Hagen. Fehlende Anpassungen sorgten für ungerechte und verzerrte Steuerbewertungen. Eine Erklärung, wie es zur Anpassung der Grundsteuer kam:

An der Grundsteuer kommt niemand vorbei. Doch bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Frühjahr 2018 war sie den meisten Bürgern kaum vertraut, höchstens als lästiges Übel. Doch dann ordneten die höchsten deutschen Richter aufgrund erheblicher Ungerechtigkeiten und Unwuchten eine grundlegende Reform dieser für die lokalen Kämmerer so wichtigen Reform an. Seitdem steht die Welt für viele Hausbesitzer und Mieter angesichts rasant veränderter Neubewertungen von Wohneigentum auf dem Kopf.

Der Erste Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (von links: Josef Christ, Gabriele Britz, Andreas Paulus, Michael Eichberger, Ferdinand Kirchhof (Vorsitz), Johannes Masing, Susanne Baer und Yvonne Ott) hat festgestellt, dass die Grundsteuererhebung nicht mehr mit dem Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz vereinbar sei.
Der Erste Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (von links: Josef Christ, Gabriele Britz, Andreas Paulus, Michael Eichberger, Ferdinand Kirchhof (Vorsitz), Johannes Masing, Susanne Baer und Yvonne Ott) hat festgestellt, dass die Grundsteuererhebung nicht mehr mit dem Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz vereinbar sei. © dpa | Uli Deck

Weitere lesenswerte Themen aus Hagen und Breckerfeld:

Auch interessant

Denn grundsätzlich gilt: Wer Immobilieneigentum besitzt, muss die darauf anfallende Grundsteuer jährlich abführen. Wer zur Miete wohnt, kommt indirekt dafür auf, denn Eigentümer legen die Grundsteuer als Teil der Betriebskosten oft auf die Mieter um. Änderungen an der Grundsteuer könnten also zu steigenden Mieten führen. Spätestens bei den Nebenkostenabrechnungen 2026 dürfte dies spürbar werden. Aber eben auch für Eigenheimbesitzer, so zeigen es die aktuellen Aufschreie, hat sich häufig die Steuerlast erheblich verschoben.

Im Jahr 2018 ziehen die Verfassungsrichter beim Thema Grundsteuer die Notbremse.
Im Jahr 2018 ziehen die Verfassungsrichter beim Thema Grundsteuer die Notbremse. © dpa | Jens Büttner

Grundlage für die Steuer sind bisher die sogenannten Einheitswerte (steuerlicher Wert für Grundstücke und Gewerbebetriebe, der für mehrere Steuerarten wie Grund-, Gewerbe- und Erbschaftsteuer als einheitliche Besteuerungsgrundlage herangezogen wird), die auf jahrzehntealten Zahlen basierten. Eigentümer aus Westdeutschland waren deswegen vor das Bundesverfassungsgericht gezogen, weil sie den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verletzt sahen.

Auch interessant

Fünf Jahre lang nicht mehr angepasst

Die Karlsruher Richter erklärten daraufhin 2018 die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form für verfassungswidrig. Dabei kritisierten sie vor allem das Bemessungsverfahren für die Grundsteuer: „Das Aussetzen der im Recht der Einheitsbewertung ursprünglich vorgesehenen periodischen Hauptfeststellung seit dem Jahr 1964 führt bei der Grundsteuer zwangsläufig in zunehmendem Umfang zu Ungleichbehandlungen durch Wertverzerrungen“, hieß es in dem Urteil. Im Klartext: Über mehr als fünf Jahrzehnte war hier nichts mehr den Realitäten angepasst worden.

Auch interessant

Entscheidend, so die Richter, sei dabei nicht die Tatsache an sich, dass es seit 54 Jahren kein Verfahren mehr zur Feststellung von Immobilienwerten gab. Davon allein werde der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt. Wichtig aber seien die Unterschiede, die sich dabei in der Wertentwicklung von Immobilien ergeben haben: Obwohl immer noch für alle Eigentümer in Westdeutschland die gleiche Bemessungsgrundlage von 1964 gilt, haben sich seitdem die Werte von Immobilien unterschiedlich entwickelt.

Der tatsächlichen Entwicklung angepasst

Dabei bezog sich das Bundesverfassungsgericht auch explizit auf lokale Entwicklungen: Wenn etwa neue Wohnungen mit besserer Ausstattung gebaut werden, sinkt im Verhältnis dazu der Wert von älteren, schlechter ausgestatteten Wohnungen. Als ein Beispiel nannten die Richter beim Bundesverfassungsgericht die verbauten Isolierverglasungen. Was vor mehr als fünf Jahrzehnten als höherklassig galt, sei heute allenfalls durchschnittlicher Standard. Auch die seit 1964 veränderten Verhältnisse in der Verkehrsanbindung und in der Wertentwicklung von Wohnlagen könnten durch das alte Verfahren nicht berücksichtigt werden.

In ihrer bisherigen Form, so das Gericht, verstoße die Grundsteuer seit Anfang 2002 gegen den Gleichheitsgrundsatz. Bundestag und Bundesrat müssten bis zum 31. Dezember 2019 eine Neufassung der Grundsteuer beschließen, schrieben die Richter der Politik ins Stammbuch. Das Bundesverfassungsgericht sah darin eine ausreichende Frist und verwies zugleich auf bereits vorliegende Reformvorschläge. Nach der Verabschiedung eines neuen Gesetzes blieben somit fünf Jahre Zeit, um die neue Besteuerung umzusetzen. Denn spätestens bis zum 31. Dezember 2024 sollten die Finanzämter eine reformierte Grundsteuer erheben. Grund für die ungewöhnlich langfristige Fristenregelung war der zu erwartende Verwaltungsaufwand, der mit einer Neuregelung der Grundsteuer einherging. Betroffen sind immerhin 35 Millionen Grundstücke samt möglicher Bebauung.