Siegen-Wittgenstein. Gewaltbereitschaft in Siegen-Wittgenstein steigt, auch Zahl der Straftaten. Die Polizei hat kaum noch Personalressourcen – und Erfolge vorzuweisen.

Seit dem Ende der Corona-Pandemie steigt die Gewaltbereitschaft weiter an. Diese gesamtgesellschaftliche Entwicklung zeigt sich auch in Siegen-Wittgenstein. „Konflikte werden immer öfter gewaltsam ausgetragen,“ sagt Landrat Andreas Müller als Chef der Kreispolizeibehörde mit Blick auf die Kriminalstatistik 2023. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr fast 2000 Straftaten mehr begangen als 2022 – plus 13 Prozent, das „vorpandemische“ Niveau ist mit 16.222 Straftaten wieder erreicht. Immerhin habe sich der starke Anstieg des vergangenen Jahres abgeschwächt und nicht weiter fortgesetzt.

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Damit liegt Siegen-Wittgenstein beim Kriminalitätsanstieg über Landestrend, gleichzeitig seien aber auch mehr Täter ermittelt worden: Nach den Unfällen und den Einsatzzeiten belege Siegen-Wittgenstein auch bei der Aufklärungsquote (64,2 Prozent) den NRW-Spitzenplatz, zehn Punkte über Landesschnitt. Das Entstehen von Straftaten könne die Polizei nicht immer beeinflussen, „hier zeigt sich aber die gute Ermittlungsarbeit“, lobt Klaus Bunse, neuer Abteilungsleiter Polizei. Je schwerer die Straftat, desto wahrscheinlicher werden Täter auch geschnappt: Bei Einbrüchen nur 16 Prozent, bei Diebstählen knapp 40. Raub: 72, Körperverletzung: knapp 85. Vergewaltigung und sexuelle Nötigung: 93 Prozent, Kinderpornografie mehr als 97, Kindesmissbrauch 95. Alle 15 „Straftaten gegen das Leben“ – Mord, Totschlag, fahrlässige Tötung – wurden 2023 aufgeklärt.

Straftaten werden online begangen: Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein muss Schritt halten

Mit Blick auf die „Häufigkeitszahl“, also der Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden, lasse es sich in Siegen-Wittgenstein „weiter sehr sicher leben“, bekräftigt die Polizeiführung am Mittwoch. Art und Struktur von Straftaten habe sich aber mit der Digitalisierung verändert, das Internet und technische Entwicklungen führten zu anderen, neuen Delikten, etwa im Bereich Betrug oder Fälschung. Bunse: „Da muss die Polizei Schritt halten.“ Die Auswertung von Handys und Datenträgern, Ermittlungen auf Social Media sei sehr zeit- und arbeitsintensiv, was Auswirkungen auf personelle Ressourcen der Behörde habe. Denn da sei die Kreispolizei an der Schmerzgrenze, immer öfter auch darüber. Das Präsenzkonzept „Sichere Innenstadt“ für Siegen fordere viel Personal, auch in den übrigen Kommunen setze man auf größtmögliche Präsenz in der Fläche – „mehr wird mit dieser Personalausstattung nicht gehen“, sagt der Landrat.

Mehr wird mit dieser Personalausstattung nicht gehen.
Landrat Andreas Müller - über Polizeipräsenz in der Fläche

Mit der Ermittlungsgruppe (EG) „Faden“ ist eine übergeordnete Einheit aktiv geworden, die verschiedene Kompetenzen bündelt, um insbesondere den Rauschgifthandel und damit verbundene Straftaten im Siegener Zentrum auszutrocknen. Während Polizeikräfte in Uniform Präsenz zeigen, um unerwünschte Personen von der Straße zu holen, habe man hier zusätzlich Kriminalisten auf das Problem angesetzt. Die Einheit arbeitet verdeckt: Sie identifizieren Drogenhändler, beobachten, sammeln Informationen. Was passiert da eigentlich, wer ist beteiligt, wie sind die Abläufe? Das dauert bei täglicher Beobachtung einzelner Verdächtiger mitunter Monate. Vorteil des „täterorientierten“ Ansatzes, der öffentlich weniger wirkt als Streifen in Uniform: Die Zielpersonen merken nichts davon.

Diebesbande in Siegen: Sie guckten einfach nach, welche Autos nicht abgeschlossen waren

Liegen genug Beweise vor, werden diese Personen gerichtsfest in Haft genommen, Geld eingezogen, Betretungsverbote ausgesprochen. „Das hat die Lage unter anderem am Bertramsplatz deutlich verändert“, sagt Holger Reitz, Leiter Direktion Kriminalität. Denn Präsenz führe oft nur zu einer Verlagerung des Problems, die Kriminellen machen einfach woanders weiter. Verschwinden aber zentrale Figuren vom Spielfeld werden, „hat das eine Wirkung“. Da im Rahmen der Sicherheitskooperation weiter Präsenz gezeigt wird, sei es für Drogendealer schwieriger, neue Betätigungsräume zu finden. Fast 180 Verfahren wegen Drogenhandels konnte die Polizei durch die EG Faden 2023 einleiten – im Vorjahr waren es 72. Diese Ermittler fehlen dann allerdings an anderer Stelle, sagt Holger Reitz.

Das hat die Lage unter anderem am Bertramsplatz deutlich verändert.
Holger Reitz - Leiter Direktion Kriminalität, über die EG „Faden“

Statistisch auffällig sei 2023 ein deutliches Plus bei Diebstahlsdelikten (Laden- und Taschendiebstähle und aus Autos), 5247 im Jahr 2023 (Vorjahr 4396). 850 mehr, fast die Hälfte der Gesamtsteigerung. Im Umland seit Jahren konstant niedrig, in Siegen seit Jahren steigend. Mit eine Rolle dürfte hier nach Einschätzung Holger Reitz‘ der „Dauer-Krisenmodus“ spielen, „das Geld ist knapp“. Dennoch gebe es keine typischen Täter: Heranwachsende wie Erwachsene, Einheimische wie Auswärtige seien gleichermaßen darunter. Eine erhebliche Zahl von Diebstählen in Siegen-Mitte beispielsweise sei aufs Konto einer Bande gegangen, die einfach geguckt hätten, ob Autos offen gewesen seien und sich dann dort bedient hätten. „Da wurde nichts aufgebrochen.“ Es sei aber gelungen, die Täter zu identifizieren, der Hauptverdächtige sei in Haft. Einbrüche fänden weniger in Wohnungen, sondern eher in Firmen- und Geschäftsräume statt. Eine Einbruchserie konnte durch die Festnahme und Verurteilung einer Bande Heranwachsender beendet werden.

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Auch in anderen Deliktsbereichen werde der allergrößte Teil der Straftaten im Kreis weiterhin in Siegen begangen – 9289 von den mehr als 16.222. Immerhin sei der Einsatz von Messern rückläufig, stellt Landrat Andreas Müller fest. „Das hat uns sehr intensiv beschäftigt.“

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