Hagen. Immer mehr Kinder mit Förderbedarf: Die Lehranstalten in Hagen platzen aus allen Nähten. Die Stadt plant sogar die Gründung einer neuen Schule.
Die Zahl der Förderschüler in Hagen explodiert. So besuchen derzeit insgesamt 504 Mädchen und Jungen die Fritz-Reuter-Schule in Boelerheide und die Friedrich-von-Bodelschwingh-Schule in Wehringhausen, die beiden Schulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen in Hagen. Das sind 58 Schüler mehr als im Vorjahr. Die Gründe für die rasante Zunahme seien vielschichtig, sagt Stefan Grade, Leiter der Fritz-Reuter-Schule: „Die soziale Schere wird größer, die Mittelschicht immer kleiner. Dadurch gibt es mehr traumatisierte Kinder aus sozialen Randlagen.“
Ähnlich alarmierend ist die Entwicklung an der Gustav-Heinemann-Schule, der einzigen Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in Hagen. Hier schnellten die Zahlen innerhalb eines Jahres gleich um 61 Jungen und Mädchen nach oben (im vergangenen Jahr waren es 273, derzeit sind es 334, was einer Zunahme von 22 Prozent entspricht). „Als ich 2009 hier angefangen habe, waren es sogar nur 190 Schüler“, berichtet Schulleiterin Verena Lange.
FESH zieht nach Vorhalle
Angesichts des sprunghaften Anstiegs hat die Stadtverwaltung Hagen den Schulentwicklungsplan neu ausgerichtet und dabei ihr besonderes Augenmerk auf die Förderschulen gelegt. Demnach soll das Schulzentrum in Wehringhausen zum Förderschulzentrum ausgebaut werden. Heißt: Die dort bereits beheimatete Schule Friedrich von Bodelschwingh wird entgegen früherer Planungen nicht an einen anderen Standort verlagert, sondern bleibt vor Ort und soll dort sogar vergrößert werden.
Die dazu notwendigen Räume kann sie schon im nächsten Jahr übernehmen, wenn die derzeit noch in Wehringhausen beheimatete Freie Evangelische Gesamtschule (FESH) nach Vorhalle zieht. „So könnte der zusätzliche Bedarf an Schulplätzen mit dem Förderschwerpunkt Lernen abgedeckt werden“, heißt es dazu aus dem Rathaus. Das würde zugleich eine Entlastung der Fritz-Reuter-Schule in Boelerheide mit sich bringen, die mit derzeit 258 Schülern aus allen Nähten platzt. „Unser Schulgebäude wurde aber für 180 Schüler konzipiert“, zeigt Schulleiter Grade auf, wie notwendig weitere Schulplätze im Förderschwerpunkt Lernen sind.
Zweite Förderschule für Geistige Entwicklung
Daneben hat die Stadtverwaltung die Gründung einer zweiten Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in Hagen ins Spiel gebracht. Diese soll ebenfalls im Schulzentrum Wehringhausen untergebracht werden. Denn die Gustav-Heinemann-Schule ist sowohl an ihrem angestammten Standort in Oberhagen als auch an ihrem Zweitstandort in Dahl vollkommen ausgelastet. Zwar wird sie im Sommer 2026 in Oberhagen weitere Räume im Neubau der benachbarten Grundschule Goldberg erhalten, doch geht die Stadt Hagen davon aus, dass die Schule angesichts des starken Schülerzuwachses „mittelfristig erneut ausgelastet“ sein wird.
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Ob diese Planungen in die Realität umgesetzt werden können, hängt von vielen Unwägbarkeiten ab, vor allem aber von der Zustimmung der politischen Gremien. Immerhin hat der Schulausschuss die Verwaltung bereits beauftragt, ihre Vorschläge zu konkretisieren und beschlussreife Vorlagen auszuarbeiten. „Ich hätte mir gewünscht, dass die Förderschulen schon ein Jahr eher verwaltungsseitig mitgedacht worden wären“, so Nicole Pfefferer (Grüne), Vorsitzende des Schulausschusses: „Aber in jedem Fall sind die gegenwärtigen Planungen gut und richtig.“
Ohnehin ist der Ausbau der Förderschulen eng mit der weiteren Entwicklung im Regelschulbereich verknüpft. So kann das Förderschulzentrum in Wehringhausen wohl nur dann realisiert werden, wenn die dringend benötigte vierte städtische Gesamtschule auf dem Dünningsbruch, für die gerade erst ein Bebauungsplanverfahren auf den Weg gebracht wurde, gebaut werden darf.
Noch einmal erinnert sei auch an die geplante Verlagerung der Förderschule Wilhelm Busch, in der Kinder und Jugendliche mit emotionalem und sozialem Förderbedarf aus Hagen unterrichtet werden. Diese Lehranstalt soll bekanntlich 2027 von der Obernahmer in die Selbecke, wo das Gebäude der ehemaligen Förderschule August Hermann Francke verwaist ist, verlagert werden.
Nicole Pfefferer bringt aber noch einen weiteren Aspekt zur Sprache: „Wir haben immer noch keine Lösung für die Beschulung von Kindern mit körperlicher und motorischer Beeinträchtigung, die zu einem nicht unerheblichen Teil in die Nachbarkommunen fahren müssen.“
Das dürfe eigentlich nicht sein, hier sei der Landschaftsverband Westfalen-Lippe gefordert, der die Trägerschaft für diese Schulform innehabe: „Die Signale von dort sind allerdings nicht ermutigend“, so Frau Pfefferer: „In Hagen ist es vor allem der Gustav-Heinemann-Schule zu danken, die diese Schüler teilweise aufnimmt, obwohl die Schule dafür gar nicht ausgerichtet ist. Ich erinnere in dem Zusammenhang gern daran, dass fast alle unsere Schulen nicht barrierefrei sind, was im Jahr 2024 eigentlich nicht sein kann und darf.“