienst

Ursprünglich hatte der junge Siegener einen ganz anderen beruflichen Weg eingeschlagen. Er habe eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten bei einer Siegerländer Kommune abgeschlossen, berichtet er, doch das Interesse am Rettungsdienst gewann schließlich die Oberhand und er entschied sich zum Wechsel. Erst machte er die dreimonatige Ausbildung zum Rettungssanitäter, „um zu gucken, ob dieser Bereich wirklich etwas für mich ist. Ich habe gemerkt: Es macht mir Spaß.“ Daraufhin begann er die dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter. „Man muss aber schon dafür gemacht sein. Man kommt in Situationen, die Leute außerhalb des Rettungsdienstes nie sehen“, merkt er an. „Darum würde ich auch jedem empfehlen, erst einmal reinzuschnuppern.“

Robert Beul machte zunächst eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten, entschied sich aber zum Berufswechsel. Nun lässt er sich beim DRK-Kreisverband Siegen-Wittgenstein zum Notfallsanitäter ausbilden.
Robert Beul machte zunächst eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten, entschied sich aber zum Berufswechsel. Nun lässt er sich beim DRK-Kreisverband Siegen-Wittgenstein zum Notfallsanitäter ausbilden. © WP | Florian Adam

Die Ausbildung besteht aus Schul- und Wachblocks. Letztere sind Praxisphasen, in denen die Auszubildenden als sogenannte dritte Position im Rettungswagen mitfahren. Die übliche Besatzung seien ein Notfallsanitäter, ein Rettungssanitäter und eben ein Auszubildender, erläutert Robert Beul. Die Azubis würden zwar nicht die Verantwortung für den Einsatz tragen, kämen aber dennoch an die Patientinnen und Patienten heran. Praxis sei unheimlich wichtig. „Erfahrung ist in diesem Beruf sehr, sehr viel wert“, sagt er; auch, um die notwendige Ruhe zu entwickeln. „Am Anfang ist man schon sehr aufgeregt – je nachdem, was auf dem Melder steht“. Das gebe sich, wenn man länger dabei ist, mehr erlebt.

Wir versuchen, die Leute zu sensibilisieren. Wir erklären, wofür die ,112‘ eigentlich da ist.
Robert Beul, Auszubildender zum Notfallsanitäter, über Menschen, die wegen Lappalien den Rettungsdienst rufen.

Siegen: Immer öfter rufen Menschen den Rettungsdienst wegen Kleinigkeiten

Nicht immer gehe es um lebensbedrohliche Situationen. Tatsächlich sei dies eher der seltenere Fall. Das liegt unter anderem auch daran, dass manche Bürgerinnen und Bürger einen Rettungswagen rufen würden, wenn dazu eigentlich gar kein Grund bestehe. So etwas „kommt oft vor und sorgt für größere Belastung im Beruf“. Ein Beispiel aus dieser Kategorie, das dem 26-Jährigen spontan einfällt: Eine Frau, die wegen eines verspannten Nackens den Rettungsdienst alarmiert hat. „Wir versuchen dann, die Leute zu sensibilisieren. Wir erklären, wofür die ,112‘ eigentlich da ist und dass durch solche Einsätze Kapazitäten gebunden werden, die dann für wirkliche Notfälle nicht zur Verfügung stehen.“ Viele Leute würden sich einsichtig zeigen, einige würden aber auch frech. Doch „bei vielen ist es Unwissenheit oder Unsicherheit“.

+++ Passend dazu: Siegen: Diese Menschen verraten, wie sie den Traumjob fanden+++

Fünf bis zehn Einsätze seien es pro Tag auf jeden Fall, zwölf bis 15 könnten es aber durchaus auch werden. Wobei „ein Tag“ hier tatsächlich „ein Tag“ bedeutet. Eine Schicht dauert 24 Stunden, dann sind zwei Tage frei, dann folgen wieder 24 Stunden Dienst. „Das ist eine Gewöhnungssache“, erklärt Robert Beul. Er ist in der Rettungswache in Ferndorf stationiert. Dort gibt es Ruheräume, das Team koche auch gemeinsam, „man kann sich das wie eine kleine WG vorstellen“. Natürlich sind aber alle jederzeit vorbereitet und startklar, wenn der nächste Notruf eingeht.

„Die Dankbarkeit, die man da bekommt, ist einmalig.
Robert Beul, Notfallsanitäter-Azubi, über die Reaktionen von Patientinnen und Patienten

Siegen: Notfallsanitäter wollen helfen – doch immer häufiger schlägt ihnen auch Aggression entgegen

Zum Job gehört es, mit dem Erlebten umgehen zu können. „Ich kann nicht zu jedem Patienten eine Bindung aufbauen“, sagt Robert Beul. Das ist keine Gefühllosigkeit, sondern wichtiger Pragmatismus. Im Einsatz kann er sich nicht von persönlichen Empfindungen ablenken lassen, nach dem Einsatz kann er nicht alles mit nachhause nehmen. Trotzdem geht ihm das ein oder andere natürlich nahe. Dabei seien es nicht immer die Verletzungen und körperlichen Symptome, sondern oft auch das Elend drumherum, das er sieht: Die Einsamkeit mancher älterer Menschen, auch Armut oder Lebensumstände, die darauf hindeuten, dass jemand tiefere Probleme mit der Bewältigung des Alltags hat. „Reden hilft; mit Kollegen, Freunden, der Familie“, beschreibt er seinen Umgang damit. „Und ein Ausgleich ist wichtig.“ Für den 26-Jährigen ist das Sport. Er geht ins Fitnessstudio und spielt Fußball.

Ein zunehmendes Problem, bestätigt Robert Beul, sind Leute, die verbal oder sogar körperlich aggressiv werden. Der Respekt Einsatzkräften gegenüber nehme merklich ab. Vor allem an Wochenenden steige das Risiko, wenn es bei Feiern Notfälle gebe, wenn vielleicht Alkohol oder Drogen im Spiel seien. Gerade Patientinnen und Patienten, die den Notruf nicht selbst gewählt hätten, reagierten mitunter unwirsch auf die Helfer. Deshalb sei Selbstverteidigung Teil der Ausbildung. Die andere Seite seien dafür Menschen, die im Nachhinein herausfinden, wer genau ihnen in der Not geholfen hat und sich dann melden. „Die Dankbarkeit, die man da bekommt, ist einmalig. Das sind schon sehr besondere Gefühle, die einem da entgegengebracht werden.“

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++