Hagen. Sie sind die einzige Einrichtung, die für alle da ist: Arme, Reiche, Alte, Junge, Obdachlose. Ein Besuch in der Bahnhofsmission Hagen.

Es ist ein Ort, an dem sich Menschen begegnen. Arme Menschen und reiche. Junge und Alte. Männer, Frauen, Millionäre und Obdachlose. Auch deshalb ist es ein Ort voller Geschichten. Eine davon ist diese hier: Die von einem Mann, der ein paar Tage vor Weihnachten plötzlich hereinkam, lächelte, um dann einen Schein in die Spendendose zu stecken. Ein Mann, der im Jahr 1947 als Sechsjähriger hier am Hauptbahnhof Hagen gestrandet war. Riesengedränge auf dem Bahnsteig. Die Türen zum Zug wurden zugeworfen, er draußen, die Mutter drinnen. Der Zug fuhr los. Und der Junge blieb einsam stehen.

„Wenn wir einen Kaffee herausgeben, dann wird der angerichtet und mit einem Keks dekoriert auf einem Tablet serviert. Wir sind die einzige Bahnhofsmission deutschlandweit, die das so macht. Wir wollen damit auch zeigen, dass wir unseren Gästen wertschätzend begegnen.“

Ilona Lagwig-Henning
Leiterin Bahnhofsmission Hagen

„Er hat uns erzählt, wie sich die Mitarbeiter der Bahnhofsmission damals seiner angenommen haben“, sagt Ilona Ladwig-Henning, Leiterin der Bahnhofsmission Hagen. „Er hat wohl ein gutes, warmes Essen bekommen, man hat eine Bleibe für ihn organisiert, und am nächsten Tag hat man ihn in den Zug gesetzt, und er konnte seiner Mutter hinterher reisen.“

Ein Ort der Wärme

Die Bahnhofmission Hagen am Gleis 8/10 ist ein Ort voller Geschichten. Aber sie ist vor allem ein Ort voller Wärme, voller Herzlichkeit, in dem es immer wieder um das Thema Gastfreundschaft geht. „Wenn wir einen Kaffee herausgeben, dann wird der angerichtet und mit einem Keks dekoriert auf einem Tablet serviert“, sagt Ilona Ladwig-Henning, „wir sind die einzige Bahnhofsmission deutschlandweit, die das so macht. Wir wollen damit auch zeigen, dass wir unseren Gästen wertschätzend begegnen.“

M. Kleinrensing WP Hagen Bahnhofsmission
Der Kaffee in der Bahnhofsmission Hagen wird fein angerichtet und mit Keks serviert: Rosemarie Rahn und Christine Bendicks (rechts) arbeiten hier ehrenamtlich. © WP | Michael Kleinrensing

Vielleicht ist sie das, die weihnachtliche Botschaft, für die die Menschen in einem tristen Flachbau stehen, auf dessen Dach ein Tannenbaum mit goldenen Kugeln leuchtet: Hier werden die Menschen so genommen, wie sie sind. Niemand stellt zu viele Fragen. Auch nicht an diesen Tagen, an denen es immer wieder richtig voll wird im kleinen Gastraum mit den zwei Tischen. „Besonders samstagmorgens“, sagt Ilona Ladwig-Henning, „da haben wir als einzige Einrichtung in Hagen, die sich auch um Wohnungslose kümmert, geöffnet. Man kriegt unheimlich viel von den Gästen zurück.“

In Stuttgart bleiben Menschen vor der Tür

Man überlege nun sogar, ob man auch den Sonntag mit dazu nehmen. Möglich ist das, weil sich hier Menschen in einem Maße engagieren, welches die Bahnhofsmission Hagen von anderen unterscheidet. „Andere Bahnhofsmissionen müssen ihr Angebot reduzieren“, sagt Ilona Ladwig-Henning, „wir haben insgesamt 17 Menschen, die sich einbringen. Darunter sind auch vier Zwei-Euro-Kräfte, die 25 Stunden pro Woche arbeiten. Und einige von ihnen ehrenamtlich darüber hinaus.“

M. Kleinrensing WP Hagen Bahnhofsmission
In der Bahnhofsmission Hagen gibt es ein kleines Präsent mit auf den Weg. © WP | Michael Kleinrensing

Eine andere Einrichtung war es auch, die unlängst für Aufsehen gesorgt hatte. Im Deutschlandfunk lief eine ausführliche Radio-Reportage über die Bahnhofsmission Stuttgart, die Frierenden an eisigen Tagen den Zutritt verweigert haben soll. Für Schlagzeilen haben auch Übergriffe in anderen Bahnhofsmissionen gesorgt. Besucher, die abhängig von der Droge Crack oder von Fentanyl sind, haben mit aggressivem Verhalten für Probleme gesorgt.

Vermittlung zu Beratungsstellen

„Das ist bei uns zum Glück anders. Es gibt Tage, da ist es so voll, dass wir niemanden mehr hereinlassen können“, sagt Ilona Ladwig-Henning, „wir bitten dann unsere Gäste, nach einer halben Stunden so langsam aufzubrechen, damit wir diejenigen, die in der Zwischenzeit vor der Tür gewartet haben, hereinbitten können.“

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Probleme mit Gewalt gibt es nicht. Gäste, die von ihrer Abhängigkeit von Alkohol oder vom Glücksspiel erzählen, sehr wohl. „Wir vermitteln dann an Beratungsstellen, die weiterhelfen können“, sagt Ilona Ladwig-Henning. Das merke man sowohl in der Bahnhofsmission als auch in Luthers Waschsalon.

Ein Ort der Herzlichkeit

Ein Ort voller Herzlichkeit ist die Bahnhofsmission auch, weil es Menschen wie Eduard Mandt gibt. „Mir macht es einfach Spaß, mich mit den Menschen, die zu uns kommen, zu unterhalten“, sagt der 74-Jährige, der sich ehrenamtlich einbringt und stellvertretender Leiter der Einrichtung ist, „ich engagiere mich hier seit 21 Jahren. Ich habe einfach keine Lust, den ganzen Tag über nur zu Hause rumzusitzen.“

Also arbeitet er an einem Ort der Geschichten. Eine davon ist diese hier: „Ich wollte einer 90-Jährigen den Koffer zum Zug bringen und ihr hineinhelfen“, sagt Eduard Mandt. „Junger Mann“, habe die Dame daraufhin gesagt, „ich kommen gerade mit dem Flugzeug alleine aus Dubai zurück. Da brauche ich ihre Hilfe nicht.“