Hagen-Eckesey. Nach 60 Jahren lässt Dachdeckermeister Jürgen Henke den Nachwuchs Regie führen. Der 82-Jährige blickt auf ein spannendes Unternehmerleben zurück:
Neues aus dem Hagener Handwerk . . . „Ich bin mit 14 in die Dachdecker-Lehre bei meinem Opa gegangen. Er war damals schon recht alt und hat die meiste Zeit über Kaffee getrunken“, lacht Jürgen Henke. Sein Vater habe ihn dann weiter ausgebildet, „das war eine gute, harte Schule“. Jürgen Henke, in Hagener Handwerks- und Unternehmerkreisen ein echtes Urgestein, ist mittlerweile 82 Jahre alt und hat sich jüngst aus der Firma Henke AG sowie aus dem Aufsichtsrat zurückgezogen, um seinen Nachkommen - Kindern und Enkeln - freie Bahn für die Zukunft zu machen. „Sein Büro in der Zentrale in der Becheltestraße 18 bleibt natürlich bestehen“, unterstreicht seine Tochter Susanne Ester, geb. Henke.
Noch immer häufig im Büro
Das Besondere: „Das Holz in seinem relativ neuen Büro ist knallgrün gestrichen, da mein Großvater früher immer auf graue Wände geschaut hat“, ergänzt Enkelin Nina Ester, ebenfalls im Familienbetrieb tätig. Die komplette „Henke-family“ weiß, dass „Jürgen“ seit seinem Rücktritt nicht weg vom Fenster ist, „ach was, er kommt immer noch häufig her und schaut, ob alles läuft. Außerdem sammelt er in seinem Büro alte Rechen- und Schreibmaschinen, Dokumente und Urkunden von anno dazumal“.
Vor 120 Jahren (1904) wurde der Dachdeckerbetrieb Henke in der Bebelstraße in Hagen-Haspe gegründet, später zog die Firma in die Becheltestraße in Eckesey. Mit sechs Mitarbeitern fing damals alles an, heute beschäftigt das mittelständische Unternehmen 145 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an drei Standorten.
Natürlich schwindelfrei
Aber zurück zu Jürgen Henke, der mit 22 Jahren bereits seine Meisterprüfung absolvierte und mit 25 das letzte Mal ein Dach gedeckt hat. „Nicht, weil ich mir dafür zu schade war, sondern weil ich damals schon unsere Mitarbeiter einteilen musste, die Kunden beraten habe, Aufmaß genommen sowie Angebote und Rechnungen geschrieben habe“, erläutert Jürgen Henke und ergänzt: „Ob ich schwindelfrei war? Schwindelfrei zu sein ist eine Frage des Kreislaufs und der Gewöhnung und hat nichts mit Angeboren oder Angsthaben zu tun.“
Früher, in den 1950er- und ‘60er-Jahren, habe man noch die klassische Zunftkleidung getragen, „die wäre heute viel zu warm, die Arbeitskleidung ist heute salopper, wobei Sicherheitsschuhe natürlich noch immer Pflicht sind“, betont Jürgen Henke.
1980 Niederlassung in Berlin gegründet
In den 1970er-Jahren sei sein Dachdeckerbetrieb hauptsächlich in Hagen, dem Ennepe-Ruhr-Kreis und im Sauerland tätig gewesen, „dann sind wir mit einem Berliner Investor in Kontakt gekommen, Ende der 70er-Jahre haben wir schließlich in Berlin unser erstes Projekt gestartet und etliche Mehrfamilienhäuser mit Flachdächern versehen. Und 1980 eine Niederlassung in Berlin gegründet“, sagt der Unternehmer mit Pioniergeist. Anfangs hätte keiner seiner Beschäftigten auf Montage gehen wollen, doch in Berlin seien die Subventionen gesprudelt und die Mitarbeiter hätten richtig viel Geld in der Tasche gehabt: „Plötzlich wollten meine Leute fast alle nach Berlin.“ Längst ist aus Berlin ein weiterer Produktionsstandort, an dem rund 40 Mitarbeiter beschäftigt sind, geworden.
