Hagen. Auch in Hagener Gastrobetrieben gibt‘s Time-Slots, also Zeitspannen, an denen Gäste Tische belegen können. Was die Kunden sagen? Ein Streifzug:
Ein Streifzug durch die Hagener Gastronomie. . . Die einen sprechen von wirtschaftlicher Notwendigkeit und größerer Planungssicherheit, die anderen von einer Unverschämtheit und von einer neumodischen Unart. Die Rede ist von Time-Slots, also von Zeitspannen, bei denen man einen Tisch in einem Gastrobetrieb nur für eine gewisse Zeitspanne zugesagt bekommt.
Trend stammt aus den USA
Ursprünglich stammt die zeitliche Beschränkung aus den USA, doch auch in Deutschland setzen sich Time-Slots zunehmend durch. Und in Hagen? Greifen auch Gastronomen an der Volme den Trend auf? Die Stadtredaktion hat nachgefragt.
Im asiatischen Buffet-Restaurant Xiao am Märkischen Ring/Ecke Elbersufer haben die Gäste zwei Stunden zum Schlemmen Zeit, worüber der Gast im Rahmen der Online-Tischbestellung informiert wird. „Und vor dem Platzieren am Tisch weisen wir den Gast, wenn das Restaurant gut ausgelastet ist, ebenfalls auf die Regelung hin. Es ist für uns und jeden Gastronom eine Absicherung, dass er einen Tisch gegebenenfalls mehrmals am Tag belegen kann“, sagt Betriebsleiter Philipp Mertens. Gerade am Anfang - das Xiao befindet sich im Gebäude, in dem bis Spätsommer 2023 die italienische Systemgastronomie Vapiano ansässig war und hat erst im März eröffnet - seien 600 bis 800 Gäste pro Tag gekommen, „und das in ein Restaurant mit 200 Plätzen“, so Mertens.
Der Nachmittag kann eine riskante Zeit sein
„Im Xiao, das mittags öffnet und bis abends spät durchgehend geöffnet hat, kann 16 oder 16.30 Uhr eine riskante Zeit sein, da häufig viele Reservierungswünsche für 19 Uhr vorliegen, aber wir haben noch keinen Gast rausgeschmissen.“ In den vergangenen Monaten sei es nur einmal vorgekommen, dass er einer Gruppe nach über zweieinhalb Stunden gesagt hätte, dass ihre Zeit am Tisch langsam abgelaufen sei.
Automatisches Reservierungssystem
„Unser automatisches Reservierungssystem gleicht sämtliche Buchungen ab, und ,Walk Ins‘, also Gäste, die nicht im Vorfeld reserviert haben, werden vom Personal ins System eingepflegt, damit dieses immer auf aktuellem Stand ist“, versichert der Betriebsleiter. Ärger mit Kunden habe er bislang nicht gehabt, „unsere Gäste gehen nach dem meist üppigen Büffet-Essen sowieso schnell nach Hause“.
„Unsere Gäste gehen nach dem meist üppigen Büffet-Essen sowieso schnell nach Hause. “
Auch L‘Osteria in der Volme-Galerie arbeitet mit Time-Slots
Und beim In-Italiener L‘Osteria in der Volme-Galerie? „Die Time-Slots sind bei uns noch ein Relikt aus der Corona-Zeit, in der aufgrund der Abstandsregeln nur wenige Tische besetzt werden durften“, blickt Anna Ploss zurück. Die Unternehmenssprecherin bestätigt, dass jedem L‘Osteria-Gast ein Tisch eineinhalb Stunden zur Verfügung steht, was auch bei der Buchung über die Homepage kundgetan wird.
„Theoretisch, aber praktisch setzen wir Time-Slots nicht aktiv um. Es steht keine Bedienung mit der Stoppuhr hinter dem Gast, und nach 90 Minuten setzen wir auch niemanden vor die Tür.“
Ortswechsel: Am Strandhaus am Hengsteysee hat jeder Gast zweieinhalb Stunden Zeit, an seinem reservierten oder ihm zugewiesenen Tisch zu sitzen. „Wir Gastronomen müssen auch wirtschaftlich handeln. Wenn es gut läuft, kann ich einen Tisch drei- oder viermal umschlagen. Dass funktioniert natürlich nicht, wenn ich im Vorfeld nicht planen kann und sich ein Gast oder eine Gruppe sehr lange bei uns aufhält“, sagt Betreiber Mike Henning.
„Wenn es gut läuft, kann ich einen Tisch drei- oder viermal umschlagen.“
Er empfiehlt im Vorfeld der Buchung, dem Personal Bescheid zu geben, dass man eine längere Zeit im Strandhaus verweilen möchte, „dann können wir einen Tisch auswählen und diesen aus dem normalen Vergabe-Rhythmus herausnehmen.“ Und wenn jene, die beim Personal vorher nicht nachgefragt haben, dann doch enormes Sitzfleisch entwickeln? „Zur Not müssen wir diese Gäste dann umsetzen, damit der von den nachfolgenden Gästen reservierte Tisch frei wird“, erklärt Mike Henning.
Keinem Gast einen Korb geben
Auch bei Lars Martin, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Südwestfalen, ploppt das Thema Time-Slots auf. „An Tagen, an denen viel los ist - also an den Feiertagen im Mai und Juni, an Muttertag oder in der Vorweihnachtszeit und an Weihnachten selbst - ist die Nachfrage nach Tischen natürlich groß. Und da möchte der Gastronom zum einen nach Möglichkeit keinem Gast einen Korb geben und zum anderen die starke Umsatzzeit natürlich mitnehmen.“
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Seiner Erfahrung nach würden die meisten Restaurant-Besuche aber eh nach zwei Stunden enden, „bei jenen, die an normalen Wochentagen nach dem Essen noch gern ein Glas Wein, Bier oder einen Digestif trinken möchten, ist das meist kein Problem, und der Wirt freut sich über den Zusatzumsatz. An Abenden, an denen das Geschäft brummt, will er aber einen Tisch lieber nochmal mit Speisegästen belegen.“ Im Grunde kenne er kaum Betriebe, die Time-Slots tatsächlich nachhalten würden, „wenn, dann meist im All-you-can-eat-Bereich“.
„Im Grunde kenne ich kaum Betriebe, die Time-Slots tatsächlich nachhalten, „wenn, dann meist im All-you-can-eat-Bereich. “
Restaurant als Wohnzimmer
Der Gastro-Experte übelegt kurz: „Ein Restaurant wird von vielen als Wohnzimmer außerhalb der eigenen vier Wände gesehen. Und das ist schön. Andererseits muss der Gastronom auch unternehmerisch denken.“
Was Lars Martin den Wirten empfiehlt, um ihre Gäste nicht zu verprellen? „Prinzipienreiterei ist mit Sicherheit falsch, der Wirt muss sein Verhalten immer dem Gast anpassen. Aber Gäste nach gut zwei Stunden freundlich darauf hinzuweisen, dass gleich die letzte Runde ansteht, wird fast immer akzeptiert.“