Hagen-Wehringhausen. Beliebte Schuhmacherei in Wehringhausen schließt die Tür. Die Orthens waren auf Problemfüße spezialisiert. Darum kehrt das Paar Hagen den Rücken:

Schade, aber absolut verständlich . . . Es riecht nach Leder. Im Geschäft, in der Werkstatt und auch in den hinteren Räumen. Doch der angenehme Duft wird nicht mehr lange durch die Borsigstraße 18a ziehen. „Wir schließen, und zwar nächste Woche Freitag“, sagt Achim Orthen, Eigentümer der Schuhmacherei „Orthopädie und Podologie Orthen“. Seine Frau Beate nickt, „nein, traurig darüber sind wir nicht. Im Gegenteil, wir freuen uns auf unser neues Leben.“

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Seit fast 100 Jahren am selben Standort - die Orthopädie-Schuhtechnik Orthen in der Borsigstraße 18a in Hagen-Wehringhausen. © WP | Michael Kleinrensing

Neues Leben abseits von Hagen

Das neue Leben beginnt für die Orthens - die gleichnamige Schuhmacherei befindet sich seit fast 100 Jahren am selben Standort in Hagen-Wehringhausen - in der Nähe von Mainz. „Dass wir unseren Betrieb aufgeben, Hagen verlassen und zu einem unserer drei Kinder ziehen, steht für uns schon seit längerem fest. Anfang des Jahres haben wir dann Nägel mit Köpfen gemacht und alles eingestielt“, erzählt das Paar, das viele Stammkunden aus Wehringhausen seit Jahrzehnten bedient und betreut.

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Orthopädie-Schuhmachermeister (OSM) Achim Orthen passt eine Einlage für einen Freizeitschuh an. In Kürze schließt der Traditions-Handwerksbetrieb Orthen in Hagen-Wehringhausen. © WP | Michael Kleinrensing

Am 20. Dezember um Punkt 13 Uhr ist also Schluss in der Schuhmacherei, in der die Zeit ein wenig stehen geblieben zu sein scheint, „aber wir arbeiten mit neuesten Techniken und sind seit Jahren auch berechtigt, mit Krankenkassen abzurechnen“, unterstreicht Beate Orthen.

Ende Januar geht‘s nach Rheinland-Pfalz

Die 61-Jährige blickt durch die Werkstatt: „Drei unserer Maschinen haben wir bereits verkauft, den Rest der Maschinen und der Einrichtung bieten wir online zum Kauf an. Zwischen Weihnachten und Silvester räumen wir hier alles aus, und Ende Januar geht‘s dann auf nach Rheinland-Pfalz.“

Nahe Mainz lebt der jüngste Orthen-Sohn mit Frau und Kind, „wir haben dort ein Drei-Generationen-Haus gekauft; wir möchten unser Enkelkind aufwachsen sehen“, sagt Achim Orthen mit Vorfreude in der Stimme.

Wehmut, den Betrieb aufzugeben, den sein Großvater Karl gegründet, sein Onkel Karl-Josef weitergeführt und er selbst dann vor genau 30 Jahren übernommen hat, verspüre er nicht, „viele unserer Kunden sind zwar traurig, dass wir gehen, aber alle verstehen unsere Beweggründe“.

Vor einiger Zeit seien Gespräche mit einem möglichen Nachfolger, der ,Orthen‘ übernehmen wollte, geführt worden, doch dazu wären räumliche Veränderungen im größeren Stil erforderlich gewesen, „man darf nicht vergessen, dass wir hier in einem Wohnhaus sitzen. Das Gebäude gehört der Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft GWG“, sagt Beate Orthen.

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Achim Orthen (63) schleift an einer Spezialmaschine eine fertige Einlage. © WP | Michael Kleinrensing

Die nostalgisch wirkende „Adler“ rattert in der Werkstatt noch brav vor sich hin, „die Oberleder-Reparaturmaschine ist über 60 Jahre alt. Und an der ,Pfaff‘ von 1957 stelle ich orthopädische Schuhe her“, erläutert der Chef. Auf einem Regal steht ein Karteikasten, „bis ich den Computer angeworfen habe, hab ich längst die Kundenkarte per Hand ausgefüllt“, sagt der 63-Jährige und fügt an: „Aber zur Sicherheit machen wir doppelte Buchführung.“

Vor 30 Jahren den Betrieb übernommen

Im Laden in der Borsigstraße 18a hängen drei Meisterbriefe: von Karl, von Karl-Josef und von Achim Orthen. Achim Orthen hat den Betrieb 1994 übernommen.

Achim Orthen ist Orthopädie-Schuhmachermeister (OSM). „Ein Schuster repariert Schuhe, ein Schuhmacher kann auch Schuhe herstellen“, erklärt der 63-Jährige.

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Der alte Karteikasten: „Ich fülle meine Kundenkarten auch heute noch per Hand aus“, sagt Achim Orthen. © WP | Michael Kleinrensing

Beate Orthen ist gelernte Krankenschwester, „nach dem dritten Kind und nachdem sich mein Mann selbstständig gemacht hat, hab‘ ich allerdings umgesattelt und erst eine Ausbildung zur medizinischen Fußpflegerin und dann eine Podologie-Ausbildung gemacht“. Im Gegensatz zur kosmetischen Fußpflege versteht man unter Podologie die medizinische Fußbehandlung mit u.a. Nagelpflege, Entfernung von Hühneraugen und Hornhaut sowie Diabetikerversorgung.

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„150 Rezeptpatienten müssen sich nun einen neuen Podologen suchen. Meine Patienten sind im Schnitt 85 Jahre alt“, sagt Beate Orthen. Allerdings würden die an Diabetes Erkrankten immer jünger, „sie erkranken auch durch falsche Ernährung und zu wenig Bewegung“.

„150 Rezeptpatienten müssen sich nun einen neuen Podologen suchen. Meine Patienten sind im Schnitt 85 Jahre alt.“

Beate Orthen, Krankenschwester und Podologin

Die Expertin ist in ihrem Element: „Und ,hohe Hacken‘ über einen längeren Zeitraum zu tragen, ist Gift für den Fuß und kann zu einem Hallux valgus, also einem Ballenzeh, führen.“

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Kümmert sich seit Jahrzehnten hauptsächlich um „Problemfüße“ - das Ehepaar Orthen. © WP | Michael Kleinrensing

Billig-Schuhe können kaum repariert werden

Und ihr Mann Achim? Der schüttelt über die Wegwerf-Gesellschaft, die lieber billigstes Schuhwerk kauft statt hochwertigere Schuhe, bei denen sich auch nach Jahren noch eine Reparatur lohnt, den Kopf: „Die meisten Billigschuhe haben eine PU-Schaumsohle und können nicht repariert werden.“ Schuhe müssten allerdings nicht zwingend aus Leder sein, betont der Orthopädie-Schuhmachermeister, „hochwertige Mash-Materialien in Verbindung mit Goretex sind gut und wasserdicht“.

Beate Orthen lächelt und fragt verschmitzt: „Eigentlich sind wir doch alle zu arm, um billig zu kaufen, oder?“