In Hamburg unterhielt Henke vor Jahrzehnten eine Arbeitsgemeinschaft, „als die Hamburger Firma Konkurs anmelden musste, haben wir einige der Mitarbeiter übernommen“. Seit etlichen Jahren befindet sich in der Hansestadt die Henke-Projektabteilung, und zehn Beschäftige arbeiten dort.
Auf große Hallenflächen spezialisiert
Der Senior blickt gern zurück: „Wir haben viel im Bereich Industriebedachung gemacht, zum Beispiel haben wir riesige Kaufhof-Außenlager mit Dächern versehen. Wir waren und sind noch immer auf große Hallenflächen von 5000 bis 15.000 Quadratmeter spezialisiert“, sagt Schwiegersohn Karl-Heinz Ester und zählt auf: „Wir haben unter anderem die Hallen von Cordes & Simon im Lennetal, von Porsche, Uhde und Waelzholz bedacht.“ Aber auch in der Fassadenherstellung und -anbringung sind die Henkes seit etlichen Jahrzehnten aktiv.
„Die älteste Fassade, die unsere Firma angebracht hat, ist jene am Wachholderhäuschen in Haspe“, sagt Jürgen Henke stolz. 1907 sei besagte Fachwerkfassade der Schnapsbrennerei Eversbusch von ihnen saniert worden, „da haben wir eine Fassade vorgehängt“. Und die erste stattliche, wärmegedämmte, vorgehängte Fassade hätte Henke in Boele angebracht, „1966, an der großen Immobilie neben dem früheren TÜV-Gebäude“.
Auch interessant:
- Zeitreise: Eine Vorhaller Familie baut die alte Drogenklinik um
- Schon wieder: Der nächste Laden verlässt die Rathaus-Galerie
- Nazi-Verdacht wirft Schatten auf das Wirken des Malers Erwin Hegemann
- Viel Erfahrung: Neue Kita-Leitung der Oase Loxbaum
- Kinderspiel, den Brötchen-Gutschein einzulösen? Von wegen!
- Dreister Coup bei Porsche: Zwölf Räder an Autos abgeschraubt
- Diese ramponierte Straße in Breckerfeld erhält eine neue Deck
- Sommerfest der Loßröcke: Das erwartet die Gäste am Wochenende
- Alarmierende Zahlen: 1000 mehr Arbeitslose als 2023
- Dieser Werkzeugmacher arbeitet seit 50 Jahren in derselben Hagener Firma
Und heute? „Wir kümmern uns um die komplette Außenhaut eines Gebäudes und bieten ,Alles aus einer Hand‘“, sagt Nina Ester. Heißt: Auch in puncto Elektro, Solar und Statik arbeitet Henke mit Experten zusammen, damit der Kunde alles aus einem Guss erhält.
Rechtsform ist heute Aktiengesellschaft
Jürgen Henke blättert durch eine Firmenbroschüre, die mit „Unsere Wege führen nach oben“ untertitelt ist und in der die Familiengeschichte von Henke bis zur AG skizziert ist. Eine Aktiengesellschaft?
„Am Anfang waren wir eine KG, später eine GmbH + Co. KG, bis uns dann ein befreundeter Wirtschaftsprüfer die AG-Lösung empfohlen hat“, erläutert der 82-Jährige und konkretisiert: „Es handelt sich bei uns um eine reine Familien-AG mit sieben Aktionärinnen bzw. Aktionären aus dem Familienkreis.“
Wie sich Jürgen Henke als Familienoberhaupt, früherer Chef und Dachdeckermeister („Ich kann auch heute noch Schiefer aus der Hand schlagen - das verlernt man nicht“) seine Zukunft vorstellt? „Auf jeden Fall ohne Langeweile, aber mit mehr Zeit für meine Frau Bärbel und mich. Und mit mehr Zeit für soziales Engagement.“ Damit spielt Jürgen Henke auf die Begegnungsstätte „Corbacher 20“ in Haspe an, die er seit etlichen Jahren unterstützt.